Dienstag, 28. September 2010

881 Auch die CDU tut sich schwer mit ihrem Profil. Oder: Wie Hartz IV., der Herrscher über die Entrechteten, wohl auch ihr das Regiment vermiesen wird






Direkt neben dem vorstehend erscheinenden Cartoon bringt die heutige HAZ in einem sog.
"Berliner Profil" einen Beitrag, der überschrieben ist mit "Die Suche der Konservativen nach
dem C". In ihm findet sich die Haltung speziell des Fraktionschefs von CDU/CSU dargelegt,
der sich bemüht, das für seine Partei Spezifische so herauszuarbeiten, dass - in
hochstilisierender Manier von Bischof Zollitsch so umrissen, daraus für sie ein
"Alleinstellungsmerkmal" erwächst. Bei welchem es für ausreichend erachtet wird, wenn
der äußere Anschein gewahrt wird: Was inhaltlich bei der so betriebenen Politik
herauskommt, steht dann, wie auch gerade bei der SPD, auf einem ganz anderen Blatt.

Mit den aus solcher Vorgabe sich ergebenden Fragen und Aufgabenstellungen hat sich
gestern die Fraktionsgemeinschaft befasst, dabei unter anderem konstatierend: " 'Für uns
.... heißt Ehe die Verbindung von Mann und Frau.... das einzige Modell, das Zukunft hat,
ist nun mal die Verbindung von Mann und Frau - sie schafft Kinder'." Unter diesem
Aspekt muss natürlich auch konsequent der Schwangerschaftsabbruch abgelehnt werden.
Soweit gut und schön - aber: argumentiert wird gegen die Schwulenehe einzig und allein
unter dem Aspekt, wie viele Stimmen damit eingefangen werden können - dabei ebenfalls
auf das Wohlfeile der ganzen Angelegenheit setzend.

Nicht in Ordnung ist für mich die "Energierevolution" - wieder diese dämliche
Begriffshuberei, mit der die unschönen Seiten einer Regierungsentscheidung und -maßnahme
aus dem Blick geraten sollen! -, die bedenkenlos eben Kinder und Kindeskinder in endloser
Zahl einem dann ja nicht mehr von deren Betreibern zu verantwortendem Risiko aussetzt: die
sind dann, wenn's brennt, sprich katastrophale Zustände wie etwa jetzt bei der Asse eintreten,
nicht mehr zu belangen. Entweder, weil sie in aller Gemütsruhe ihre hohen Pensionen
verzehren - oder aber, weil sie ins Gras gebissen haben.

Ins Gras beißen sollen jetzt auch die Empfänger von Mitteln aus dem Topf von Hartz IV,
dann nämlich, wenn das, was ihnen für ihre Ernährung zugestanden wird, nicht ausreicht.
Die 3 Euro, die einem Jugendlichen als Betrag für seinen Tagesbedarf zugebilligt werden,
müssen von jedem, der mit wenigstens etwas Sinn für die Belange seiner Mitmenschen
ausgestattet ist, ja als viel zu niedrig angesetzt eingestuft werden. Hierzu die Antwort von
Ulrich Steiner, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes auf die im
Gespräch mit einem HAZ-Reporter gestellte Frage - so veröffentlicht in der Ausgabe
225/10: "Hartz IV soll das Existenzminimum sichern. Und die bisherigen Sätze
für Kinder waren anscheinend sogar zu hoch. " Statt zu schauen, was Kinder
wirklich brauchen, versteckt sich die Regierung hinter der Statistik. Hartz IV hat noch nie
das Existenzminimum gesichert, weil von Anfang an bei den Regelsätzen übel getrickst
wurde. Wir werden untersuchen, mit welchen statistischen Finessen man diesmal versucht,
das Urteil des Verfassungsgerichts zu unterlaufen."

Hier wie bei bei den allermeisten Belangen, die nicht so wohlfeil sind wie
die Mobilmachung etwa gegen den Schwangerschaftsabbruch, aber gerade auch das
Gedeihen des Menschen betreffen, zeigt diese nur auf den Anschein bedachte und um
ihn besonders bemühte Partei doch ihr wahres Gesicht. Indem sie das, was mit seiner
Würde zu tun hat, einfach zur Nebensache erklärt - wenn auch natürlich nicht explizit.
Selbstverständlich wird sie alle Hebel in Bewegung setzen, um dergleichen nicht in
das Bewusstsein der Öffentlichkeit dringen zu lassen - dabei nach Kräften die
Wirklichkeit schönend und die Misstöne in der Gesellschaft mit Wortgeklingel
übertönend.


Kurz gesagt: Die CDU hängt sich das Mäntelchen der Christlichkeit um, hat aber,
auch nur etwas genauer besehen, nichts anderes im Sinn, als die eh schon Satten
zu alimentieren - und die Minderbemittelten etwa mit trickreichen Berechnungen, wie
sie aktuell zu dem Bedarf von Hartz IV-Empfängern angestellt wurden, so schlecht zu
stellen, dass sie, durch Not und Angst willfährig geworden, den Bossen und deren
Adjutanz als Verfügungsmasse dienen können.

