Donnerstag, 22. Juli 2010

790 "Train as you fight" - so lautet ein Kernslogan beim Heer. Weil die Realität aber ganz anders aussieht, stehen die Soldaten in Afghanistan auf verlorenem Posten. Ihre Situation findet sich in der jüngsten Ausgabe der FAS detailliert dargestellt, und zwar von dem Journalisten Marco Seliger.

Seiner Darstellung zufolge streitet des Verteidigungsministerium auch unter der Ägide von zu Guttenberg ab, dass es bei der Ausbildung und der Ausrüstung der Soldaten ganz gravierende Defizite und Engpässe gibt. Zitat: "Doch diese Ausbildung gibt es nicht. Deshalb schlagen Soldaten jetzt Alarm. Es handelt sich um einfache Dienstgrade, Mannschaftssoldaten, Feldwebel, junge Offiziere, Soldaten, die namentlich nicht genannt werden wollen, weil sie Ärger befürchten, wenn sie ohne Erlaubnis des Verteidigungsministeriums mit der Presse sprechen."

Die Gesprächspartner des Journalisten haben ihn wissen lassen, dass sie überhaupt nicht im Umgang mit den gepanzerten Fahrzeugen geschult sind, auf die sie mehr und mehr angewiesen sind. Wobei es aber schon bei der Anschaffung zu Engpässen kommt: Das Heer verfügt mit 1200 dieser Transporter gerade mal über ein Drittel der als Bedarf angemeldeten Stückzahl. Den nach Afghanistan entsandten Soldaten hilft es da überhaupt nicht, dass bis zum Jahre 2015 fünftausend Exemplare geordert wurden.

Zu diesem Ausrüstungsmaterial heißt es bei Seliger: "Kaum eine Patrouille im Einsatz, die nicht mit 'Fuchs', 'Dingo' und 'Eagle' ausgerüstet wäre. Die gepanzerten Fahrzeuge schützen die Insassen vor Sprengsätzen und Kugeln. Ihre spezielle Konstruktion erfordert erfahrene Kraftfahrer und eingespielte Besatzungen, die unter Beschuss schnell absitzen müssen, um das Feuer erwidern zu können. 'Das muss drillmäßig trainiert werden', sag ein Soldat. Doch
'Fuchs', 'Dingo' und 'Eagle' fahren bis auf wenige Ausnahmen nur in Afghanistan. In der Heimat muss sich die Truppe mit handelsüblichen Fahrzeugen wie dem Mercedes Vito und dem Unimog oder mit den kaum mehr am Hindukusch eingesetzten Geländewagen 'Wolf' und 'Mungo' behelfen."

Die Recherchen von Seliger haben ergeben, dass es in puncto Ausstattung und Ausbildung noch weitere gravierende Mängel gibt. So verfügt das Heer über keine Nachtsichtbrillen und Wärmebildgeräte. Darüber hinaus benötige der sogenannte Infanterist der Zukunft (IdZ) Handfeuerwaffen wie das Gewehr G36A2, welches über einen Granataufsatz verfügt, der es erlaubt, wirkungsvoll auf einen Gegner zu schießen, selbst wenn der sich hinter einer Mauer verschanzt hat. Ferner gebe es mit der Maschinenpistole MP7 eine Waffe, die als besonders handlich und feuerstark von den Infanteristen sehr geschätzt wird. Von all dem gebe es aber an dem fraglichen Standort so gut wie nichts.

"Keine Waffen, kein Schießtraining. Diesen Zustand kritisierte zwar schon der frühere Wehrbeauftragte Reinhold Röbbe (SPD) während seiner fünfjährigen Amtszeit. Doch damals wie heute stritt das Verteidigungsministerium alles ab....Dem Verteidigungsministerium zufolge sollen erst 'Anfang bis Mitte 2011' weitere IdZ beschafft werden. Aus diesem Grund kehren Infanteriekompanien aus Afghanistan nach Deutschland zurück, die Waffen und Material komplett an ihre Nachfolger im Einsatzgebiet übergeben mussten. Sie fragen sich, wie sie jetzt ihre Soldaten ausbilden sollen. 'Der Führung müssen diese Missstände bekannt sein', sagt ein Zugführer frustriert, 'wir melden sie regelmäßig'. Nahezu täglich berieten die Vorgesetzten seiner Einheit, was sie noch tun könnten, um auf die Missstände aufmerksam zu machen. Bislang hielten sie sich stets an den Dienstweg. Der verläuft in der Bundeswehr von unten nach oben: Die Kompanie meldet dem Bataillon, das Bataillon der Brigade, die Brigade der Division, die Division dem Führungskommando, das Führungskommando dem Ministerium. Doch Meldungen kommen im Ministerium nie so an, wie sie die Kompanie verlassen haben."

Verlassen vom Verteidigungsministerium sehen sich die Soldaten auch bei ihrer Schießausbildung. Einmal weisen die Schießbahnen, noch angelegt auf den Übungsbedarf des Kalten Krieges, nicht die erforderliche Kapazität auf; des Weiteren fehlt es einfach an dem benötigten Munitionsbestand. Auch hier heißt es von maßgeblicher Stelle wieder "die Versorgung mit Handwaffenmunition für den Einsatz und die vorbereitende Ausbildung [sind] sichergestellt."

Sichergestellt ist nur, dass der neue Verteidungsminister auf seinem Posten genauso versagt wie etwa auch sein Vorgänger Franz Josef Jung. Weil auch er dazu neigt, den Einflüsterungen der Generalität und anderer maßgeblicher Stellen im Heer Gehör zu schenken, die beinhalten, alles sei in bester Ordnung. Scheißspiel, kann ich da nur sagen: Die hohen Herren geruhen, sich als Retter der Demokratie auszugeben und der interessiert zuschauenden Weltöffentlichkeit zu signalisieren "Wir haben die Dinge im Griff" - tatsächlich aber läuft unter ihrer Ägide alles auf ein Desaster hinaus. Welches aus ihrer beschränkten Wahrnehmung heraus einfach nur schöngeredet werden muss.

Trefflich ergänzt resp. bestätigt finden sich die Aussagen von Marco Seliger in dem folgenden, am 24. in der HAZ gebrachten "Blickpunkt Bundeswehr" - hier nachträglich eingestellt. Als Unterschrift unter dem Foto zu lesen: "Ein Drama":




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