Dienstag, 23. November 2010

967"Wenn in der Liturgie nicht erfahrbar wird, dass hier und jetzt der Himmel die Erde berührt, dann ist das Herzstück der Kirche wirklich verloren."


Soeben erst hat der Papst ja eine ganze Reihe von Kirchenfürsten zu Kardinälen berufen. Darunter auch Reinhard Marx. Der in diesem Eintrag mit einigen Statements zitiert werden soll, die meiner Einschätzung nach die Weltfremdheit nicht nur dieser solchermaßen geadelten Galionsfigur belegen, sondern die des gesamten Klerus gleich mit. Ich halte dafür, dass es vorrangig dem sich darin ausdrückenden Geist zuzuschreiben ist, dass die Menschen sich Erhellung nur noch von Lichterketten versprechen können:
Dem mit etwas mehr Kritikvermögen ausgestatteten Zeitgenossen kann es doch nicht entgehen, dass der Budenzauber, der in der vorkonziliaren Zeit veranstaltet zu werden pflegte, jetzt wieder fröhliche Urständ feiern soll - Zitat Marx: "Ich fand es nicht alles gut, was in der Rezeption des Konzils geschah. Gerade in der Liturgie haben wir die Schätze der Vergangenheit nicht immer gut im Blick gehabt. ... Ich sage nicht, dass alles, was in den siebziger und achtziger Jahren geschehen ist, per se schlecht war."
Mit solchen Worten gibt dieser hier eigentlich recht einfältig, ja, schon fast dümmlich und mit Dreitagebart ausgerüstet erscheinende Kirchenfürst doch recht unverhohlen zu erkennen, dass ihm ebenso wie dem Papst an einer Restauration der Verhältnisse gelegen ist, wie sie vor dem Vaticanum II in der katholischen Kirche geherrscht haben. Eben darum ist er ja auch jetzt zwar nicht zur Ehre der Altäre erhoben, aber doch immerhin in vom normalen Sterblichen unerreichbaren Höhen angesiedelt worden.

Das als Titel dieses Eintrags verwendete, in der FAS vom 21. nachzulesende Zitat belegt in meinen Augen kaum zu überbietender Klarheit die Selbstherrlichkeit, mit welcher sich die hohen Herren in der Kirche ans Werk zu machen belieben. "Wir sind der letzte Kämpfer für romantische Liebe" haben die beider Interviewer Daniel Deckers und Philip Eppelsheim den mitsamt Foto eine ganze Seite einnehmenden Interviewtext überschrieben, damit eine von Marx in dem Interview getroffene Feststellung aufgreifend, die auch wieder nur den Charakter eines aus der Verlegenheit heraus aufgestellten Postulats aufweist. Eine Verlegenheit, die sich gerade auch aus den vielen Missbrauchsfällen heraus ergibt, die, wie kaum anders zu erwarten, von Marx in einer sehr relativierenden, als die Kirche eigentlich gar nicht so richtig treffenden Weise dargestellt werden.
Wenn, wie vorstehend ersichtlich, selbst Priester sich gegen den "klerikalen Dünkel" ihres Vorgesetzten wenden und in diesem Zusammenhang dann noch von "SELBSTVERLIEBTEN RITUALEN" sprechen, dann ist in meinen Augen damit das Grundübel bezeichnet, an die speziell die katholische Kirche krankt. In der ist zwar pausenlos die Rede von einem höheren Wesen, dem man beispielsweise durch die Nichtbenutzung von Kondomen zu Gefallen zu sein habe: realiter aber versuchen die, die solcherlei verfügen nur, sich selbst zu erhöhen. Meiner Meinung nach liegt in dem Anspruch, mit und durch die Liturgie den Himmel mit der Erde verbinden zu können, auf Seiten der Priester eine maßlose Überschätzung ihrer Funktion und des daran geknüpften eigenen Stellenwertes. Ja, für mich geht aus einer solchen Sehweise, wie sie insbesondere auch der Trunkenbold Mixa artikuliert hat, ein solcher Grad von Anmaßung hervor, dass ein höheres Wesen damit eigentlich nur beleidigt werden kann. Gab dieser Trunkenbold doch sinngemäß zu verstehen, er könne Gott via sakrale Handlung gewissermaßen auf den Altar hinunterzwingen.

