Sonntag, 13. Februar 2011

1052 Heidi Klum: "In Amerika veralbert sie Kinder mit versteckter Kamera: Warum ist sie noch mal so erfolgreich - und so unerträglich?" Diese Frage stellt der Journalist Niklas Maak in seinem in der FAS vom vergangenen Sonntag (Nr. 05/11) veröffentlichten Beitrag.


In dem sich diese beiden jeweils in einen Kasten gestellten, bissigen Zwischenüberschriften finden: "Klums Sendung zeichnet sich durch eine ganz neue Mischung aus Rührseligkeit und Sadismus aus." "Das nette Lachen verschwindet, als sei das Notstromaggregat für den Betrieb der Mundwinkel ausgefallen."

Mit seiner Darstellung dessen, was das aus Bergisch Gladbach stammende Topmodel so in den USA treibt, gelingt dem genannten Journalisten eine Analyse und Beschreibung der psychotische Verhaltensweisen generierenden Verquickung von Kapitalinteressen einerseits und dem Individualinteresse andererseits, sich möglichst stromlinienförmig in die von diesen geschaffenen Windkanälen einzufügen. Es kann doch niemandem, der auch nur etwas genauer hinschaut, nicht verborgen bleiben, dass von den hochmögenden und vermögenden Damen und Herren in unseren Landen immer wieder ein Wind entfacht wird, der allüberall Verwüstungen schafft - sei es im Privatleben der Menschen, sei es in der Umwelt.

In diesem Zusammenhang hier nur erwähnt ein Datum, dessen der Blogger bei der Lektüre der Folgeausgabe der FAS (Nr. 06) gewahr geworden ist: Dass der ehemalige "Wirtschaftsweise" H.A. Rürup, der die Riester- und die Rürup-Rente ausgetüftelt hat, 2008 auf den Posten des Chefökonoms und Sonderberaters des Finanzvertriebs AWD hinübergewechselt ist. Wo er jetzt, zusammen mit dessen Chef Carsten Maschmeyer, die für Banken, Versicherungen und Regierungen in Sachen Alters- und Gesundheitsfürsorge tätig werdende Beratungsfirma MaschmeyerRürup betreibend, genau den Mann unterstützt, dessen Drückerkolonnen gerade in puncto Altersversorgung ganz, ganz vielen Bürgern dieses unseres Landes einen enormen Schaden zugefügt haben. Aber so sind sie halt, die Politiker und ihre Berater: sie suchen aus allem das für sie Beste für sich heraus - und lassen die Allgemeinheit unwahrscheinlich gerne im Regen stehen. Wie es der Kabarettist Erwin Pelzig in der ZDF-Erstübertragung von "Pelzig hält sich" in einige Zeit nach Abschluss dieses Eintrags auf den Punkt bringen sollte: Die Menschen hätten in Tunesien und Ägypten die alten, nur auf ihre Pfründe bedachten Säcke fortjagen können - hierzulande aber dürften wir sie wählen. Beispielsweise den Wulff - den "Weichspüler". In eben diesem Wählen-Können läge der Unterschied.

Aber zurück zu Heidi Klum - und dem, was bei ihrem Wirken an destruktiven Momenten oder Elementen in Erscheinung tritt - von dem genannten Journalisten in einem eingeschalteten, von Tucholsky entliehenen Resümee folgendermaßen auf den Punkt gebracht: "Diese beiden Charaktereigenschaften ... sind im Deutschen auf das subtilste ausgebildet: sklavisches Unterordnungsgefühl und sklavisches Herrschaftsgelüst. Er braucht Gewalten, denen er sich beugt ... und Gewalten, die er selbst zu erringen sucht, um andere zu ducken ... Nichts wird so respektiert wie der Erfolg."

