Der Chronist, Dokumentator und Kommentator Martin Cross sieht sich wegen der fraglichen Debatte denn doch etwas mehr auf den Plan gerufen. Einmal, weil bei ihr auch nur wieder eine Sau durch's Dorf getrieben wird. Ferner, weil die Gewichtungen in ihr nicht stimmen. Und schließlich, damit zusammenhängend, weil er sie für total überzogen hält. Das, was er zu ihr zu sagen hat, findet er untermauert in der von dem Journalisten Claudius Seidl (C.L.) in der neuesten FAS-Ausgabe vorgelegten Text- und Situationsanalyse. Selber ausgestattet mit einem recht verlässlichen Sprachempfinden, kann er, obwohl alles andere als ein Freund der FDP, diese die Gemüter besänftigende und die Erregerspannung heruntertransformierende Darstellung nur begrüßen. Weil sie nach seinem Dafürhalten die Sitution sehr gut erfasst und die Dinge ins rechte Lot bringt.
Anders als in der Regel, hat der hier den Kommentar des genannten Journalisten zu den von diesem als Machwerk indentifizierten Auslassungen der Stern-Reporterin Laura Himmelreich seinerseits Kommentierende in der Textcollage bis auf eine einzige Stelle nichts hervorgehoben. Weil nämlich der Beitrag insgesamt sehr lesenswert ist. Führt er doch vor Augen, wie Jounalismus auch aussehen kann: dem Mainstream zuwiderlaufend und damit couragiert einen Standpunkt einnehmend, der abseits liegt von den Marktplätzen, auf denen hauptsächlich das Wohlfeile gehandelt wird. Und damit ist man schon angekommen bei dem Kernpunkt der ganzen Angelegenheit - der eher lockeren Handhabung von Sprüchen, wie sie sich aus einem an der Theke geführten Gespräch ergibt.
"Es ist Mitternacht, an der Bar nehmen Politiker und Journalisten zusammen noch ein Getränk - und um die soziale und kommunikative Struktur dieses Beisammenseins richtig einzuschätzen, muss man wissen, dass ein guter Journalist einen guten Bericht übers Dreikönigstreffen schreiben kann, ganz ohne dass er nachts noch an der Theke herumhängen müsste. Auf den Pressekonferenzen, bei den Gesprächen am Rande des Parteiages, bei jedem offiziellen Interview sind die Regeln klar und die Rollen präzise festgelegt. Wer um Mitternacht an die Bar geht, weiß, dass jetzt andere Regeln gelten und ein Spiel gespielt wird, bei dem man auch verlieren kann": Diese zu Anfang der dritten Textspalte zu findende Passage lässt den Schwachpunkt deutlich werden, auf dem die ganze Argumentation der Laura Himmelreich - welch schöner Name bei soviel teuflicher Gesinnung! - recht deutlich vor Augen treten.
C.L. schildert die entsprechende Situation, in der es zu den als sexistisch bezeichneten und verdammten Sprüchen kam, also in einer Weise, durch die sich die Besonderheit der Situation sehr deutlich abzeichnet. Er zitiert die mit dem himmelhochjauchzenden Namen, mit folgenden Worten: " 'Ich möchte von ihm wissen, wie er es findet, im fortgeschrittenen Alter zum Hoffnungsträger aufzusteigen'." Der Autor fährt weiter fort: "Dass der Satz mehr ist, dass er eine Provokation und eine grobe Unhöflichkeit ist, das merkt man, wenn man sich die Situation noch einmal vor Augen führt. Es ist Mitternacht, es ist das Ende eines Tages, der für die FDP-Leute sehr anstrengend war, und der Fraktionsvorsitzende, den man für kein politisches Genie halten muss, um seine Würde zu respektieren, trinkt ein Glas Wein, das er sich ganz bestimmt verdient hat ... Was soll Brüderle ernsthaft antworten, wenn er nicht in die Defensive geraten will: Dass er zum Yoga geht? Dass ihm sein Arzt bescheinigt habe, wie gesund er sei? Dass er auch nach dem dritten Glas Weißwein weiß, wie die Hauptstadt von Obervolta heißt?"
