Mittwoch, 7. Oktober 2009

400 Die Verrohung der Gesellschaft als systembedingtes und systematisch gezüchtetes Phänomen/1.

Unter der nebenstehenden Unterschrift findet sich in der jüngsten FAS ein Artikel, der sich mit der Zunahme von Gewaltexzessen im öffentlichen Raum befasst. Die Macher dieser Zeitschrift haben gut daran getan, dieses Problem nicht in dem Zeitungsteil GESELLSCHAFT darzustellen, sondern in dem Teil POLITIK.

Denn das, worum es hier geht resp. gehen soll, ist zuvörderst eine Angelegenheit der Politik. Oder richtiger: müsste es sein. Denn: Substantiell an der Situation etwas zu verändern - bei der, wie der nebenstehende Artikel erhellt, auch das weibliche Geschlecht involviert ist -, wird peinlichst vermieden. Weil sich's trefflich regieren lässt, wenn einfach ein gewisses Maß an Angst in der Öffentlichkeit präsent ist. Die perfide Devise oder das Verfahrensprinzip dabei: Je mehr Angst, desto willfähriger die Menschen - resp. die Hominiden. Letztere Bezeichnung, weil wir uns, irregeleitet auch durch Institutionen wie die Kirchen, eigentlich erst auf dem Weg zu einem wahren Menschsein befinden. Menschlichkeit will gelernt sein - die Verhältnisse sind aber so, dass sie viel zu vielen regelrecht ausgetrieben wird.

Eine solche Angst wird laufend geschürt etwas durch Nachrichten über irgendwelche ja möglichen Terrorattacken - wobei die eigentlich nur von der wahren Problematik ablenken sollen, die sich zunehmend für den öffentlichen Raum ergibt. Dazu auch mein Post "Im memoriam Dominik Brunner..."


376 In Memoriam Dominik Brunner. Oder: Was sich auch gegen das hirnrissige Statement sagen lässt, unsere Sicherheit werde am Hindukusch verteidigt.


Von den 21 Fällen von Gewaltausübung, die sich in der bezeichneten FAS-Ausgabe dargestellt finden, sei hier drei wiedergegeben - ein etwas harmloserer und zwei mit einem hohen Maß an krimineller Energie: " 10. März: Frankfurt, 15.25 Uhr Fünf Jugendliche randalieren in einer U-Bahn-Station. Sie blockieren die Gleise und zerstören Glasscheiben. Einer pinkelt in einen U-Bahn-Wagen. "12. Juni: Hamburg, 21 Uhr Zwei Jugendliche, 16 und 17 Jahre alt, fordern am Bahnhof Hamburg-Harburg von dem 44 Jahre alten Dachdecker Thomas M. 20 Cent. Als Thomas M. sich weigert, schlagen die Jugendlichen ihn, bis er am Boden liegt. Sie treten ihm immer wieder auf den Kopf. Thomas M. stirbt drei Wochen später." "27. September: Böblingen, 050. Uhr Eine Gruppe Männer pöbelt in einer S-Bahn ein Ehepaar an. Nach Verlassen der Bahn greifen die Männer das Paar in einer Bahnhofsunterführung an. Als der Mann am Boden liegt, treten die Täter ihm ins Gesicht. Ihr Opfer erleidet Schädelbrüche und eine Gehirnblutung. Die Täter schlagen auch auf die Frau ein, verletzen sie im Gesicht und an der Brust."

Auffällig wird bei der Lektüre des Artikels, dass es so gut wie ausschließlich Jugendliche und junge Männer sind, die mit einer solchen Verve zur Tat schreiten. Welche sich wohl insbesondere darauf ergibt, dass sie, total frustriert, irgendetwas brauchen, an dem sie ihren Unmut auslassen können. Im Kern ist diese Frustrationsmoment kein anderes als das, welches sich die Herrschaften im sogenannten Dritten Reich zunutze machen konnten. Nur sagt einem das keiner - eben weil sich's so am besten in dem fraglichen Stil weiterverfahren lässt.

Demokratie hin oder her: Sie war bis dato offensichtlich nicht in der Lage, etwas an dieser Grundverfassung der Gesellschaft zu ändern. Da hilft dann auch nicht, das man versucht, seine Leutchen auf die Verfassung einzuschwören: Die Verfassung der Leutchen ist einfach schlecht, sie sind nicht gut drauf - auch, weil sie so gut wie nie Möglichkeiten haben nutzen können, kreativ zu werden. Die für sie in dem bestehenden Schulsystem sogar ganz massiv unterbunden werden. Dies alles schlägt sich dann in Aktionen nieder, die weder etwas mit der Verfassung noch irgendetwas auch nur mit der einfachen Gesetzeserfüllung zu tun haben.