Das vorstehend angesprochene Wortgeklingel am Abend sehr schön in der Sendung
"Menschen bei Maischberger" auch aus dem Munde von Herrn Lindner zu vernehmen.
Der sich ja als FDP-Abgeordneter unweit der CDU positioniert hat und mit ihr nach
Kräften dafür einsetzt, dass es hierzulande den Wohlhabenden, den "Leistungsträgern",
richtig gut geht - vgl. dazu den eingangs gebrachten Cartoon -, und dass die, die ganz
Rande der Wahrnehmung und Wertschätzung durch die Gesellschaften angekommen
sind und denen nicht einmal mehr das Existenzminimum zur Verfügung steht,
nichts mehr zu nagen und zu beißen haben. Was den Effekt hat, dass sie in jedes
eigentlich gar nicht mehr zumutbare Arbeitsverhältnis gepresst werden können:
Deutschland ist in Europa das Land, in der Niedriglohnsektor am meisten ausgebaut
worden ist. Und: Deutschland ist das einzige Land, in welchem die Profiteure des
Systems es zu verhindern wissen, dass es zu einem Mindestlohn kommt. Weil der
ja die Menschen in ihren Entscheidungen freier machen könnte.Fernsehen zum Anklicken

SENDUNG VOM DIENSTAG, 28. SEPTEMBER 2010, 22.45 UHR

"Die Hartz-IV-Wutwelle: Werden die Armen verhöhnt?"

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Martin Lindner (Bild: WDR/Max Kohr) Martin Lindner (FDP, Bundestagsabgeordneter)
Der FDP-Bundestagsabgeordnete verteidigt die geringe Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze. Der Anreiz, sich einen Job zu suchen, müsse erhalten bleiben. Martin Lindner warnt davor, dass es durch höhere Leistungen "attraktiv wird, übers Kinderkriegen Geld zu verdienen". Daher plädiert der FDP-Politiker für Sachleistungen.
Sahra Wagenknecht (Bild: WDR/Max Kohr) Sahra Wagenknecht (Die Linke, stellv. Parteivorsitzende)
Ihre Partei hält "soziale
Unruhen" als Folge der Hartz-IV-Entscheidung der schwarz-gelben Koalition für möglich. "Jeder mit Herz und Vernunft muss es für unerträglich halten, wie Kinder von Hartz-IV-Familien hierzulande aufwachsen müssen, während andere gleichzeitig in solchem Luxus leben", sagt die stellvertretende Parteivorsitzende der Linken. Schon jetzt bedeute Hartz IV für die Betroffenen Demütigung, Maßregulierung und Entwürdigung.
Christian Rach (Bild: dpa) Christian Rach (Sternekoch)
In seiner neuen RTL-Sendung "Rachs Restaurantschule", die an die Erfolge von "Rach, der Restauranttester" anknüpft, wird der Hamburger Sternekoch zum Ausbilder für zwölf schwer vermittelbare Arbeitslose. Gemeinsam mit seinen Kandidaten renoviert Christian Rach sein neues Lokal: "Ich biete Hartz-IV-Empfängern eine echte Job-Perspektive. Es wird hart gearbeitet, damit wir auch danach Erfolg haben."
Silvia Schwab (Bild: SWR/Report Mainz) Silvia Schwab (Hartz-IV-Empfängerin)
"Fünf Euro mehr für Hartz-IV-Empfänger sind lächerlich", sagt die alleinerziehende Mutter von vier Töchtern, die seit ihrer Scheidung vergeblich einen regelmäßigen Job sucht. Der Alltag ist von den oft erniedrigenden Forderungen des Arbeitsamts und dem Kampf bestimmt, ihr Leben finanzieren zu können. Silvia Schwab und ihre Töchter sind auf Lebensmittelspenden von der Tafel angewiesen. Von der Politik verspricht sie sich schon lange keine Hilfe mehr.
Arnulf Baring (Bild: WDR/Max Kohr) Arnulf Baring (Historiker)
"Viele 18-Jährige nehmen wie selbstverständlich die Staatsrente Hartz IV an. Denen müssen wir klarmachen: Der Wohlfahrtsstaat ist leider nicht bezahlbar", sagt der Historiker und Publizist, der weitere Erhöhungen der Hartz-IV-Sätze kritisiert. "Außerdem sollte jeder Hartz-IV-Empfänger in Gegenleistung treten und für das Allgemeinwohl etwas tun", fordert Arnulf Baring.
Ûlrike Mascher (Bild: dpa) Ulrike Mascher (VdK-Präsidentin)
Die Chefin des größten deutschen Sozialverbandes VdK prangert die "zu niedrigen Hartz-IV-Regelsätze an, die die Kluft zwischen Arm und Reich weiter wachsen lassen". Mit der spärlichen Erhöhung von fünf Euro werde das Armutsproblem in Deutschland weiter dadurch verschärft, betont Mascher, die einen monatlichen Regelsatz von 420 Euro fordert. Ab dem 1. Oktober hat der VDK bundesweit zur großen Protestaktion "Stoppt den Sozialabbau" aufgerufen.

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