Eben genau diese Charaktereigenschaften werden durch das System der Unterwerfung unter Kapitalinteressen den Menschen abverlangt und permanent und allerorten kultiviert: nicht von ungefähr macht das Buch "Die Mutter des Erfolgs" der chinesischstämmigen Amy Chua gegenwärtig in Amerika so viel Furore. In ihm wird minutiös dargelegt, dass nur unglaubliche Härte - beispielsweise das Verbot, bei einer Notdurft die Toilette aufzusuchen -, Drohungen und Terror dazu führen, dass aus Kindern erfolgreiche Menschen werden.
In eben diese Kerbe schlägt auch das in diesem Eintrag unter Bezugnahme auf den Beitrag "Das unterdrückte Lachen von Heidi Klum" angegriffene Topmodel: Bei all dem, was sie jungen und ganz jungen Menschen in ihre Shows zumutet, kommt eine Härte und Rücksichtslosigkeit zum Ausdruck, die auch kennzeichnend ist für das, was sich zu Zeiten des Dritten Reiches innerhalb und außerhalb der Grenzen Deutschlands abgespielt hat. Wobei die Strippenzieher es nur zu gerne sehen, wenn dessen ganze Misere mit der Person Hitlers verquickt und damit auf ihn reduziert wird: so kann man schön im Hintergrund bleiben und den Lauf der Dinge - insbesondere auch in den Medien - nach seinem Gusto bestimmen.

Seiner Betrachtung des "Klum'schen Kosmos" voran schickt Maak die Bemerkung, dass Amerika sich momentan über seine Einwanderer wundere. Da sei einmal " die chinesischstämmige Amy Chua mit ihrem Buch 'Die Mutter des Erfolgs', in dem sie den Amerikanern erklärt, dass Glück und Selbstbestimmung eine Fiktion des Westens seien und bei der Kindererziehung nur unglaubliche Härte, Drohungen und Terror helfen. Und dann die aus Bergisch Gladbach herübermigrierte Heidi Klum: Auch sie befasst sich mit Kindern, aber ganz anders; seit dem ersten Februar hat sie eine neue Fernsehsendung ...., die 'Seriously Funny Kids' heißt und mit phantastischen Quoten gestartet ist."

Zu der Sendung heißt es erläuternd: "In einem Einspieler sieht man ... Kinder in einem Restaurant, sie denken, dass sie Hühnchen bekommen, der Koch fragt, ob es schmeckt, die Kinder sagen ja, und dann verrät er ihnen, dass sie Froschschenkel essen. Im Prinzip funktioniert die Sendung wie 'Verstehen Sie Spaß', nur dass hier zur Abwechslung Kleinkinder die Opfer sind. Ein kleines Mädchen, wurde schon im Vorfeld der Sendung von dem Magazin 'People' berichtet, dem Heidi Klum zum Spaß sagte, sie sei immer 'die weltweit bestgekleidete Frau', bekam kurz danach einen Anruf; ein Journalist sagte dem Mädchen 'Wir setzen Heidi Klum übrigens auf das Cover als die am schlechtesten gekleidete Person der Welt. Du musst es ihr sagen'. Das kleine Mädchen bekam einen Nervenzusammenbruch."

Der Autor fährt fort: "Ja: Es gibt auch viele harmlose Gags hier, und natürlich ist es lustig, wie tapsig sich Kinder anstellen, wenn sie versuchen, die Welt zu begreifen; die Sendung zeichnet sich aber im Kern dann doch durch die entschlossene Mischung aus Rührseligkeit und Sadismus aus ... Wer wissen will, auf was für eine Welt die so vergackeierten und ihres Urvertrauens beraubten Kinder mit diesen Späßen vorbereitet werden, bekommt die Antwort im deutschen Fernsehen ab 3. März bei der nächsten Staffel der Sendung 'Germany's Next Topmodel', dem anderen Schreckensplaneten im Kosmos Klum, der vorführt, wie man etwas älteren Mädchen falsche Hoffnungen und dann aus ihnen emotionale Wracks macht."

Richtlinie für diese blöde Type namens Klum sind, wie sie immer wieder gerne wissen lässt, die "Wünsche des Kunden" in der Branche, für die die Models sich über den Catwalk bewegen sollen. Und diese Wünsche schließen - so jedenfalls ihre Interpretation, zu der sie sich nur allzu bereitwillig versteht - Posen und Verhaltensweisen der von ihr der Öffentlichkeit Präsentierten mit ein, die von einem normalen Menschen eigentlich nur als unzumutbar empfunden werden können. Zitat: "Die Mädchen müssen lernen, die Erwartungen 'des Kunden' zu erfüllen, sich unterzuordnen. Kaserne, Bordell und öffentliches Standgericht sind die Referenzsysteme dieser Show. Schnauze halten und tun, was der Gebieter verlangt. Dient dem Chef. 'Leute!', sagt Diederich Heßling in Heinrich Manns 'Untertan', 'da ihr meine Untergebenen seid, will ich euch nur sagen, dass hier künftig forsch gearbeitet wird.' 'Von nichts kommt nichts', sagt Klum. In ihrem Buch, das 2005 erschien, schreibt sie: 'Es klingt vielleicht krass, aber du musst dich in einen jemand verwandeln, um deine Haltbarkeit zu verlängern'."