In dieser Verfassung passieren laufend die hahnebüchensten Dinge: jeder der Ohren hat, kann sie allein schon aus den zumindest etwas kritisch eingestellten politischen Fernsehmagazinen entnehmen. Nehmen wir doch das Beispiel, das gestern abend in der Sendung "Frontal 21" - oder war's "Plusminus"? - präsentiert wurde: Da schließen Leute mit ihrem Mobilfunkanbieter einen Vertrag über eine Flatrate ab, und gehen dann ahnungslos ins Netz, nicht wissend, dass da in gesondert geführten, ihnen nicht zugänglich gemachten Unterlagen - auch wieder im ganz klein Gedruckten - die Rede ist von einer Begrenzung auf ein bestimmtes Datenvolumen. Woraufhin ihnen beispielsweise für das Laden von 1 Megabyte 9 Euro berechnet werden - dies allerdings erst zu einem Zeitpunkt, da sich die Beträge zu tausenden von Euro aufsummiert haben. Vom Gesetzgeber: Null Reaktion auf dieses betrügerische und damit sittenwidrige Verhalten.

Dieses Beispiel ist nur ein Glied aus einer endlosen Kette von allzu oft auch unberechtigten Forderungen, die pausenlos an den Bürger gestellt und dann gnadenlos eingetrieben werden. Eben diese Gnadenlosigkeit muss sich an irgendeinem Punkte gegen die Gemeinschaft kehren - insbesondere auch aus Frust darüber, dass man sich in die Enge gedrängt erfährt und nichts dagegen ausrichten kann.

Dieses unser System macht sich doch das Stellen von Forderungen zum Leitprinzip und kennt darüber hinaus doch kaum etwas anderes. Vor allem keine außermaterielle Sinnerfüllung. Da sie aber zutiefst danach verlangen und eigentlich alles im Menschen und für den Menschen so angelegt ist, dass er zu eben dieser Sinnerfüllung findet, revoltieren die meisten innerlich gegen das sinnlose Treiben: die Gnadenlosigkeit, mit der man ihre Lebenschancen verkürzt, kehrt sich dann als Gewalt gegen die Gemeinschaft resp. einzelne, an der eigentlichen Misere völlig unschuldige Mitbürger. Die übrigens auch aus Dachau, Auschwitz und Bergen-Belsen grüßen lassen.

Sittenwidrige Praktiken wie das an dem zunächst vielleicht harmlos erscheinenden Beispiel Flatrate Vorgeführte entnerven die Bürger permanent - seien sie jung oder alt. Und aus der Entnervung und Chancenbeschneidung heraus wird halt heftig reagiert. Sittenwidrig ist auch das, was, als Unterhaltung am Computer ausgegeben, nämlich die Killerspiele, dazu beiträgt, dass das sittliche Empfinden der jungen Menschen mehr und mehr abstumpft. Dem Schäuble, der alles so gerne unter seiner Kontrolle hätte, würde sich ein weites Betätigungsfeld eröffnen, nähme er die Verantwortung wahr, die ihm eigentlich bezüglich eines gedeihlichen Funktionierens des Gesellschaftsapparates aufgetragen ist. Aber er hat ja seine Terroristen, mit denen sich so wunderbar im Sinne der Profitgeier und anderer schräger Typen in diesem Apparat hantieren lässt.

216 "Werde eins mit Deinem Projekt" + "Think big!" = Selbstreferentielles.



