Sonntag, 19. Juni 2011

1210 "Das Ideenland Deutschland braucht die kreativen Köpfe" - aber: "Es lohnt sich nicht, fleißig und gebildet zu sein". Ein FAS-Top-Journalist.....


..... zieht, gemeinsam mit der Autorin des Buches "Echtleben", Katja Kullmann, eine ernüchternde Bilanz der beruflichen Situation, in der sich die eigentlich kreativsten unter den intellektuellen Köpfen hierzulande befinden. Gegen Ende des Artikels konstatiert er dabei: "Überhaupt ist es ein die 'Alles wird gut'-Rhetorik der Merkeljahre widerlegendes Buch, das die individuellen Kosten eines politischen Schwindels vorrechnet. Bildung, Kreativität, Mobilität, Fleiß - all die in den Reden so gelobten spätkapitalistischen Individualtugenden, sie rechnen sich am Monatsende nicht. Wer nicht so lange zur Schule geht, in der Heimatprovinz bleibt und einen naheliegenden Beruf ergreift, steht bald unendlich besser da als der, der die Rede vom Glanz des digitalen Nomadenlebens vernommen hat ... Der Realschulabschluss lohnt sich nämlich mitunter mehr als Abitur und Hochschulabschluss. In den Klassenzimmern wird das aber nicht verraten."

Nein, über so etwas - und sehr, sehr viel anderes mehr - wird Stillschweigen bewahrt. Weil die Großkopfeten, die gerade auch hierzulande das Sagen haben, auch hier wieder nur schönfärberische Propaganda in Auftrag geben und inszenieren lassen, in deren Windschatten es sich bestens aushalten lässt. Jedenfalls für sie - sie, die sich keinerlei Gedanken darüber zu machen brauchen, ob sie nun noch dem Mittelstand angehören oder doch nicht mehr. Auf im Schriftbild gleicher Höhe mit der zitierten, aber zu Anfang findenden Textpassage zeichnet Nils Minkmar, einer der von dem Blogger am meisten geschätzten Autoren, die für die FAS schreiben, ein Bild von der sozialen Situation, in der sich die Autorin Kullmann befindet:

"Die soziale Ökonomie einer freien Journalistin und Schriftstellerin, die die Autorin mit poetischer Genauigkeit schildert, ist dabei symptomatisch für die Sorgen einer ganzen gesellschaftlichen Schicht und einer Altersgruppe. In den New-Economy-Jahren sah es so aus, als würden kreative Berufe mitg aller theoretischen Wertschätzung auch eine nie zuvor gekannte Leichtigkeit des Lebensstils ermöglichen können. Doch nach mehreren Wirtschaftskrisen gestalten sich Arbeitsmarkt, Preisentwicklung und Reichtumsverteilung so ungünstig, wie man es nie für möglich gehalten hätte [dass er bei dieser Verallgemeinerung den Blogger übersieht, der in seinem elektronischen Notizbuch in genau dieser Richtung liegende Statements geliefert hat, muss dem guten Nils Minkmar nachgesehen werden]. Obwohl sie alles richtig gemacht haben - gut in der Schule, fleißig im Beruf, fix im Kopf -, haben die Medienarbeiter kaum Sicherheiten, geringe Rücklagen und oft genug Mühe, über den Monat zu kommen. Die Bildungsrepublik Deutschland, in der die Städte angeblich um die kreativen Köpfe buhlen, zahlt einfach zu schlecht."

Im Weiteren zitiert er die gelernte Soziologin, vorausschickend, sie verstünde es, die Fülle der Einzelgeschichten auf einen sozioökonomischen Nenner zu bringen: " 'Man muss heute etwa dreißig Prozent mehr arbeiten, um etwa dasselbe herauszubekommen wie vor einem Jahrzehnt ... So viele Redakteure sind inzwischen in die 'Not-Selbständigkeit' gestolpert, dass es verflucht eng geworden ist auf dem sogenannten freien Markt."

Minkmar ergänzt diese Aussage der Autorin dahingehend, dass laut einer Nachricht von der vergangenen Woche - also der vor dem 19. Juno liegenden - zu Beginn dieses Jahres 118 000 Selbständige Hartz IV bezogen haben. Und dies mit steigender Tendenz. Und er kommt darauf zu sprechen, dass die in den Bewilligungsinstanzen Beschäftigten sich regelrecht an der Misere der ihnen gnadenlos Ausgelieferten weiden: "In 'Echtleben' wird anschaulich, auch humorvoll, beschrieben, wie sich der Gang zum Amt gestaltet und welche Demütigungen damit verbunden sind. Vor allem aber erfährt man, welche Mühen es kostet, die soziale Fassade zu wahren."

