Samstag, 3. März 2012

1616 Ein Paradox: Einerseits haben Religion und Kirche immer wieder enormen Schaden angerichtet - ohne sie aber gäbe es kein Reden von Gott.

AS: "Der Gipfel der Erkenntnis ist so fern nicht mehr - um das Wesentliche im Leben weiß man wenigstens so ungefähr": so lautete der ursprünglich für diesen Eintrag gewählte Titel. Da sich aber im Laufe von dessen Erstellung zunehmend herauskristallisierte, dass das Versagen von Kirche und Religion den Schwerpunkt der Betrachtung bildet, wurde er neu formuliert.



In der Aufforderung, die soeben erst seitens des Betreibers einer Muckibude an den Blogger ergangen ist, steckt der Kern dessen, was es hier zu erörtern gilt: Das Nicht-beschneiden-Lassen der eigenen Intelligenz, das Hinfinden zu dem eigenen Selbst***. Wodurch das Individuum recht eigentlich erst in den Stand gesetzt wird, sich innerlich frei zu machen von sämtlichen Vorgaben, welche Kirchenleute, Politiker und Wirtschaftsakteure zu machen pflegen, um möglichst ungestört ihren Interessen nachgehen zu können, dabei möglichst viel Saft aus allem pressend, was das Zeug hat, ihren Einfluss und ihre Bezüge zu mehren.
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Just zu dem Zeitpunkt, da der Schreiber dieser Zeilen sich anschickt, in wie immer extemporierender Manier seine Gedanken zu dem selbstgestellten Thema zu entwickeln, schlägt ihm Google, assoziiert mit blogspot.com, vor, Anzeigen in seinem elektronischen Bordbuch zu schalten. Um so zu Geld zu kommen. Die Leutchen in den USA können natürlich nicht wissen, dass sie mit dieser Idee bei dem Blogger nicht landen können. Der ja, wie aus dem Umfeld dieses Eintrags relativ leicht wahrnehmbar sein dürfte, mit dem Kommerz und dem ganzen seinetwegen veranstalteten Tamtam überhaupt nichts im Sinn hat. Der vielmehr jede Gelegenheit wahrnimmt, die sich ihm dahingehend bietet, insbesondere das Treiben der Werbefuzzis zu ridikülisieren. Die sich halt auch einen solchen Unsinn wie den mit dem Frühlingstrends 2012 einfallen lassen und sich nicht entblöden, die Losung "ONLY PINK" auszugeben - oder den Frühling mit solch verkorksten Bildmotiven einzuläuten, wie dies hier folgend festgehaltene:

1526 "Gerade einen wichtigen Menschen wieder getroffen. Mich selbst": Eine Werbebotschaft ......

 
Mit dem Ausgeben von Losungen aber ist das angesprochen, was wohl den Kernpunkt in den hier folgend anzustellenden Überlegungen bilden wird: Die Unfähigkeit allzu vieler Individuen, sich freizumachen von den Vorgaben, die von immer nur auf die Wahrung des eigenen Vorteils und des eigenen Ansehens bedachten Zeitgenossen und Institutionen in die Welt gesetzt werden. Leider ist es so, dass die Menschen immer wieder dem zu folgen geneigt sind, der am lautesten die Werbetrommel rührt oder mit seiner Erscheinung irgendwie beeindrucken kann. Man braucht da gar nicht mal an den GröFaZ zu denken, wenn man sich jemanden vor Augen holen will, der diesem Bild entspricht - es reicht schon ein relativ harmloser Geselle wie der, der aus Guttenberg kam und von Seehofer so aufgebaut wurde: "DER GRÖSSTE".