Liebe Leute - das Adjektiv meine ich nicht wirklich ernst: Wie der Chinese Ai Weiwei es wohl in seinem Land tut, nehme ich Euch Euren ganzen Scheißapparat so auseinander, dass Euch noch Hören und Sehen vergehen wird. Tun wir doch nicht einfach so, als sei das Aushängeschild Demokratie ein Freifahrtschein für selbstherrliche Akteure auf der politischen oder wirtschaftlichen Bühne. In unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit liegt einfach soviel im Argen, dass man es auf keinen Fall unkommentiert bei all dem Widersinn belassen darf, der sich einem auftut, schaut man nur etwas genauer hin - und erhebt nicht das Verdienenmüssen um jeden Preis zu seinem obersten Lebensziel. Genau dieses aber tun beispielsweise die Freien Demokraten - die nur frei sein wollen beim möglichst rücksichtslosen Abschöpfen von Gewinnen. Über den Katzenjammer, der sich bei deren Wählern jetzt schon breitmacht, habe ich mich resp. hat sich jemand in der FAS ausgelassen:

395 "... ich glaub, ich hab alles richtig!" bemerkt der Wähler zunächst in dem folgend erscheinenden Cartoon, - um dann aber.....


Abschließend seien hier einige Passagen des von dem Autor Philip Eppelsheim verfassten Artikels referiert und zitiert: " 'Sämtliche belastbaren Indikatoren weisen auf einen bundesweit kontinuierlichen, starken Anstieg der Jugendkriminalität, insbesondere der Jugendgewaltkriminalität, in den vergangenen zwei Jahrzehnten hin' ": So wird der Staatsanwalt Daniel Heinke, Büroleiter beim Senator für Inneres und Sport in Bremen, von dem Autor zitiert. Nachdem es zuvor geheißen hatte: "Vor einigen Monaten hatte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble während der Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik 2008 gesagt, dass die Kriminalität zurückgegangen sei und es deutliche Rückgänge der Jugendkriminalität gegeben habe."

Aus der Gegenüberstellung dieser beiden Statements ergibt sich ganz leicht, dass da irgendjemand mit seiner Einschätzung der Situation resp. deren Darstellung schief liegt. Wobei es sich wohl für die wenigsten ergibt, dass solchem Procedere einfach eine Verschleierungstaktik zugrundeliegt, bei der vermieden werden soll, dass fragwürdige Sachverhalte ruchbar werden und etwas mehr in das öffentliche Bewusstsein eindringen.

In dem Artikel heißt es weiter: "Doch vergleicht man die jetzige Situation mit der von 1993, ergibt sich ein anderes Bild: Die Zahl der gefährlichen und schweren Körperverletzungen nahm bis 2007 um 72,3 Prozent zu, und die Fälle der Gewaltkriminalität stiegen seit 1993 um fast ein Drittel. Und noch eine Zahl zeigt, wie es um die Sicherheit im öffentlichen Raum bestellt ist: Die Zahl der gefährlichen und der schweren Körperverletzungen auf Straßen, Wegen und Plätzen stieg gegenüber 2007 um 9,1 Prozent auf fast 73 000 - im Jahr 2000 was es knapp 45 000 Fälle. Das heißt, jeden Tag werden rund 200 Menschen im öffentlichen Raum Opfer von Schlägern, ohne leichte Körperverletzungen oder das Dunkelfeld zu berücksichtigen."

Weiter heißt es in dem Artikel: "Fast jeder Fahrgast kennt Situationen, in denen er belästigt und beschimpft wurde. Und er kann nicht mehr sicher sein, dass es nur bei verbalen Attacken bleibt. 'Früher wurde gepöbelt, das war es. Erschreckend ist, dass es heute eine Gewalt gibt, die erbarmungslos ist. Messer uns Schlagringe sind im Spiel, es reicht nicht mehr ein Schlag, es müssen viele sein', heißt es bei den Berliner Verkehrsbetrieben."

In dem darauf folgenden Absatz wird noch einmal, gesondert von der Fallsammlung mit den 21 Gewaltexzessen, die Rücksichtslosigkeit und Grausamkeit der Jugendlichen dargestellt, mit der sie ihren Opfern zusetzen: "Geringe Anlässe können ausreichen, um Gewalt auszulösen, berichtet auch die Bundespolizei. Wenn es denn überhaupt einen Anlass braucht. Das musste Ende 2007 auch ein Rentner in der Münchner U-Bahn erleben, als er zwei Heranwachsende auf ein Rauchverbot hinwies. Er erlitt mehrere Schädelfrakturen mit Einblutungen im Gehirn. Auf einer Videoaufzeichnung war zu sehen, wie einer der Täter Anlauf nahm und gegen den Kopf des Rentners trat. Tötungsabsicht habe nicht bestanden, sagt der Verteidiger des Jugendlichen. Zudem habe der Rentner einen barschen Tonfall gehabt. Und schließlich tue es dem Jugendlichen 'sehr leid' ".

