Samstag, 2. April 2011

1121 "Unser Freund, das Atom": Fragezeichen über Fragezeichen.

"Je planmäßiger wir vorgehen, umso mehr trifft uns der Zufall": Diese von Friedrich Dürrenmatt formulierte Einsicht findet sich als einziger Zwischentitel in dem von dem Journalisten Rainer Hank für die FAS ausgearbeiteten Bericht über den Werdegang der "friedlichen Nutzung der Atomenergie" in diesem unseren Lande. Einleitend kommt er auf den in den Walt-Disney-Studios gefertigten und am 23. Januar 1957 in die Wohnzimmer Amerikas gebrachten Fernsehfilm über einen Fischer zu sprechen. Der habe, eine schon bekannt Geschichte in anderer Weise erzählend, einen Geist (Dschinni) zunächst aus einer Lampe befreit, dann aber, nach dessen Revolte gegen ihn, wie dorthinein zurückbugsiert.

"Ein zweites Mal, so sagte er, werde ihm die Freiheit nur geschenkt, wenn er verspricht, für immer gut zu sein. Als Kommentator im Walt-Disney-Film tritt der deutsche Wissenschaftsjournalist Professor Heinz Haber auf (eine Art Ranga Yogeshwar der fünfziger Jahre). Er übersetzt das Märchen: Der Geist aus der Lampe ist das Atom. Einmal, in Hiroshima und Nagasaki [genau besehen also zweimal] hat das Atom sich als Feind der Menschheit offenbart. Von nun an aber werde das Atom seine guten Seiten zeigen. Der im Auftrag der amerikanischen Regierung gedrehte Film, der auch deutschen Schulklassen gezeigt wurde, propagiert die 'friedliche Nutzung der Atomenergie'. Der Film markierte den Benn des guten 'Atomzeitalters'. Das Atom, erklärt Walt Disneys Werk, werden, weil sauber, still und unendlich vorhanden, die endliche und schmutzige Energie aus Kohle und Öl ersetzen. Mehr noch: Es werde unsere Ernährung verbessern und uns alle satt und schließlich auch (Stichwort 'Nuklearmedizin') gesund machen. Mit Atom gegen den Krebs, hießt [sic!] die Devise. Das Happy End ist ein beschwörender Appell an das Atom: 'Bleibe bitte für immer unser Freund'. Es lohnt, den Walt-Disney-Streifen heute anzusehen (zum Beispiel bei: www.fixmbr.de/our-friend-the-atom/), um eine Ahnung zu kriegen, wie besoffen die Nachkriegszeit vom Segen des Atoms war.

Wer damals die Kernkraft 'nur' als 'Brückentechnologie' bezeichnet hätte, wäre von der Mehrheit der Zeitgenossen verlacht worden. Sie zur Energiegewinnung zu nutzen, war die niederste Stufe des Atomsegens: Autos, U-Boote, Flugzeuge, im Grunde das ganze Leben, sollten vom Atom angetrieben werden. Der Traum von der friedlichen Atomenergie sei die 'Integrationsideologie der fünfziger Jahre', schreibt der Historiker Joachim Radkau 1983 in seinem bis heute unübertroffenen Standardwerk über 'Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft'. 'Wir werden durch Atome leben', tönte ein 1956 erschienenes Buch, dem Geleitworte von Otto Hahn, dem 'Vater der Kernenergie' und Franz Josef Strauß, dem ersten deutschen 'Atomminister'...vorangestellt waren."

Die zu der Zeit nicht nur für Deutschland, sondern weltweit zu verzeichnende Atombegeisterung fand laut Hank ihren Höhepunkt in der vom 8. bis zum 20.8.1955 in Genf veranstalteten Internationalen Atomenergiekonferenz der Vereinten Nationen, in Deutschland dann im Jahr 1957 gefolgt von der Erklärung der " 'Göttinger Achtzehn' " - sämtlich Atomforscher der Bundesrepublik. In der diese sich zwar gegen die militärische, aber gerade nicht gegen die friedliche Nutzung der Atomkraft aussprachen. " 'Es gibt überhaupt keinen Industriezweig, keine Fabrik und keine Werkstatt', hatte der Atomphysiker Pascal Jordan 1954 hehauptet, 'die nicht erhebliche Arbeitsverbilligung erzielen könnte, wenn sie sich von einem praktischen Kernphysiker beraten ließe'. Und Edgar Salin, ein damals bekannter deutscher Ökonom, der in Basel lehrte, verfasst seine 'Ökonomik der Atomkraft', in der er die Welt durchs Atom zum Blühen bringen und in eine neue Phase des Kapitalismus führen wollte. Wer keine Atomkraft im Angebot habe, meinte der Chemiemanager Siegfried Balke, 'der wird auch keinen Staubsauger mehr verkaufen'. Salins und Balkes Träumereien wurden noch übertroffen von dem Marxisten Ernst Bloch, der in seinem 'Prinzip Hoffnung' davon schwärmte, die Atomenergie schaffe 'in der blauen Atmosphäre des Friedens aus Wüste Fruchtland und aus Eis Frühling'."

Es ist für den Blogger recht erstaunlich, dass ausgerechnet ein Jounalist wie Rainer Hanke, der sich ihm bis dato eigentlich immer als sehr auf das kapitalistische System eingeschworen dargestellt hat, dabei immer systemkompatible Erklärungsgründe dafür zu liefern suchend, wieso es mal an der einen oder anderen Stelle nicht so recht funktioniert, sich zu einer solch kritischen Sichtung des Siegeszuges der Atomenergie aufgeschwungen hat. An dessen Anfang, einleitend wurde dies ja ausführlich zitiert, ein Film stand, in dem null Information geliefert wurde, dafür aber jede Menge Stimmungsmache. Wie dies halt in unseren Breiten so üblich ist - auch im Vatikan, wo man, wie aus dem nachfolgenden Cartoon ersichtlich, ja darauf sinnt, dem Atom einen modernen Schutzpatron zu verschaffen.

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