Im Nachhinein besehen will das Scheitern solcher von den Netzwerken der Mächtigen zu Idealfiguren aufgebauten Typen irgendwie selbstverständlich und die eigene Gefolgstreue unfassbar erscheinen, haften denen doch Züge an, die sich eigentlich nur als lächerlich begreifen lassen. Deren ungeachtet sind so gut wie alle Zeitgenossen nur zu bereit sind, über die entsprechenden Defizite hinwegzusehen, weil sich sich von dem zum Leithammel Auserkorenen Vorteile für die eigene Person erhoffen. Mit anderen Worten: Die Crux an dem, was so auf allen Ebenen des Gemeinschaftslebens abzugehen pflegt, ist, dass die Individuen Schwierigkeiten damit haben, sich ein Urteil über Personen und Sachlagen zu bilden, welches auf einem höheren Maß an Selbständigkeit basiert und unabhängig ist von der ganz persönlichen Interessenlage.

Ein solches Urteil hat sich beispielsweise Jim Harrison, amerikanischer Autor der "Legenden der Leidenschaft" gebildet, der in der FAS 08/12 von dem Franzosen Olivier Guez zitiert wird wie folgt: " 'Die Gier ist zum wichtigsten amerikanischen Wert geworden. Geldgier und auch Aggressivität. Ich spüre heute eine unglaubliche Feindseligkeit, wie es sie in diesem Land noch nie gegeben hat. Alle misstrauen allen, und Amerika ist unregierbar geworden. Zugleich verachten die meisten ihre Arbeit und führen ein Leben ohne Substanz'." Welches sich - dies eine Ergänzung durch den Blogger - so gut wie ausschließlich von den am Markt zu erzielenden Prozenten bestimmen lässt.

In dem entsprechenden, eine ganze Seite umfassenden Artikel lässt sich Guez über die desolate mentale Verfassung aus, in der sich die US-Bürger befinden. Die dazu geführt hat, dass der amerikanische Traum des IMMER WEITER und IMMER MEHR ausgeträumt ist. An dieser im Grunde bedauernswerten Lage tragen die Pfingstkirchen nach Auffassung des Bloggers eine gehörige Portion Mitschuld, weil sie sich fast ausschließlich darauf verlegt haben, Klamauk zu machen anstatt spirituelle Gehalte zu liefern.

Ein so geprägtes Leben ohne eigentliche Substanz führen auch die von dem Journalisten Frank Schirrmacher in derselben Ausgabe der FAS beschriebenen Babyboomer, also die Generation der zwischen 1955 und 1970 geborenen Bundesbürger, die seiner Darstellung zufolge "die meinungsbildende Mehrheit in Deutschland bildet". Er sagt zu ihr: "Aufgrund ihrer puren Masse haben die Babyboomer durch ihr bloßes Wollen, Wünschen und Empfinden die Märkte verändert. Ihre Skepsis gegenüber Ideologien war wohltuend, aber nur, solange man nicht bemerkte, dass dahinter die Abwesenheit von Ideen überhaupt stand. Ihr Fehler war zu glauben, dass Märkte auch schon Ideen sind. Ideen setzen sich nicht durch wie Starbucks-Kaffee oder Popkultur. Anders gesagt: Es war die Kauf-, nicht die Überzeugungskraft der Babyboomer, die das Antlitz der Gesellschaft veränderte. Sie musste für ihr Lebensgefühl, ihre Musik, ihre Mode, ihre Sprache nicht kämpfen - im Gegenteil: Es waren Antriebsaggregate für Märkte, die ganz schnell die ganze Gesellschaft erfassten. Die Autorität der Eltern und Lehrer der frühen Siebziger, die vielleicht Fetzenjeans verbieten wollen, weicht nicht so sehr auf, wie die Läden der globalen Modekette um die Ecke." In dieser Situation ist insbesondere auch die Autorität der Kirche so gut wie völlig inexistent, weil sie es nicht fertigbringt, auch nur ein Tönchen gegen die Dominanz der Märkte von sich zu geben.

1533 Aus dem Schatzkästlein der Erfahrungen mit der Stille: Wegweisung von den Weisen dieser Erde.

Ein demgegenüber durch nichts zu toppendes Maß an Selbständigkeit resultiert nach den Erfahrungen des Bloggers daraus, dass man sich der Sphäre der Stille zuwendet, die als Urquell allen Seins anzusehen ist. Aus dem mittlerweile recht umfänglichen Angebot an spirituell unterfütterten und relativ leicht in Beziehung zu dem eingangs Thematisierten zu bringenden Materialien hat der Blogger hier eine Auswahl getroffen. Wobei in ihnen sehr viel von dem zum Tragen kommt, was auch an dieser Stelle wieder aufs Tapet kommen soll.


