Donnerstag, 17. Februar 2011

1059 "Der Ruf der Heimat" - auch ergangen an den Großvater eines FAS-Redakteurs. Der allerdings nichts über seine Kriegserfahrungen vermeldet hat, sodass sich sein Enkel auf die Aufzeichnungen eines seiner Freunde aus Arberg (bei Bremen) stützen muss, um zumindest etwas in die Zeit hinüberzuretten, in der keiner der Teilnehmer an dem Zweiten Weltkrieg mehr leben wird.


Die fraglichen Kriegsteilnehmer, das waren Johann Brüggemann und Fritz Böschen. Auf dem Dachboden des Hauses, in welchem seine Familie lebte, fand Ersterer eine Sammlung von Fotos, die sein Großvater Johann von seinem Feldzug nach Russland mitgebracht hatte. Durch sie wurde sein Interesse geweckt, mehr zu erfahren über das Kriegsgeschehen dort, aber auch über die Verhältnisse, die in der Heimat der Soldaten herrschten. Deshalb war er froh, dass der Sohn des zweiten Kriegsteilnehmers, Heiner Böschen, ihm die Aufzeichnungen überließ, die sein Vater während des Krieges gemacht hatte. Im Folgenden seien aus dem zweiseitigen, mit "Am Beispiel meines Großvaters" überschriebenen Artikel die Passagen zitiert, die das damals herrschende Klima am intensivsten einfangen.

"Auch im Dorf hatte sich das Leben inzwischen verändert. Der Nationalsozialismus nistete sich hier - wie überall in Deutschland - im Alltag ein. Zunächst ergriff er die Vereine, dann die Familien. Wer nicht mitmachte, begann zu schweigen. 1938 musste jeder Arberger sich schriftlich zu seiner Religion bekennen. Juden wurden gebrandmarkt und gedemütigt. In keiner anderen Stadt gab es so viele Tote in der Reichsprogromnacht wie in Bremen. Und niemand kann sagen, dass er nichts wusste. Im Gegenteil: Viele machten mit. Auch Arberger waren dabei, als der jüdische Gebetsraum im nahen Sebaldsbrück zerstört und der jüdische Friedhof im benachbarten Hastedt verwüstet wurde. Das letzte jüdische Geschäft im Nachbardorf Hemelingen war bereits in arischen Besitz übergegangen, und in der Zeitung hieß es im nationalsozialistischen Hetzton: 'Dem Juden Alexander in der Hanstedter Straße sind ebenfalls seine Fenster gebührend behandelt worden. Die dreckige Juden-Synagoge in Sebaldsbrück war sehr schnell das Zentrum der Bevölkerung. Der Stall wurde erstmal ausgemistet, und die Betstühle auf den richtigen Platz, nämlich den Scheiterhaufen, verwiesen. ...

Regelmäßig schickte die Dorfgemeinschaft Post ins Feld. Am 19. November 1939 erreichte die Arberger Soldaten ein Brief, der von 13 Vereinen und Gruppierungen abgestempelt war, vom Gesangverein 'Frohsinn', der NSDAP-Jugendgruppe Mahndorf, dem Radfahrerverein 'Sport', der Volksschule Arbergen, der Kriegskameradschaft Arbergen und vielen anderen. 'Lieber Kamerad!', hieß es darin, 'Unsere jungen Kameraden und Kameradinnen haben Euch in ihrem beiliegenden Brief gewiss manches aus der Heimat erzählt. Ob sie alles erzählt haben, wissen wir nicht und wollen auch ihre Briefe nicht daraufhin nachprüfen. Wir sind überzeugt, dass Du Dich sicher darüber gefreut hast. Und das soll einmal wieder der Sinn unserer heutigen kleinen Sendung sein: Dich zu grüßen und Dir eine Freude zu machen.'

Wir wissen auch nicht, wie derartige Briefe auf Fritz und Opa Johann gewirkt haben. Heute kommen sie mir vor, als hätte ein Dorf Krieg gespielt, während seine Männer den Krieg führten. Für Opa Johann und Fritz war der Krieg längst eine existentielle Angelegenheit geworden. Sie wurden gemeinsam nach Russland verlegt und sollten dort mit Millionen Soldaten aus ganz Deutschland den Feldzug auf Stalingrad vorbereiten.

