Mittwoch, 7. Oktober 2009

399 "Der Beuys aus Beijing": Warum soll nur ein Blogger in China sich um die politischen Verhältnisse in seinem Land kümmern?

Bevor ich mich in mehr eigener Sache zu dem äußere, was der Chinese Ai Weiwei in seinem Heimatland so anstellt, sei hier eine Erinnerung aus Jugendtagen angesprochen. Da lernte ich nämlich in einer Jugendherberge als Teilnehmer eines Sittenkongresses in Stockholm den Chinesen Ei Weimeiei kennen. Außer ihm waren da noch etwa der Russe Poppoff Gedudroff und der Schwede Lotter Hatanstieven. Und der Kasache Kasimir Fickdusimir. Aber nun im Ernst:

"Er twittert, bloggt, macht sein Leben zum Werk - und schützt sich so zugleich": so heißt es in einer Zwischenüberschrift des fraglichen Artikels über den Dissidenten Ai Weiwei. Davor wird davon berichtet, dass schon sein Vater Ai Qing Dissident gewesen und er in einem Umerziehungslager aufgewachsen sei. Ferner ist dort davon die Rede, dass er spätestens seit seiner Teilnahme an der Documenta 2007 der bekannteste Repräsentant aus China für regimekritische Kunst, mehr sogar noch für künstlerische Regimekritik sei.

Obwohl er in Peking als Mittelpunkt einer ganzen Kunstszene gilt und beispielsweise entscheidender Ideengeber beim Bau des dortigen Olympiastadiums gewesen ist, verläuft seine Rezeption in China über andere Kanäle: "Ai Weiwei wirkt dort als einer der engagiertesten politischen Blogger" heißt es dazu erläuternd. Und, dies noch weiter ausführend, wird das von ihm gewählte Verfahren der "digitalen Panzerung" dargestellt: "... er fotografiert so gut wie alles und jeden um ihn herum und stellt das Material umgehend ins Netz, wo es, einerseits, der permanenten Aufklärung und Information der Daheimgebliebenen dient, zweitens das Leben des Künstlers als Kunstwerk in Permanenz zur Schau stellt - und drittens natürlich einen schützenden Kokon um Ai Weiwei und die Seinen bilden soll."

Sein Leben zur Schau stellen: dies tut wohl auch der von mir in Post 100 zitierte Publizist Matthias Matussek - allerdings weniger in einem politischen Kontext. Auch das von mir gewählte Procedere der Veröffentlichung von personenbezogenen Daten und Vorgängen kommt dem von dem Chinesen Ai Weiwei betriebenen nur in etwa nahe - allerdings glaube ich sagen zu dürfen, dass auch ihm ein gewisses kritisches Potential eignet.

Zurück zu dem hier im Rampenlicht stehenden Dissidenten und Künstler. In dem Artikel ist davon die Rede, dass er etwa große Holzreliefs gearbeitet hat und überhaupt Holz in seinem Schaffen ein große Rolle spielt. Wobei sehr viel davon aus alten Tempeln stamme und in ihr antike Möbelstücke deshalb so oft begneten, weil den Subtext der meisten Arbeiten die rasante, rückhalt- und rücksichtslose Modernisierung in China und der Umgang mit der Tradition bilde - letzterer bezogen vor allem auf die alten, ausgefeilten Handwerkstechniken. Er schaffe etwas, heißt es in dem Artikel, was in der Lage sei, "unser Bild von der chinesischen Gegenwartskunst" mit ihren "ewigen Grinseköpfen der offiziösen Kunstmarkterfolgsmalerei" zu korrigieren.

Insgesamt aber ziele das Interesse des deutschen Publikums weniger auf seine Kunst, als vielmehr auf seine Themen, wird in dem Artikel konstatiert, mehr auf den Regimekritiker denn auf den Künstler. Was mich, hiermit zum Ende kommen wollend, fragen lässt, a) ob es nicht besser wäre, das deutsche Publikum interessierte sich für Blogs wie diesen, und b) ob es die politischen und sozialen Verhältnisse im eigenen Land nicht verdienten, eher kritisch hinterfragt zu werden als die auswärts. Den Bürgern in diesem Land tritt zwar keine totalitäre Macht entgegen - dafür aber, in sublimerer Form, die totale Vereinnahmung und das Abhängigmachen etwa durch Werbe-, Verdummungs- und Geschäftspraktiken, die sich bezüglich der dabei zum Tragen kommenden Mechanismen und den erzielten Effekten nicht unbedingt weniger kritikwürdig ausnehmen.

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Hinweis: Aus mir unerfindlichen Gründen unterschlägt der Browser Firefox, der bei der Posterstellung weitaus ökonomischer zu handhaben ist als der Browser Internet-Explorer, eine Fülle der von mir in den Blog eingebrachten Materialien. Daher: Bei offensichtlichen Lücken und größerem Interesse mit letzterem ins Netz gehen!


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