Freitag, 29. Juli 2011

1274 "Wer die Wahl hat ...": Analyse von Plakaten zu den anstehenden Kommunalwahlen durch zwei Kenner der Materie.




"Aber welche Slogans bleiben im Gedächtnis haften, welche Motive gehören zu den sprichwörtlichen Hinguckern?" Diese Fragen haben sich Christina Eike vom Bereich visuelle Kommunikation der Fachhochschule Hannover sowie "Andreas Stein, Geschäftsführer der renommierten Agentur Steindesign" gestellt. Ohne hier weiter auf die Fragwürdigkeit einzugehen, die eigentlich mit dieser Art, Politik unter das Volk zu bringen und Wählerstimmen einfahren zu wollen, verquickt ist, sollen hier auszugsweise die Statements wiedergegeben werden, die von diesen beiden Experten in Sachen Kommunikation zu den vorstehend gebrachten Motiven abgegeben worden sind. Hiermit wird insbesondere auch angeknüpft an den folgenden, immer noch zu den Rennern bei der Leserschaft zählenden Post:

1263 Der Staatsapparat - in Gang gesetzt und vorangetrieben vornehmlich durch Angst- und Verunsicherungsmechanismen: Auch einem als "demokratisch" ...


ad 1. Dem SPD-Plakat, welches bei der Begutachtung neben dem der Grünen am besten wegkommt, bescheinigt der Grafikdesignprofi Stein eine hervorragende handwerkliche Machart: "Wie sich die hellen Kästen überlappen und dennoch so transparent sind, dass die Fotomotive durchscheinen", das wirke "sehr modern und dynamisch". "Oben links in der Ecke besitze jedes Plakat einen sogenannten Störer, der das gesamte Bild auflockert." Sich im Weiteren sich auch beziehend auf das in das Plakat eingebrachte Parteilogo und etwa auch die Schrift, kommt er hinsichtlich dessen Aussagekraft zu dem Resultat, dass a) Bilder und Text sehr gut zusammenpassten und viel Gefühl transportierten, dass aber b) die Botschaften, obwohl verständlich, zu sehr plakativ erschienen.

ad 2. Die auf dem Weg zur Position als Kommunikationsexpertin befindliche Christina Eike sagt zu dem Plakat, dass das Motiv der tauziehenden Regionspolitiker kaum Dynamik ausstrahle und damit im Widerspruch stehe zu dem Slogan " 'Zugkraft für die Region'. 'Zudem ist der blaue Streifen, mit dem der Schriftzug unterlegt ist, eigenartig verwaschen. Das zeugt nicht von Standhaftigkeit, die ja ebenfalls zum Ausdruck gebracht werden soll', sagt die angehende Grafikdesignerin. Andreas Stein empfindet das Plakat "als überaus 'bieder'." Bei allen CDU-Plakaten "bemängeln sie, dass die Botschaft nicht sogleich klar wird. 'Über den Zusammenhang von Umwelt und Straße muss ich erst nachdenken', sagt Stein. Das dauere aber zu lange, ein Plakat sollte in einem Augenblick erfasst werden können. 'Sonst könnte ich ja gleich eine Broschüre herausgeben'."

ad 3. "Viel Lob erntet die Plakatkampagne der Grünen." Dabei insbesondere eine Rolle spielend der durchgehend gleiche Aufbau der Plakate. Das Symbolbild sei im Grunde das, was sich in ihnen allein ändere. Andreas Stein wird dazu mit den Worten zitiert: " 'Die Plakatkampagne hat somit einen hohen Wiedererkennungswert'. Auch die Botschaften erschlössen sich dem Betrachter auf Anhieb. Ihm gefalle auch der Slogan "Wir machen das klar", hebt Stein hevor. Der wirke sowohl frech als auch bodenständig und spreche verschiedene Zielgruppen an. - Der Grafikdesignerin in spe gefallen vor allem die Wortspiele: " 'Sie sind nicht zu verkopft, dennoch lässt sich eine Weile darüber nachdenken' ... Auch die frischen, freundlichen Farben sprächen den Betrachter sofort an. "

