Dienstag, 5. April 2011

1126 "Matthias Huhn war in Afghanistan. Er musste zusehen, wie Freunde starben: Seitdem hat er diese Bilder immer wieder vor sich.

Er führt nicht nur einen Krieg im Kopf, sondern kämpft auch gegen Ärzte, Gutachter und Sachbearbeiter": So lautet der Subtitel des mit "Im Frühling kam der Tod" überschriebenen Beitrags, der sich, verfasst von dem Journalisten Marco Seliger, in der jüngsten FAS-Ausgabe (Nr. 13) zu der Situation eines psychisch-mental durch die Kriegserlebnisse Geschädigten veröffentlicht findet. Aus ihm geht vor allem dieses hervor: weder a) bei der Vorbereitung von Kampfhandlungen noch b) nach deren Abschluss - hier für einen an einem posttraumatischen Belastungssyndrom (PTBS) - sind die militärischen Instanzen willens und in der Lage, auf die Bedürfnisse der Soldaten angemessen zu reagieren.


ad a) heißt es bei Seliger: "Huhn weiß das alles noch ganz genau. Das war der 29. April, an dem sein Freund Sergej Motz starb. Motz war Maschinengewehrschütze in einem Transportpanzer, Version 1A4, ungepanzert. 'Ungepanzert, das ist doch unfassbar', brüllt Huhn. Er regt sich jedes Mal wieder auf, wenn er darüber spricht." Zu diesem Punkt, sprich, der unzureichenden Ausstattung der Soldaten und der mangelnden Vorbereitung auf die Kampfhandlungen in Afghanistan wurden in diesem Blog bereits die immer wieder ganz eklatant in Erscheinung tretenden Defizite aufgezeigt. Worum es hier aber in erster Linie gehen soll, ist das, was in dem Ersten Weltkrieg von den Medizinern "Kriegszittern" oder "Shell Shock", und im Zweiten Weltkrieg "Battle Fatigue" genannt wurde.

ad b)
stellte der Autor dazu fest: "Ohne Behandlung bleibt die Erkrankung Jahrzehnte. Angst, Grauen, die schrecklichen Bilder von Tod und Verwüstung werden im Gedächtnis immer wieder leidvoll inszeniert. Verbunden mit einer ständig erhöhten Erregbarkeit, Schreckhaftigkeit, Schlaflosigkeit und Albträumen ziehen sich die Betroffenen aus Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis zurück. Sie werden zu freudlosen, ängstlichen, depressiven und agressiven Menschen, zu einer Gefahr für sich selbst und ihr Umfeld.

Seitdem Deutschland in Auslandseinsätzen engagiert ist, steigt die Zahl der an PTBS erkrankten Soldaten kontinuierlich. ... Nach Bundeswehrangaben wurden seit 1996 mehr als 2200 Soldaten mit PTBS behandelt. Die Dunkelziffer liegt laut einer Studie der TU Dresden doppelt so hoch. ... Matthias Huhn spürt davon [der gesteigerten Sorge um so Geschädigte] nichts. Er befindet sich zwar in medizinischer Behandlung, doch wirtschaftlich droht ihm der Kollaps. Ende März endet seine reguläre Dienstzeit, aufgrund der Erkrankung wäre er unfähig, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Schon im April 2010 stellte er einen Antrag auf Wehrdiensbeschädigung (WDB). Die Bundeswehr prüft seitdem, ob er im Militär eine Verletzung erlitten hat, die ihn zu staatlicher Fürsorge berechtigt. Doch die Armeebürokraten fürchten bei WDB-Anträgen von an PTBS erkrankten Soldaten, sie könnten Simulanten aufsitzen, die nur Geld wollen."

Aus den Auführungen Seligers geht im Weiteren hervor, dass die Militärbürokratie zwar bereit ist, für einen Schaden einzutreten, wie er entsteht, wenn ein Soldat bei einer Bombenexplosion ein Bein verloren hat, sich aber unheimlich schwer tun, wenn es darum geht, einen Ausgleich für die bei den Kampfhandlungen eingetretenen psychisch-mentalen Beschädigungen zu schaffen - Zitat: "Es dauert mitunter Jahre, bis Anträge bearbeitet sind, wobei sich überforderte Sozialarbeiter und medizinische Gutachter gegenseitig dafür die Schuld geben. ... Die Mühlen der Bundeswehrbürokratie mahlen langsam."

Abschließend sei hier darauf hingewiesen, dass der Autor die psychisch-mentalen Probleme des hier vorgestellten Kriegsteilnehmers nicht einfach nur in den Raum stellt: einleitend beschreibt er nämlich ganz ausführlich die Albträume, unter denen er so gut wie allnächtlich so leidet, dass er nur noch mit einem Schrei aus ihnen aufwachen kann. Daran anschließend stellt Seliger fest: "Seit meht als 28 Monaten geht dieses Martyrium nun schon. Nacht für Nacht die Albträume. Huhn hat in Afghanistan gekämpft. Ein traumatisierter Mann, einer von Hunderten, deren Seele am Hindukusch zerstört worden ist. Die in Kliniken um ihr altes Leben kämpfen, um den Weg zurück in die Normalität, die es für die meisten von ihnen doch nicht mehr geben wird. Sie haben monatelang im Extremen gelebt, mit höchstem Einsatz gespielt und erwartet, dass die Gesellschaft ihnen dafür dankt."


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