1569 Weiter geht's mit der MOREQUALITIESINLIFE/1: Zum Scheitern des Versuchs, Kreuzfahrtschiffe als Fluchtvehikel aus der täglichen Misere zu benutzen

1597 "Meditation - Gesunde Reise zu sich selbst"...."ICH BIN dann mal weg!": Gedanken zu der "Leichtigkeit des Seins".

Die Reise zu sich selbst: von kaum jemandem sonst wird sie so sehr unterbunden wie von den Kirchen - welche auch immer man hier nehmen mag. In diesem Zusammenhang verdient zunächst das zitiert zu werden, was der Journalist Cord Riechelmann zu dem Buch "Macchiavelli oder die Kunst der Macht" ausführt - auch wieder in der bereits mehrfach erwähnten FAS-Ausgabe. Er schreibt dort: " Für den Philosophen und Mittelalterspezialisten Kurt Flasch wird Machiavelli deshalb zu dem Denker, der die Desillusionierung aussprach, die nahelag, wenn man sah, wie korrupt das Papsttum war, wie Italien durch die Schuld der Kirche zum Schlachtfeld der aufstrebenden Nationalstaaten wurde und wie die Idee der Stadtfreiheit durch innere Korruption obsolet geworden war. Theologie und Philosophie wurden Machiavelli in dieser geschichtlichen Konstellation zur reinen Ideologie. Beide fabrizierten nichts anderes als eine Apologie der bestehenden Mächte und scherten sich nicht um die tatsächlichen Übel der Zeit."
Um die Übel der Zeit hat sich speziell die katholische Kirche nie geschert. Da mag man nehmen was man will: die gegenwärtig zu verzeichnende Zunahme des Kinderalkoholismus - man könnte ja den Umsatz der Schnapsbrennereien durch ein zu offenes Wort beeinträchtigen!; das Stillhalten der Kirchenobrigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus - wobei Stillhalten noch sehr schmeichelhaft ist -, das völlige Versagen bei der Wahrnehmung der sexistischen Gewalt, die von ihren Priestern an Kindern ausgeübt worden ist sowie die völlig unzureichende Aufklärung und Ahndung dieser Vorkommnisse; die Ausschreitungen des Kirchenapparates gegen die Frauen, die sich beispielsweise um die Gesundheit ihrer Mitbürger verdient gemacht hatten und die man tückischerweise als Hexen brandmarkte, um sie unter weniger Widerstand auf die Scheiterhaufen schicken zu können; das Schweigen zu der Vereinnahmung des Menschen durch die Märkte insbesondere in der Gegenwart - oder was auch immer: stets ist es Papst & Co(nsorten) nur darum gegangen, die eigene Position möglichst unantastbar zu gestalten resp. das Image der Kirche in der Öffentlichkeit aufzupolieren.
Sein Image aufpolieren wollte wohl auch der von den Kirchen zum "Völkerapostel" ausgerufene Paulus, damit in den Augen des Bloggers deren gerade in diesem Punkt besonders unseliger Tradition einen Anfang setzend. Aus einem Antrieb heraus, den man als Großmannssucht bezeichnen könnte, hielt der es nämlich für angebracht, seinen Zeitgenossen etwas von einem mächtigen, sicht- und hörbar werdenden Eingreifen Gottes in sein Leben vorzufabulieren, woraufhin die natürlich, ungemein beeindruckt, die Hände an die Hosennaht nahmen und salutierten. Das dabei zum Tragen kommende Prinzip: Jemand versteht sich darauf, Eindruck zu schinden und seine Umwelt zu beeindrucken - und schon ist man bereit, ihm zu glauben. Aus seinen Erfahrungen mit und in der Meditation heraus glaubt der diese Geschichte so Interpretierende sagen zu dürfen, dass der Weg Gottes, sich den Menschen mitzuteilen, ein ganz anderer ist - unauffällig, leise, zurückhaltend, das Individuum durch immer wieder andere Fügungen allmählich gewahr werden lassend, dass es ganz sacht begleitet und geführt wird.
Zu dieser Sicht der Dinge beigetragen hat nicht zuletzt der in Sachen Bildung und Aufklärung sehr rührige Kabarettist Jürgen Becker. Dessen diesbezüglichen Auslassungen können in dem folgenden Post 1617 eingesehen werden:

1617 Jürgen Becker, ein Mann mit viel Durchblick, vermittelt den Hannoveranern einen Einblick in das Zusammenspiel von Kirche, Kunst und Kultur.
Die Aufklärung, der es hauptsächlich darum ging, die Menschen aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit herauszuführen - sie hat bei Weitem nicht die Früchte getragen, die ihr allgemein zugeschrieben werden. Die Menschen sind nach wie vor geneigt, irgendwelchen als Größen daherkommenden Protagonisten irgendeiner Bewegung Vertrauen zu schenken, ihnen damit geradezu lemminghaft in die unmöglichsten Situationen hinein folgend, jede vernünftige Überlegung dabei hintanstellend. Ein vernünftige Überlegung wäre es beispielsweise, sich zu sagen, dass ein Staatswesen auf Dauer nicht funktionieren kann, wenn ein Bevölkerungsanteil von gerade einmal 14 Prozent ausschließlich über den Gang der Dinge in ihm zu befinden hat.
Eben diese Situation besteht aber in dem mehr und mehr ins Chaos stürzenden Syrien. Dessen unter Einsatz mörderischster Gewalt an die Macht sich klammernder Präsident einer kurzen Fernsehmitteilung zufolge, dem religiösen Segment der Alumiten zugehörig, mit seinen "Glaubensbrüdern" Krieg gegen die 86 Prozent der Sunniten führt, die in seinem Land ansässig sind. Mithin: Die Religion auch an diesem Punkt wieder einmal verkommen zu einem Vehikel, welches Herrschaft begründet und aufrechterhält. Wobei natürlich alles andere deren Charakter prägt - nur nicht ein irgendwie als positiv wahrzunehmender Gottesbezug.
Lässt man so bei sich das Revue passieren, was aus dem Lauf der Geschichte wie auch aus dem der Ereignisse in der Gegenwart registrierbar ist, dann lässt sich mit guten Gründen sagen, dass das Verhaftetsein an einer bestimmten religiösen Schule un die daraus sich ableitende Überzeugung, auf diesem Sektor das NON PLUS ULTRA anzubieten zu haben, mehr Schaden denn Nutzen gestiftet hat. Mit anderen Worten: Das schlichte Dafürhalten, dass der eigene Gott, den man allen, die sich anderweitig orientieren, überlegen ist, führt im Endeffekt dazu, dass es zu Streitereien ohne Ende kommt.
Andererseits muss festgehalten werden - und damit kommt der Blogger abschließend zu dem zweiten in dem von ihm gewählten Titel angesprochenen Aspekt: Gäbe es die Institution Kirche nicht, die die ja auch vorhandenen religiösen Elemente weitertransportiert: niemand von den Neugeborenen käme von sich aus darauf, dass es so etwas wie einen Gott geben kann. Und damit fehlte der Gesellschaft ein für ein besseres Funktionieren ihrer Kultur ganz wichtiger Stützpfeiler.
***Dieser Aspekt findet sich aufgegriffen in ebenfalls der Ausgabe 08/12 der FAS, und zwar in der Schilderung der Tournee, die der designierte Bundespräsident mit Lesungen aus dem von ihm verfassten Buch "Winter im Sommer - Frühling im Herbst" gibt. Unter der Überschrift "Vater Gauck" heißt es dazu: "Immer wieder blickt Gauck auf und schaut in den Saal, und dann erklärt er, ordnet ein, schweift ab, halb ist er ein Prediger, halb ein Lehrer, ohne jede Schüchternheit, ohne jeden Selbszweifel. Er sagt, er habe durch das Buch noch einmal eine Veränderung erfahren, hin zu sich selbst.".




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