Natürlich kann ein solcher Mann gar nicht anders, als Probleme zu bagatellisieren - Zitat: "Aus persönlichen Gesprächen wie aus neueren Untersuchungen weiß ich, dass die Zufriedenheit der Priester mit ihrer Arbeit und ihrer Lebensform oft viel größer ist als gemeinhin unterstellt." Dieses als Antwort auf die folgende Frage, die damit eigentlich überhaupt nicht beantwortet wird: "Was ist das Geistlich-Theologische an Einsamkeit und einer Arbeitsbelastung, die in den kommenden Jahren wegen des Priestermangels dramatische Ausmaße annehmen wird?"

Natürlich kann ein dermaßen beschränkter Geist nicht mehr, als die Situation der Welt in ganz allgemeinen, nichtssagenden Begriffen zu fassen: "Die moderne Welt ist so unübersichtlich und komplex geworden, dass in der Kirche wie in der Politik die Vereinfacher links wie rechts leichteres Spiel haben. Ich möchte dafür sorgen, dass die Spannungen ausgehalten werden und das Ringen um den besten Weg nicht vorschnell abgebrochen wird und dass die Herde Christi zusammenbleibt in einer Einheit, die nicht Uniformität ist." Dergleichen ist doch nur reines Blablabla, einzig und allein dazu bestimmt, Eindruck zu schinden und einen Anspruch aufzubauen, der sich bei auch nur etwas näherem Hinsehen als verbal aufgepumpter Luftballon entpuppt.

Natürlich kann eine so von dem Papst geadelte Gestalt nur zu einer Feststellung gelangen wie der folgenden: "Die Theologie des Papstes ist ein großes Geschenk. Nicht eng, nicht altbacken, sondern weit und tief, eine Theologie des 21. Jahrhunderts. Das wird noch zu wenig gesehen, aber langfristig wird sich das zeigen." Mit dieser Schlussbemerkung versucht Marx eine im letzten Drittel des Interviews gemachte Aussage zu erhärten, die sich folgendermaßen darstellt: "Was heißt das aber für Kirche und ihre Sakramente in einer pluralistischen Welt? Meine zugegebenermaßen provozierende Antwort, um die mentale Wende zu schaffen, liegt in einem Satz von Kardinal Lustiger: 'Das Christentum in Europa steckt noch in den Kinderschuhen. Seine große Zeit liegt noch vor uns'."

In meinen Augen stellt sich die Angelegenheit ganz anders dar: Eine Kirche, die sich via Zelebrierung des Sakramentalen in solche Höhen versteigt wie etwa der Mixa oder der Marx, hat so gut wie keine Chance, irgendetwas in den Herzen der Menschen zu bewegen - und von daher dann auch keine Überlebenschancen und -berechtigung. Wenn Glaube, wie von Marx auch wieder nur schönrednerisch postuliert, "Quelle der Freude, des Abenteuers, des Entdeckens" sein soll, dann ist es genau dieser Herrschaftsapparat der Kirche, der solchem Erleben am meisten im Wege steht.

Diese Unverträglichkeit, dieses Gegeneinander von hehrem Anspruch und praktizierter Religionsausübung ist es doch, was den allermeisten Zeitgenossen so sauer aufstößt, dass sie darüber mehr und mehr ins Zweifeln geraten - als Konsquenz daraus dann sich von der Kirche abwendend. Anstatt die Individuen behutsam auf den Weg hinein in den Raum der inneren Stille hinein zu führen, welcher der wirklich einzig gangbare zu einer echten Gottesbeziehung ist, kaspern die Kirchenfürsten und ihre Chargen auf der Bühne herum, dabei dem Publikum lauthals verkündend, wie wichtig sie doch seien und wie gut man daran täte, ihren Weisungen zu folgen.

PS: Werte/r geneigte/r Leser/in: Sofern Ihnen Form und Inhalt dieses Eintrags zusagen, sollte dessen Weitergabe oder aber gleich des Blogs via Link an Ihren Freundes- und Bekanntenkreis eigentlich nichts im Wege stehen. Für den Fall, dass Sie auch über die Adressen offiziöser Stellen verfügen: Geben Sie das Material ruhig auch an die weiter. Damit vielleicht der/die eine oder andere der dort Tätigen sich besinnt und nicht mehr mitmacht bei dem hierzulande weiter und weiter veranstalteten Wahnsinnstreiben. So, dass die von Politikern gepflegte, nur dem Eigeninteresse verpflichtete Verfälschung der Wirklichkeit denn doch einmal ein Ende findet und die Demokratie eine Chance bekommt, mehr zu sein als bisher - eine nur nützliche Fiktion.

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