ad 4. "Die FDP hat einen großen Vorteil, meint Grafikdesigner Andreas Stein. Die Farben der Partei seien derartig einprägsam, dass ihre Plakate immer wiedererkannt werden." Auch das Motiv mit dem Sparschwein kommt bei der Bewertung des Plakats gut weg. Auf welchem alles sehr ausgewogen wirke. "Sympathischer findet sie aber das Kandidatenplakat von Wilfried Engelke." Hinsichtlich seiner Wirkung findet sich dieses Urteil gegen Ende des Bildkommentars so gut wie aufgehoben durch den Co-Kommentator: ""Die Botschaft dieses Plakats sei äußerst gering, kritisiert er. Sie lautet nur: Hier bin ich, wählt mich. Es werde kein Sachthema ansgesprochen, nichts, wofür der Kandidat stehen könnte." Da hilft es dem Kandidaten auch nichts, wenn der weibliche Part in dem kleinen Gutachterteam befindet: " 'Mit einem freundlichen Gesicht wird eine emotionale Verbindung aufgebaut' ... Zudem spreche der sogenannte QR-Code links unten auf dem Engelke-Bild eine jüngere Zielgruppe an. Lässt man sein Smartphone den Zeichensalat einscannen, wird sogleich eine Verbindung zu Engelkes Website hergestellt. 'Der Mann geht mit der Zeit', sagt Eike anerkennend."

ad 5. Kein gutes Haar lassen die beiden Gutachter an den Plakaten der Linken. Insbesondere bemängelt wird von ihnen, dass sie zuviel Text enthielten und die Bilder fehlten - und damit auch die emotionale Ebene. Einzig und allein die Farbwahl mit Rot und Gelb, durch die sie kurzzeitig die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich lenken könnten, erscheint beiden zumindest ansatzweise positiv. " 'Wenn das Motiv ein paar Meter hoch an einem Laternenmast hängt, kann ich das Kleingedruckte kaum noch lesen', sagt Grafikdesigner Stein."

ad 6. Zu einer ähnlich negativen Einschätzung gelangen Eike und Stein hinsichtlich des WfH-Plakats. Dessen Botschaft bliebe unverständlich, befindet Letztgenannter dazu. "Denn sie impliziert, das Politiker unanständig sind, aber da die WfH Teil des politischen Betriebs ist, klagt sie sich letztlich selber an." Die Studentin "findet den Text zumindest lesefreundlich, das Bild jedoch ziehe die Aufmerksamkeit keineswegs auf sich. 'Ein Allerweltsmotiv ohne Spannung, ohne besondere Aussagekraft', meint sie."

ad 7. Da mit am kürzesten geraten, sei der zu den Plakaten der Piratenpartei verfasste Bewertungstext hier zur Gänze wiedergegeben: "Die Piratenpartei hat offfenbar gleich drei Plakatkampagnen gestartet, meinen Christina Eike und Andreas Stein. Eine für Filmfans, wie das Foto oben zeigt, eine für Computerfreaks, auf dem der Slogan 'Politik 2.0' zu lesen ist, und eine für Familien, auf dem ein Kind zu sehen ist, das mit Kreide eine Schultafel bemalt. Darunter der Spruch: 'Der falsche Ort zum Sparen'. Nur dieses Motiv findet die Zustimmung der Profis. 'Das Bild mit dem Segelschiff wird nicht als Wahlwerbung identifiziert und ist deshalb denkbar ungeeignet', sagt Designstudentin Eike."

PS: Das nachfolgend ganz groß ins Bild kommende Kreuzfahrtschiff sollte vielleicht einmal von den Angehörigen der an letzter Stelle genannten Partei geentert werden. Die könnten dort dann vielleicht für etwas Unruhe unter den Fahrgästen sorgen, indem sie für eine Welt trommeln, in der sich nicht ein Großteil der Menschheit vor Hunger krümmen muss, während ein paar gelangweilte und von daher extrem eventbegierige Zeitgenossen nichts Besseres zu tun wissen, als irre Summen dafür auszugeben, dass sie in ganz gehobenem Ambiente quasi pausenlos dinieren können.

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