Donnerstag, 2. August 2012

1814 Honoris Causa: In Würdigung anzuerkennender Bemühungen/18: GÜNTER WALLRAFF macht immer wieder mobil gegen "Lockere Typen, die Menschen verachten"



Beim Durchstöbern älterer Pressematerialien in der Ausgabe 17/2011 der Zeitschrift Publik-Forum auf den vorstehend gebrachten Bericht über diesen Menschenfreund gestoßen, freut sich der Blogger ungemein, diesem Mann den ihm gebührenden Platz auch im Rahmen seines Kommentarbuches morequalitiesinlife einräumen zu können. Sein Engagement hat nicht nur in Deutschland, sondern weltweit immer wieder Beachtung gefunden - so, dass es in Schweden sogar ein Wort gibt, welches sich auf die von ihm verwendete Methode des Auskundschaftens von unzumutbaren Arbeits- und Lebensbedingungen bezieht, nämlich das Verb "wallraffen".

Wer das Interview verfolgt, das Wallraff dem österreichischen Kulturwissenschaftler Hubert Christian Ehalt gegeben hat, der kommt nicht umhin, Bewunderung für dessen Engagement in Sachen Lebensqualität für den kleinen Mann zu entwickeln. Angesprochen auf die Veränderungen, die er bei seinen heutigen Aktionen in der Arbeitswelt gegenüber früher registriere, konstatiert Wallraff Folgendes: "Aber man ist auch wehrloser. Die Arbeitsverhältnisse sind unsicherer, der Einfluss der Gewerkschaften geringer, die Ausbeutungsintensität wurde in bestimmten Bereichen bis zum Gehtnichtmehr gesteigert. ... Rechte ... werden ... ausgehöhlt durch ein neu entstehendes Proletariat, durch prekäre Arbeitssituationen, durch einen ständig wachsenden Anteil an Leiharbeit. Es macht sich bermerkabr, dass innerhalb der Belegschaften ein Teil rechtloser wird oder sogar rechtlos ist. Heute wachsen ständig die Arbeitsfelder, in denen die Gewerkschaften überhaupt keinen Einfluss mehr haben, wo ein Gewerkschaftsmitglied gar nicht eingestellt und eine Betriebsratsbildung durch gezielte Maßnahmen verhindert wird."

Gleich an diese Feststellungen anschließend kommt der Interviewpartner des Kulturwissenschaftlers auf die Unkultur zu sprechen, welche sich in der Arbeitswelt mehr und mehr breit macht. Eine besondere Rolle weist er dabei den Managern zu, die ja in den allermeisten Firmen an die Stelle der Unternehmer getreten sind. Er sagt über sie: "Diese modernen Manager sind schlimmer als die Sklavenhalter des klassischen Altertums, die nämlich noch ein Interesse daran hatten, dass ihre Sklaven möglichst lange bei guter Gesundheit waren, damit sie von deren Arbeitskraft möglichst lange profitieren konnten. Jetzt agieren Typen, die vielleicht äußerlich ganz locker wirken. Dahinter aber steht eine berechnende, menschenverachtende Haltung, die eiskalt nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist. Ich nenne hier das ganze Verkaufs-Callcenter-Unwesen. Das ist zu achtzig Prozent auf Betrug und auf kriminellen Tricks aufgebaut."

Im Weiteren geht Wallraff auf die Rolle ein, die der Staat speziell auch im Rahmen des Callcenter-Wesens sich deutlich abzeichnenden Entwicklung hin zur Verelendung der Menschen spielt - eine Rolle, die auch der Blogger immer wieder attackiert hat und weiter attackieren wird: "Wir haben Gesetze, die das Unwesen eindämmen, durchgesetzt; die aber nützen häufig nichts. DAs Widerrufsrecht wurde verlängert, die Bußgelder wurden wesentlich erhöht, die Nummern dürfen nicht mehr unterdrückt werden. Aber inzwischen wird das alles mit neuen Tricks unterlaufen. Geschädigt werden immer die, die sich nicht zu wehren wissen. Die werden dann noch von betrügerischen Anwälten und Inkassobüros bedroht. ... Das sogenannte Jobwunder in Deutschland besteht darin, dass diese zwei Millionen neu geschaffene Stellen mehrheitlich Stellen sind, von denen niemand leben kann. Das sind prekäre Arbeitsverhältnisse. Über sieben Millionen Menschen arbeiten inzwischen in solchen Mini-Jobs...."

Angesprochen auf das "Wallraffen", erläutert der Träger dieses Namens, was ihn zu seinen Ausspähungsaktionen antreibt und welche Veränderungen er im Laufe der Zeit an sich selbst wahrgenommen hat: "Voraussetzung für so eine Arbeit und diese Methode sind Unrechtsbewusstsein, Gerechtigkeitsgefühl, Neuggierde und sicher auch Abenteuerlust. Dabei versuche ich mich auf keinem Erfolg auszuruhen. Im fühle mich immer wieder ganz am Anfang. Ich bin durch meine Arbeit von einem sehr introvertierten zu einem selbstbewussten und, wenn es sein muss, auch kämpferischen Menschen geworden."

Aus dieser Haltung heraus entwickelt Wallraff eine Sichtweise, die ihm das, was in unserer Pseudodemokratie so alles abgeht, höchst kritisch sehen lässt: "Meine Gesellschaftskritik ist radikal, und sie setzt da an, wo der Widerspruch zwischen einem humanen Verfassungsentwurf und der Realiität der Arbeitswelt immer größer wird. Der Artikel 1 unseres Grundgesetzes lautet ja, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. In Hinblick auf das, was alltäglich in unseren Arbeitswelten geschieht, müsste eigentlich der Verfassungsschutz aktiv werden und verdeckte Ermittler in die Betriebe schicken. Das, was ich gleichsam stichprobenmäßig mache, müsste ein Hauptthema werden."

Das Interview beendend, hebt Wallraff die Bildung als Instrument heraus, mit dem sich eine veränderte Einstellung der Menschen zu den sie umgebenden gesellschaftlichen Verhältnissen erreichen ließe. Bei ihr müssten die besten Pädagogen mitwirken - tatsächlich sei Deutschland in dieser Hinsicht aber ein Entwicklungsland: Es habe viel zu wenige Kindergärten, die in dem von ihm gemeinten Sinne positiv prägend auf die jungen Menschen einwirken könnten. So bleibe das alte Stände- und Dreiklassensystem erhalten. Was Deutschland bräuchte, sei ein "neues Wertesystem und ein neues Wertebewusstsein." Welche Sichtweise den Blogger natürlich sehr gelegen kommt, bemüht er sich mit seinem elektronischen Bordbuch permanent darum, in ihm das zu verzeichnen, was in eben diese Richtung zielt - oder aber ihr diametral entgegen liegt.




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Denn: So praktikabel ersterer bei der Erstellung der Posts ist - er unterschlägt jetzt nicht nur, wie zu Anfang, eine ganze Reihe von Bild- und Textmaterialien, sondern mit einem Mal gleich alle. Aus mir unerfindlichen Gründen.



morequalitiesinlife










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