Diesen Menschen hilft das "Henkelsche Tüchtigkeitstheorem" absolut nicht weiter. Welches besagt, dass jeder, der etwas kann und will, auch zu etwas kommt. Man mag hier zwar "einwenden, dass der Status des freien Journalisten oder des Schriftstellers immer prekär war, wie das cleane Wort für potentiell eintretende Armut lautet, dass also die Unsicherheit die Kehrseite der Freiheit des Schreibers ist." Aber in einer solch extremen Form hat es die "permanente Vorläufigkeit" zuvor nie gegeben. Minkmar bemerkt dazu, dass Dreißigjährige, die in einer deutschen Großstadt debütieren und neben Hochschulstudium auch Berufserfahrung vorzuweisen haben, insbesondere dann, wenn sie in einer Großstadt wie München debütieren, oft noch auf die materielle Hilfe ihrer Eltern angewiesen sind.

Minkmar konstatiert gemeinsam mit der Autorin des von ihm vorgestellten Buches, dass "große gesellschaftliche und schlicht politische Verschiebungen diese ungünstigen individuellen Bedingungen geschaffen haben", aus denen "Arbeit an sich, Disziplinierung und Einfallsreichtum" so gut wie keinen Kreativen aus der Misere hinausführen. Näher besehen, stellen sich diese Bedingungen dar wie folgt: "Dabei sind die Ausrichtung der Wirtschaft auf den Export und die Niedrighaltung der Löhne, die Vernachlässigung der Binnenkonjunktur reine politische Entscheidungen, die sich bis in die Personalabteilungen der Medienkonzerne auswirken."

Konkret stellt sich die Lebenssituation für die von der fraglichen Politk Betroffenen so dar: "Plötzlich sind auch die eigenen symbolischen Urteile so wertlos wie die angebotene Arbeit. Was eben noch angesagt und Ausdruck von Freiheit schien - als Single in einer Berliner Altbauwohnung vor sich hin zu schreiben -, kippt zum Bild einer Existenz ohne Sicherungen, den Launen der hereinwehenden Rechnungen ausgeliefert."

Eben eine solche Lebenssituation ist es aber, die von den Großkopfeten besonders hierzulande gewünscht und auf allerlei tückische Art auch herbeigeführt wird. Beginnend mit dem ganzen irren Bildungswesen, welches im Grunde eigentlich nur zu einem erzieht, nämlich der Lebensuntüchtigkeit, über die pausenlose Berieselung der Bevölkerung mit irgendwelchem Werbequatsch - bei dem sich bei dem etwas vernünftiger an die Dinge herangehenden Bürger sich regelrecht die Haare sträuben -, und über die die Verhältnisse in der Welt eher verschleiernden denn sie mit all ihrem Widersinn darstellenden Nachrichten bis hin zu wer weiß Gott noch was: Das. was zählt und sich auszahlt, ist einzig und allein das, was sich in den Augen dieser Großkopfeten als Unterstützung für sie darstellt. Und da kann es nicht ausbleiben und liegt recht deutlich auf der Hand, dass kreative und zwangsläufig auch kritische eingestellte Geister nicht erwünscht sind. Die ganz einfach mit prekären Lebensbedingungen abgestraft und so an der ganz, ganz kurzen Leine gehalten werden. Scheißapparat! Aus dem so gut wie nichts herauskommt, das es verdiente, gewürdigt zu werden.

Generelles PS: Werte/r geneigte/r Leser/in: Sofern Ihnen Form und Inhalt dieses Eintrags zusagen, sollte dessen Weitergabe oder aber gleich des Blogs via Link*** an Ihren Freundes- und Bekanntenkreis eigentlich nichts im Wege stehen. Für den Fall, dass Sie auch über die Adressen offiziöser Stellen verfügen: Geben Sie das Material ruhig auch an die weiter. Damit vielleicht der/die eine oder andere der dort Tätigen sich besinnt und nicht mehr mitmacht bei dem hierzulande weiter und weiter veranstalteten Wahnsinnstreiben. So, dass die von Politikern gepflegte, nur dem Eigeninteresse verpflichtete Verfälschung der Wirklichkeit denn doch einmal ein Ende findet und die Demokratie eine Chance bekommt, mehr zu sein als bisher - eine nur nützliche Fiktion."

  • ***Wie ein Link zu übernehmen ist, findet sich in Post 999 dargestellt, und zwar unter PS2
  • HINWEIS: Nach Einführung der neuesten Firefox-Version scheint der folgende Vermerk für die meisten Webnutzer gegenstandslos geworden zu sein:
    Wer mit dem Browser Firefox auf diese Seite stößt, ist besser beraten, den Internet Explorer, Safari von Apple oder GOOGLE Chrome zu verwenden.
    Denn: So praktikabel ersterer bei der Erstellung der Posts ist - er unterschlägt jetzt nicht nur, wie zu Anfang, eine ganze Reihe von Bild- und Textmaterialien, sondern mit einem Mal gleich alle. Aus mir unerfindlichen Gründen.


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