Der bereits erwähnte Sonderdezernent für Kapitalverbrechen und Todesursachenermittlung in Bremen kommt mit seiner Darstellung hier abschließend zu Wort. Er sagt, "die jugendlichen Schläger handelten sehr häufig einfach aus 'Freude an Ausübung von Gewalt'. Äußerst brutale Taten scheinen für manche Jugendlichen 'augenscheinlich eine vollkommen normale Alltagserfahrung zu sein'. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, spricht von einer Verrohung eines Teils der Gesellschaft. Und diesem Teil sei es gelungen, den öffentlichen Raum zu beherrschen, indem er mit seinem Taten Furcht und Angst verbreitet. 'Wir haben es dadurch mit einem kollektiven Freiheitsverlust zu tun'."

Mein Statement dazu: Es braucht demnach keine Gestapo und keine SS-Sturmleute, um Furcht und Schrecken zu verbreiten und die Bevölkerung gefügig zu machen. Was hier noch folgt, ist ein Aufruf an die Leser: "Berichten Sie uns von Ihren Erlebnissen im öffentlichen Raum. Schicken Sie eine E-Mail an: sonntagszeitung-politik-erlebnis@faz.de. Oder schreiben Sie einen Brief an unsere Leserbriefadresse."

PS1: Passend zur Thematik finde ich am Donnerstag, dem 08.09. in der HAZ den Artikel "... oder du gehst in den Knast". Bei dem es im Subtitel heißt: "Es ist oft ihre letzte Chance, um nicht ins Gefängnis zu müssen. Das Konfrontativtraining bei BAF e.V. [Verein für Bildungsmaßnahmen im Arbeits- und Freizeitbereich] soll junge Gewalttäter zur Vernunft bringen."

Aus diesem Artikel seien hier nur zwei Passagen zitiert: " 'Wir halten aber keine Fachvorträge, da würde uns keiner zuhören', dagt Pädagoge Greenhill. Der Trick sei, die Themen auf die Lebenswelt der Teilnehmer herunterzubrechen, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. Wenn er etwa das Wort 'Hurensohn' auf die Tafel schreibt, reagieren die jungen Männer entsprechend hitzig - und sind schnell in einer Diskussion über Ehre und Rache [etwa die Hälfte der Teilnehmer an den Kursen haben einen Migrationshintergrund]". Und: " 'Über mich hat man eine Reportage gedreht', beeilt sich Hakan, der seinen Cousin niedergestochen hat, zu sagen. Gerade Neulinge brüsten sich in den ersten Trainingsstunden noch mit ihren Taten. 'Jeder, der hier ist, versucht sich mit Gewalt Respekt zu verschaffen, um das eigene Selbstwertgefühl zu steigern', sagt Greenhill. Ihr Selbstwertgefühl hat in der Vergangenheit allzu oft gelitten. Vom Vater regelmäßig geschlagen worden zu sein ist unter den jungen Straftätern bei BAF eine klassische Erfahrung. Hakans Vater saß auch mehrere Jahre im Gefängnis, weil er jemanden töten wollte, der nun im Rollstuhl sitzt." Womit der letztlich auch wieder nur an falschen Begriffen sich orientierende und nur auf den ersten Blick von dieser Systemkritik ausgenommene kulturelle Hintergrund vieler jugendlicher Gewalttäter angesprochen wäre.

PS2: Unter diesem auszugsweise vorgestellten Artikel findet sich einer, der irgendwie zu der ganzen Thematik passen will: "Viel Zuspruch und ein paar dunkle Gedanken". In dem stellt ein Interviewer folgende Frage an Philippe Goos, der sechs Tage lang auf einem Hochsitz im Zentrum der Stadt gesessen hat: "....Die Aktion sollte an den Arbeitslosen erinnern, der vor zwei Jahren von Hannover in den Solling radelte und sich dort auf einem Hochsitz zu Tode gehungert hatte. Wie war Ihr Abstieg?" Ohne auf die Antwort dazu und den Text weiter einzugehen, möchte ich hier nur festhalten, dass in unserem Scheißsystem von gewissenlosen Typen alles daran gesetzt wird, dem Menschen das zu verweigern, worauf er zur Aufrechterhaltung seiner Existenz einfach angewiesen ist - nicht nur zur Befriedigung seiner Nahrungs-, sondern vor allem auch seiner seelischen Bedürfnisse.
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