AS: Nach einem etwas längerem Anlauf, nämlich in den Posts 888, 889 und 890 sowie den sie vorbereitenden Einträgen 869, 872 und 873, komme ich hier schon vorab zu dem Kernpunkt der ganzen Angelegenheit, wie er sich halt auch jetzt bei dem Projekt Stuttgart 21 manifestiert: Immer wieder wird stereotpy darauf verwiesen, dass alles formaljuristisch korrekt und von daher auch legitimiert sei. Das Beharren auf einem solchen Standpunkt, welches jedoch allenfalls - wie weiter unten ausgeführt - als pseudodemokratisch verstanden werden kann, hat aber das Zeug, jegliches Vertrauen in ein ordentliches Funktionieren des Staatsapparates zu untergraben. In ihm schwingt ein solches Maß an Überheblichkeit mit, dass man dabei einfach ins Grübeln darüber geraten muss, was dieser Affenzirkus eigentlich überhaupt noch mit Demokratie zu tun haben soll. In welchem das Listenwahlrecht noch zusätzlich dafür sorgt, dass willige Höflinge in der politischen Szene agieren, denen auf ihrer Ochsentour das Rückgrat gründlich verbogen worden ist.
Nimmt man hinzu, dass etwa mit dieser Listenwahl, dem Fraktionszwang und der in aller Regel unzureichenden Möglichkeit für die Abgeordneten, sich in der anstehenden Angelegenheit sachkundig zu machen, Instrumente geschaffen worden sind, die etwas genauer besehen eigentlich nur dem Parteiinteresse dienen, also nicht der Öffentlichkeit mit ihren Anliegen, dann ergibt sich daraus, dass der Anspruch der Regierenden, unwiderlegbar über Dinge zu befinden, am Kern des Demokratiekonzepts vorbeigeht. Welches eigentlich nicht beinhaltet, dass die sich einen im Nachhinein immer triumphierend vorgewiesenen Freifahrtschein dafür verschaffen, allerlei Unsinn zu fabrizieren, dabei also etwas genießend, was man nur als Narrenfreiheit bezeichnen kann.
Es möge niemand glauben, dass sich ausgerechnet heute, dem Tag, an dem ich mir vorgenommen habe, weiter in die Materie Demokratieabbau einzusteigen, die vorstehend gebrachten Materialfunde "einfach so" ergeben haben: a) weiß ich nämlich überhaupt nicht, wieso mir erstmalig eine Ausgabe der Tagespost zugesandt worden ist, die ich überhaupt nicht kenne - in der sich aber neben ganz viel unnützem Kram aus dem katholischen Raum der sehr sprechende Leserbrief findet; b) registriere ich beim flüchtigen Durchgang durch das hier in der Region verteilte Käseblättchen DEISTER aktuell ebenfalls einen Leserbrief, in dem ordentlich Wasser auf meine Mühlen gegossen wird; c) wird in den beiden heute auf der 2. Seite der HAZ veröffentlichten Zeitungskommentaren aus dem Osten und dem Süden der Republik genau das thematisiert, was ich mir hier vorgenommen hatte:alles sollte "ein Weckruf sein, den Graben zwischen dem politischen und restlichen Leben im Land nicht weiter anwachsen zu lassen". Nachträglich hier eingebracht: Die drei ersten Materialien, auf die im Weiteren auch noch Bezug zu nehmen sein wird.
Ich wollte mich näher auslassen darüber, wie hierzulande der Gaul Legalismus irgendwie zu Tode geritten wird - und habe eine entsprechende Anfrage bei Google gestartet. Mit dem folgenden Text: "Legalismus zerstört die Demokratie". Danach auf der zweiten Seite der Trefferliste als vorletzten Eintrag den folgenden gefunden - ihn im Weiteren dann herauskopierend und in diesen Post einstellend (das campact.de, welches hier eigentlich gar nicht hingehört, belasse ich dabei einfach so, wie ich es nach einem erforderlich gewordenen Kopierschritt mitgenommen habe).
Schon an dieser Stelle möchte ich verweisen auf das, was sich in dem Abschlusskasten unter "GESAGT IST GESAGT" festgestellt findet. Wozu ich behaupte, dass in diesem Blog sehr wohl so etwas wie Wahrheitsfindung betrieben wird. Weitere eigene Überlegungen dann im Anschluss an den hier folgenden Beitrag.
Wie Diebe in der Nacht
1. Okt. 2010 ... Indem sie vernichtet werden, offenbaren sich die stummen Bäume plötzlich ... genug ist - der legalistische Verweis auf die abgelaufenen Einspruchsfristen ... Demokratie ist mehr als ein juristisch korrektes Verfahren. ....
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Einleitend bereits angesprochen: Die Mechanismen, die verhindern, dass es zu Entscheidungen kommt, die sich vornehmlich an dem zu regelnden Sachverhalt orientieren. Man braucht sich dazu etwa nur in Post 889 den dort in der Vergrößerung lesbaren Text "Experte mahnt: Hähnchenmarkt vor dem Kollaps" anzuschauen: Da werden allüberall Großanlagen genehmigt - mit dem Argument, die geltenden Statuten sähen keine andere Regelungsmöglichkeiten vor. Obwohl durch diesen Eingriff in das Landschaftsbild und in die Sphäre der Bürger mit ihren Interessen an Gesundheit und Geruchsfreiheit ganz massiv beschädigt werden. Da wird dann einfach auf den Abschluss beispielsweise eines Planfeststellungsverfahrens verwiesen - und schon hat sich die ganze Geschichte erledigt.
