Donnerstag, 5. Juli 2012

1772 "Ein vernichtender Blog-Eintrag bleibt für die Ewigkeit": Anders als ein Protestzug, der sich schnell zerstreut, hat das Operieren mit Worten....

..... im Netz durchschlagende und nachhaltige Wirkungen. Die Netzwerke Facebook, Twitter und auch die Blogportale sorgen dafür, dass diejenigen, die an den Schalthebeln der Macht sitzen, sich ganz genau überlegen müssen, ob sie mit der früher einfach nur unpopulären, aber nicht weiter in Frage zu stellenden Maßnahme nicht das auslösen, was in ihren Kreisen mehr und mehr gefürchtet wird - einen Shitstorm.

Ja, werte Frau Amann, die Sie in der FAS vom 24.06.d.J. beklagen, dass eine anonyme Masse die Politiker im Netz vor sich hertreibe: So funktioniert Demokratie unter den Bedingungen der modernen Kommunikation halt - und nur so wird sie auf Dauer weiter und besser funktionieren können. Ihr in der besagten Ausgabe im Wirtschaftsteil veröffentlichter Beitrag wird in diesem Blog als Digitalisat, also als elektronisch generierte Zweitveröffentlichung gebracht, damit erstens ein jeder die hier aufgestellten Behauptungen nachprüfen und ihm damit zweitens das Verkorkste an der Sichtweise der sich als "konservativ" ausgebenden Kräfte hierzulande mit hinreichender Deutlichkeit vor Augen treten kann.

Aus diesem Sichtwinkel heraus versteigt Sie sich doch tatsächlich zu folgender Aussage: "Dabei haben Parlamentarier oft genug ihre Traute gegen den Druck der Straße bewiesen. Jahrzehntelang ertrugen sie [huch nein, welch heroische Leistung, welch grandioses Aufopferungsvermögen!!!] Großdemonstrationen gegen Atomkraft, gegen Gentechnik, gegen hohe Managergehälter. Auf dem Höhepunkt der Hartz-Proteste gingen 200 000 Teilnehmer in 200 Städten auf 'Montagsdemonstration'. Die Acta-Gegner mobilisierten in Deutschland 20 000 Leute - aber das war eben nur die Offline-Gemeinde." An diese Textpassage schließt sich unmittelbar das Statement an, welches jetzt als Titel dieses Eintrags fungiert.

Jemand, der wie Sie, werte Frau Amann, die Möglichkeiten der Konzerne Vattenfall, Monsanto & Co, die eigene Machtstellung möglichst weit auszubauen - via Atom, Genmanipulation oder Abhängigmachen und Unterdrückung der Mittellosen - nicht beschnitten sehen möchte, der muss natürlich wie Sie ins Lamentieren verfallen. Und sich etwa einfallen lassen, womit man die gegen dergleichen sich Auflehnenden in ein möglichst schlechtes Licht stellen kann. Das, was Sie mit ihren Zeilen fabriziert haben, ist doch nicht viel mehr als eine Apologie der Verhältnisse, wie sie nach dem Wunsch der tonangebenden und Zahlungsmittel verteilenden Schichten in diesen Landen sein sollen - dem Machtunterworfenen gerade mal erlaubend, seine in aller Regel ohnmächtig bleibende Kritik auf dem Wege der Demonstration vorzutragen.

Ich gehe zwar als Blogger nicht davon aus, dass Sie für dieses gegen die Netzgemeinde gerichtetes Machwerk "von öben" Weisung und von nicht "ganz so weit öben" ordentliche Zuschüsse erhalten haben - wundere mich aber über das Maß an Energie, welches Sie aufwenden, um die Twitterer, Hacker und die via Facebook an den öffentlichen Angelegenheiten sich Beteiligenden in Grund und Boden zu verdonnern. Jeder, der mit zumindest etwas Grips und damit halt auch kritischem Einschätzungvermögen ausgestatten ist, wird Ihren Darlegungen doch den entsprechenden Tenor entnehmen können.

Wenn Sie von einer offenen und transparenten Debatte sagen, dass die in Sachen Urheberrecht ohne die Netzaktivitäten hätte zustandekommen können, dann ist dies doch reines Wortgeklingel. Sie bauen beispielsweise mit dem Twitterer oder Hacker einen Popanz auf, auf dem Sie meinen, nach Lust und Laune herumhacken zu können - dabei nicht gewärtigend, wieviel Veränderung bewirken könnende Energie in dem steckt, was Sie so formulieren: "Acta war gestorben, sobald der erste (Netz-)Politiker begriffen hatte, dass es hier um seine Google-Einträge ging, um sein Image in der Netzgemeinde."