Auf dem Dachboden habe ich ein Heft gefunden, in dem mein Opa für seinen Kampf ausgezeichnet wurde. Die Nazis lobten den Mut der Soldaten beim Dnjepr-Übergang der 22. Division am 30. August 1941: 'Trotz stärkster feindlicher Gegenwehr gelang dieses überaus kühne Unternehmen dank der guten Vorbereitung und vor allem dank des Angriffsgeistes und der Einsatzbereitschaft der sieggewohnten Truppe. Dieser Flussübergang ist ein Ruhmesblatt der Geschichte der Division und gehört zu den größten Erfolgen der Kriegsgeschichte.' In den elftägigen Kämpfen nahmen die Deutschen 20 russische Offiziere und 7753 Soldaten gefangen, beschlagnahmten 15 Panzer, 7 Flugzeuge, 19 Geschütze, 53 schwere und 36 leichte Granatwerfer."

In einem am 28. Oktober 1941 an seine Gemahlin gerichteten Brief schreibt Fritz Böschen: "Meine liebe Herta, eigentlich sollte ich zufrieden sein. Ich habe Radio, Schokolade, Zigaretten und viel Ruhe und Zeit. Aber trotzdem will keine rechte Stimmung aufkommen. Ich will keine Zahlen schreiben, aber Russland hat uns etwas gekostet. Und stets waren es die Besten, die gefallen sind. Als ich vor einigen Tagen in meinem Loch lag, dachte ich auch, jetzt ist es aus. Treffer auf Treffer, haargenau neben meinem Loch, dann pfiffen die Gewehrkugeln, das der Sand staubte. Als am Abend des Tages der alte Chef der Kompanie zurückkam und mich ablöste, kam mir das wie eine Vorsehung vor. 'Du sollst noch einmal leben', sagte ich mir: Es ist ein unheimliches Gefühl."

"Die genauen Umstände seines [des Fritz] Todes sind unbekannt. Der letzte Eintrag in Fritz' Wehpass, der mit der Einstellungsuntersuchung am 1.11.1935 angelegt wurde und in dem vermerkt war, dass der Soldat mit einer Gasmaske, einem Stahlhelm der Größe 59 und einer Mütze der Größe 59 !/2 ausgestattet wurde, ist unter der vorgedruckten Rubrik 'Im Kriege: Verwundungen und ernstere Krankheiten' mit Füllfederhalter geschrieben: 'Gefallen bei Höhe 190, 15 km von Sewastopol (Krim). Am 17.12.1941. Unterzeichnet von Major und Bataillonsführer'.

Kurz zuvor hatte der 'Ruf der Heimat' die Soldaten im Feld darüber informiert, dass in Arbergen zum ersten Mal eine Feierstunde für die gefallenen Soldaten veranstaltet wurde: 'Liebe Kameraden!' hieß es dort. 'Ein schöner Wunsch Eurer Heimat, der sicherlich auch Euch selbst am Herzen liegt, ist am 9. November in Erfüllung gegangen. In einer wunderschönen, zu Herzen gehenden Feierstunde haben wir unserer gefallenen Helden gedacht. Front und Heimat waren zu dieser Feierstunde vereint.' Auf der letzten Seite der Zeitung war zu lesen: 'Allen von ihr betreuten Soldaten wünscht die Dorfgemeinschaft Arbergen ein frohes und gesundes Weihnachtsfest und ein glückliches Neujahr 1942 als Auftakt zum Jahr des Endsieges'."

Den nun konnte Fritz Böschen nicht mehr erleben - und Gott sei Dank die Adligen und all das auftrumpfende Pack auch nicht, welches Hitler auf den Schild gehoben hatte, um bei der Wahrnehmung der eigenen Interessen möglichst freie Bahn zu haben. Da haben dann wohl auch die Adligen so dumm aus der Wäsche geschaut, wie es der jetzt als Selbtverteidigungsminister agierende "Hoffnungsträger" - Hitler war ja auch ein solcher, das sollte nicht vergessen werden! - auf dem nachstehend erscheinenden Foto tut.


Generelles PS: Werte/r geneigte/r Leser/in: Sofern Ihnen Form und Inhalt dieses Eintrags zusagen, sollte dessen Weitergabe oder aber gleich des Blogs via Link*** an Ihren Freundes- und Bekanntenkreis eigentlich nichts im Wege stehen. Für den Fall, dass Sie auch über die Adressen offiziöser Stellen verfügen: Geben Sie das Material ruhig auch an die weiter. Damit vielleicht der/die eine oder andere der dort Tätigen sich besinnt und nicht mehr mitmacht bei dem hierzulande weiter und weiter veranstalteten Wahnsinnstreiben. So, dass die von Politikern gepflegte, nur dem Eigeninteresse verpflichtete Verfälschung der Wirklichkeit denn doch einmal ein Ende findet und die Demokratie eine Chance bekommt, mehr zu sein als bisher - eine nur nützliche Fiktion."

***Wie ein Link zu übernehmen ist, findet sich in Post 999 dargestellt, und zwar unter PS2.

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