So gut wie ausschließlich kommt es für die Parteien und die für sie angetretenen Abgeordneten darauf an, ein bestimmtes Konzept einfach durchzudrücken - immer mit Blick darauf, dass es gilt, den Wahlbürger zu beeindrucken: mit Führungsstärke, Konsequenz, Überlegenheit, Unwiderlegbarkeit und noch manch anderem Vehikel, mit dem sich der Herrschaftsanspruch transportieren lässt. Ich halte dafür, dass das, was uns als Demokratie verkauft wird, in allererster Linie dazu da ist, den eh schon Mächtigen in diesem System noch mehr Einfluss zu verschaffen - so unter anderem sicherstellend, dass deren Einkünfte sich in astronomische Größenordnungen hinein bewegen können, die Entrechteten aber null Chance haben, aus ihrer Misere herauszukommen.
Zu der Verkommenheit der politischen Klasse hier - ein nachträglich eingebrachtes - längeres Zitat aus dem von Rüdiger Soldt für die FAS verfassten Artikel "Die da oben, die da unten": "Seine Partei [die Manfred Rommels] die Stuttgarter CDU, hat jedenfalls in den vergangenen zehn Jahren fast nur mit Skandalen, Affären und Kabalen auf sich aufmerksam gemacht. Es fing damit an, dass man gegen das Selbstverständnis der CDU als Rechtsstaatspartei handelte und die 'Lex Föll' schuf: Michael Föll, damals CDU-Fraktionsvorsitzender im Stuttgarter Gemeinderat, wollte Finanzbürgermeister werden, verfügte aber nicht über die in der Gemeindeordnung vorgeschriebenen beruflichen Voraussetzungen. Deshalb wurde die Gemeindeordnung geändert.
Mitte des Jahres wurde bekannt, dass Föll, heute Finanzbürgermeister und CDU-Kreisvorsitzender, Mitglied im Beirat der Firma war, die im Auftrag der Bahn den Nordflügel des Bahnhofs abreißen sollte (vgl. dazu das ebenfalls eingangs gestellte Foto]. Föll musste den Posten aufgeben. Die Artikel über Fölls Fehltritt hängen dutzendweise am Bauzaun. Föll sei Mitglied des 'Stuttgart-21-Kartells', höhnten die Gegner des Durchgangsbahnhofs. Damit nicht genug, die Gemeinderatsfraktion lieferte Gangolf Stocker, dem wichtigsten und zudem DKP-geschulten Funktionär der Anti-Stuttgart-21-Bewegung noch andere wunderbare Beweise für Korruption und Verkommenheit: Der Vorsitzende der Gemeinderatsfraktion musste 2008 seinen Posten aufgeben, weil er eine Vorstrafe wegen Insolvenzverschleppung verschwiegen hatte. Ein anderer CDU-Gemeinderat bezog über Jahre hinweg zu Unrecht Sitzungsgelder. ...
... Stuttgart ist eine Stadt, die viele Parkhäuser hat und nur wenige Plätze für Menschen. Viele städtebauliche Projekte scheiterten, das hat die Stuttgarter zu Skeptikern gemacht. " 'Ich habe keine Scheu vor dem Wandel, sondern denke daran, dass auf Pump Gekauftes immer am teuersten ist und Erneuerungswut nicht immer davor zurückschreckt, die wenigen Zeugnisse der Geschichte zu opfern, die Stuttgart noch sein Eigen nennt', schrieb die in Stuttgart aufgewachsene Schriftstellerin Anna-Katharina Hahn. Die Voraussetzungen für eine grüne Protestbewegung waren im Talkessel besonders gut: Der CDU-Bürgermeister Schuster gewann immer nur im zweiten Wahlgang. Die Grünen waren in Stuttgart schon immer außerordentlich stark und bürgerlich. ...
... "Die Mischung aus Anthroposophie und Pietismus sei auch heute eine Wurzel der Protestbewegung; eine gesellschaftliche Mehrheit habe der Durchgangsbahnhof nie gehabt, sagt [Rezzo] Schlauch. Auf der Internetseite einer Gegnergruppe heißt es: 'Der Protest ist die Auflehnung gegen ein politisches System, das dabei ist, sich in seiner derzeitigen Form zu verwirken. Er will sich nicht noch mehr Geschwindigkeit um jeden Preis verordnen lassen, nur weil das jener Konditionierung entspricht, die wir uns gegenseitig die letzten Jahrzehnte haben angedeihen lassen. Die Finanzkrise allein und mit ihr die Aufdeckung eines großen Schwindels veränderte die Sicht auf ein Projekt wie Stuttgart 21 in weitreichendem Maße'. Kleinere Städte haben aus den Schwierigkeiten, die Bürger für Großprojekte zu gewinnen, längst Konsequenzen gezogen. Sie haben erkannt, dass es nicht mehr reicht, auf beendete Planfeststellungsverfahren zu verweisen. Der Vertrauensverlust und die Skepsis vieler Bürger sind so groß...."
Mit anderen Worten: Auch ich bin - wie der als Carlo di Fabio in die Öffentlichkeit tretende Parteienverächter - dafür, dass das demokratische System neu figuriert wird - so, dass es nicht mehr und mehr zu einem reinen Machterhaltungssystem verkommt. Beispielsweise mittels des Fortfalls des Fraktionszwangs, welcher die im Grundgesetz ja vorgesehene Gewissensfreiheit der Abgeordneten überhaupt nicht zum Tragen kommen lässt. Oder durch die Abschaffung des Listenwahlrechts. Welches es dem Wahlbürger unmöglich macht, einen von ihm mit der Wahrnehmung von Regierungsgeschäften Beauftragten notfalls auch zur Rechenschaft zu ziehen. Oder anderes mehr.
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