In der hier eingebrachten Vorlage von dem längsten Markierungsstrich begleiteten Passage schreiben Sie: "Als den Parlamentariern und Regierungsbeamten in Berlin dämmerte, welcher Sturm sich über ihnen zusammenbraute, dauerte es nur wenige Stunden, bis alle Parteien samt der Justizministerin ihr Acta-Position gefunden und vermeldet hatten: nichts als 'grundlegende Bedenken', Kritik, Ablehnung. Seit vergangener Woche ist das Abkommen endgültig vom Tisch, ein Ausschuss des EU-Parlaments kassierte den Vertragsentwurf mit klarer Mehrheit. Aber sie stimmten über tote Materie ab: Seit den Protesttagen im Februar war Acta am Ende."

Ich darf Sie warnen: Wenn Sie noch einmal ein solches auf die Selbstbestimmungsmöglichkeiten des Bürgers gerichtetes Torpedo loslassen - oder einfach nur eine solche Fregatte vom Stapel lassen, die nur deshalb in Bewegung gesetzt wird, weil man sich in den Nobeletagen dieser Republik davon verspricht, dass missliebige Kritik gar nicht erst aufkommen kann: wenn Sie sich noch einmal dazu versteigen, dann wird es in diesem Blog richtig Stoff geben. Dann werde ich Ihre Ergüsse so bitterböse kommentieren, dass Ihnen darüber Hören und Sehen vergeht.

----- Original Message -----
From: "Campact" <info@campact.de>
Sent: Thursday, July 05, 2012 3:55 PM
Subject: Protest erfolgreich: ACTA gestoppt!

Lieber Klaus Bickmann,

was für ein grandioser Erfolg für eine junge Bewegung: Gestern lehnte die breite Mehrheit der EU-Parlamentarier/innen das Urheberrechtsabkommen ACTA ab! Damit ist ACTA wohl endgültig gestoppt. Die EU-Kommission scheiterte auf ganzer Linie mit ihrem Vorhaben, die Freiheit des Internets Konzerninteressen unterzuordnen.

Jung ist die Anti-ACTA-Bewegung gleich in zweifacher Hinsicht: Während selbst Ende letzten Jahres nur ExpertInnen der Netzgemeinde vor ACTA warnten, entstand im Januar und Februar eine eindrucksvolle Protestwelle. Die Proteste, die jenseits des Atlantiks ihren Ursprung fanden, sprangen zuerst auf Polen und anderen osteuropäischen Staaten über. Von dort breitete sich die Welle dann über ganz Europa aus - und ließ auch in Deutschland trotz klirrender Kälte Hunderttausende auf die Straßen gehen.

Jung sind aber auch viele der Menschen, die sich im Netz gegen ACTA organisierten und ihren Protest dann raus auf die Straßen trugen. Viele waren vorher noch nie politisch aktiv gewesen - und machten mit dem gestrigen Tag eine sehr schöne Erfahrung: Protest, sich einmischen, die Dinge selbst in die Hand nehmen - das wirkt! "Auf Wiedersehen ACTA - hallo Demokratie!", wie es bei Twitter hieß.

Wir von Campact gratulieren der Bewegung und freuen uns sehr über den Erfolg. Und darüber, dass wir ihn unterstützen konnten, indem wir mit die Werbetrommel für die bundesweiten Aktionstage rührten und sich über 70.000 Menschen mit unserem Appell an die deutschen Abgeordneten des EU-Parlaments wandten.

Doch die Auseinandersetzung um Meinungsfreiheit und Datenschutz im Netz ist damit noch lange nicht beendet. In der EU steht demnächst die Auseinandersetzung um die Neuauflage der Richtlinie zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum (IPRED) an. Und auch in Sachen ACTA hat der für Handelsfragen zuständige EU-Kommissar De Gucht noch nicht ganz aufgegeben: Nachdem der Europäischen Gerichtshof über die Rechtmäßigkeit von ACTA entschieden hat, will er womöglich das Abkommen dem EU-Parlament einfach erneut vorlegen.

Die Zeit bis dahin sollten wir nutzen für eine Debatte über die Zukunft des Urheberrechts. Schließlich geht es den meisten Demonstrierenden ja nicht darum, sich kostenlos Werke von Kulturschaffenden anzueignen. Im Gegenteil stehen innovative Ansätze im Mittelpunkt, die eine angemessen Vergütung für Kreative gewährleisten und dabei die Freiheit im Netz nicht beschneiden.


Herzliche Grüße

Fritz Mielert und Christoph Bautz

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Campact - Demokratie in Aktion (http://www.campact.de)
Artilleriestr. 6 - 27283 Verden
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