Getreu ihrer Einsicht, dass sich's nur mit resp. durch Selbstverleugnung in dem bestehenden System weiterkommen lässt, kommt, folgt man der Darstellung Maaks, in ihrer Welt die Idee von Würde und Selbstbestimmung des (jungen) Menschen überhaupt nicht vor. Sie ist "das Amphitheater, durch das später die 0190-Omas und die Ruf-mich-an-Dominas aus dem Spätfernsehen knurren: Das Reich der Peitschen und der Unterwerfungskriege. An den Frauen wird so lange herumgeföhnt, bis vom 'Topmodel' nur die Anführungszeichen übrigbleiben; was da über den Laufsteg stakst, sind gebrochene Replikanten vom Planeten Klum."

In diesem Sinne heißt es bei Maak weiter: "Gerechtfertigt werden Klums Brutalitäten durch den Verweis auf das 'richtige Leben' von Topmodels, das halt hart sei und in dem man sich hocharbeiten müsse. Klum hat es nur geschafft durch eiserne Disziplin, deswegen müssen die da unten jetzt auch erst mal leiden: Das psychotische Verhältnis des Aufsteigers zu seinem hart erkämpften Erfolg prägt die Sendung. Befragt, warum die Kandidatinnen Kakerlaken auf ihrer Haut erdulden müssten, dies habe doch nichts mit dem Modelalltag zu tun, antwortet Klum in einem Interview: 'Es kann sein, dass diese Kritiker keine harten Erfahrungen in ihrer Model-Laufbahn gemacht haben. Ich habe andere Erlebnisse gehabt'."

Zusammengefasst: Es geht also darum, Beschädigungen a) hinnehmend auszuhalten und b) sie in möglichst tief verletzender Form dann an andere weiterzureichen. Wobei man gewissermaßen über allem thront und sich immer denn mal wieder auch gnädig zeigen kann. Zitat: "Es ist immer das Gleiche auf dem Planeten Klum: Der böse, strafende Gott hat sich noch einmal gütig gezeigt [wenn der Kandidatin trotz ihres "Versagens" der Erfolgsfaden in der Show nicht einfach abgeschnitten wird]; Eva darf im Paradies bleiben, aber in stetiger Angst um Vertreibung. Heide Klums Gnadenlosigkeit ist angesichts ihrer eigenen Unzulänglichkeiten ... erstaunlich und fast schon wieder lustig. ... Den Kandidatinnen tritt Klum in einem sagenhaft schnellen Wechsel als herzliche Freundin und als gnaden- und lippenlose Richterin entgegen; hätte sie eine Tiersendung, würde sie erst ein paar Minuten den süßen Hamster streicheln und dann probieren, was er so macht, wenn man ihn mit einer Nadel durch die Gitterstäbe sticht."

Nein, dieses Leben hinter Gitterstäben - welches unsereiner im Grunde nur die Freiheit des endlosen Konsums lassen soll - ist, auch nur etwas genauer besehen, eigentlich unerträglich. Dem guten Herrn Maak sei Dank dafür, dass er einmal anhand einer Show, die zu den Favoriten der hochmögenden und vermögenden Strippenziehern nicht nur in unseren Landen zählt, einmal vorgeführt zu haben, wie das System von Unterwerfung, Beschädigung und Rache für das ungelebte Leben funktioniert hat - gemeint ist hier vor allem das Dritte Reich -, und wie es weiterhin funktioniert.

Das Geldbeschaffungs-System, welches in diesem Blog immer wieder mit all seinen Varianten und Verästelungen attackiert wird, weil es ein gutes, der Bestimmung des Menschen zu einem Mehr an Erfüllung gerecht werdendes Leben nicht ermöglicht, dieses System wird auf allen nur denkbaren Ebenen mit allen Mitteln der "Kunst" kultiviert und perpetuiert - wie man hier beispielhaft hat sehen können: Anfangend im Kleinkindalter, reicht die permanente Verunsicherung des Individuums über die schulische Erziehung mit all den dort ins Werk gesetzten, nur gewünschte Leistungen abfordernden Reformen, bis hinein in den Arbeits- und Freizeitbereich. Verfluchte Kiste!

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