Weil die Dame vom Stern den FDP-Mann so undiplomatisch angegangen ist, hat sie von diesem genau die Antwort erhalten, die sie verdiente - nach dem Motto "Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch wieder heraus". Was die Presse dann aus der ganzen Geschichte gemacht hat, stellt sich in den Augen des hier Kommentierenden völlig unverhältnismäßig dar. Weshalb er auch volles Verständnis hat für die Reaktion Brüderles, der sich weigert, zu ihr auch noch einen weiteren Kommentar abzugeben. C.L. kommt zum Schluss seines Beitrags noch einmal auf die vor Impertinenz gerade nur so triefende Frage zurück, welche die Reporterin - hier sei es wiederholt: an der Theke! - an den sich vielleicht etwas zu sehr in seinem Glanze sonnen wollenden 66-Jährigen gerichtet hat, dabei den Leser einbeziehend: "Wie finden Sie es, im fortgeschrittenen Alter zum Hoffnungsträger aufzusteigen? Diese Frage heißt nichts anderes als: Zeigen Sie mir, dass sie nicht zu alt und also zu schwach, zu müde, zu verbraucht sind! Ich darf Sie das fragen, denn ich bin jung und also stark, wach und unverbraucht.Einem 28-jährigem Mann, der eine solche Frage einer 66-jährigen Frau stellte, würde man heimlich ein paar hinter die Löffel wünschen, und sagen würde man ihm: Halt die Klappe, Grünschnabel, und lern erst mal, dich zu benehmen!"
Bredenbecker Bote
Der von C.S. der Redaktion abgelieferte Text hat von dieser den folgenden Subtitel erhalten: "Angeblich kämpft die Hamburger Illustrierte 'Stern' jetzt gegen den Sexismus. Aber was steht wirklich drin in der Enthüllungsstory mit dem Titel 'Der Herrenwitz'? Eine Textanalyse". Welch letztere Aussage sich eigentlich so lesen müsste: "Eine Text- und Situationsanalyse". Der Bredenbecker Bote, der dieses couragiert, weil gegen das in fast allen anderen Presseorganen entgegenstehend, gezeichnete Bild gerne weiter herumträgt - vorstehend ist er ja auf seinem virtuellen Fahrrad als Kurier erkennbar -, kann es nur begrüßen, dass sein für die FAS schreibender Kollege dem vom Stern groß herausgebrachten Artikel den Rang zuweist, der ihr tatsächlich zukommt: den einer "vermeintlichen Enthüllungsgeschichte."
Schützenhilfe erfährt Brüderle aber auch von anderer Seite - zwar nicht so massiv, wie seitens C.S., aber doch recht beachtlich. Rita Pawelski, Sprecherin der Gruppe der Frauen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bemerkt in einem von der HAZ-Reporterin Susanne Iden mit ihr geführten und in dieser Zeitung am 28.d.Mts. veröffentlichten Interview etwa dieses: " 'Allerdings bezweifele ich, dass es angemessen ist, diese Debatte ausgerechnet an Herrn Brüderle aufzuhängen. Da fielen mir spontan andere ein'." Sie charakterisiert den Politiker weiter so: " '... er ist ein ausgesprochen gutlauniger Mensch und ist immer für einen coolen Spruch gut. Manche würden das - mit einem Schmunzeln - 'Gockelgehabe' nennen. Ich glaube einfach nicht, dass mehr dahintersteckt, auch wenn diese Sprüche nicht jedem gefallen müssen."
Fazit: Laura Himmelreich gibt zwar vor, ganz genau hinzuschauen - etwa so, wie die nachstehend erscheinende Brillenträgerin: Tatsächlich hat sie aber etwas abgeliefert, wofür sie wegen Betriebsblindheit oder etwas Ähnlichem ordentlich abgewatscht zu werden verdient hat. Und mit ihr auch der Chefredakteur Thomas Winterkorn, der den Beitrag erst ein Jahr nach dessen Abfassung aus der Versenkung hervorzuholen sich erdreistet hat, in der er bis zum Dreikönigstreff der "Liberalen" geruht hat. Mit Rita Pawelski ist in Sachen Sexismus der Punkt festzuhalten, den sie in dem unter den Titel "Sexismus ist ein Phänomen der Macht" gestellten Interview bezeichnet: " 'Wenn man aber jetzt Brüderle an den Pranger stellt, dann gerät das Wichtigste an dem Thema aus dem Blickfeld: dass wir nämlich ein größeres Problem mit sexueller Belästigung in Abhängigkeitsverhältnissen haben, zwischen Chef und Angestellter, Professor und Studentin, Kunde und Verkäuferin'." Die Republik hat wieder mal ihren Aufreger gehabt, und alles ist gut: GUTE NACHT, DEUTSCHLAND!
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