Zunächst resümiert sie: "Kompensatorische Maßnahmen für die eingefleischten Schul- und Sprachprobleme der Kinder aus Risikogruppen gibt es zuhauf und sie bringen offenbar nicht viel. Vorbeugende Maßnahmen für diese Kinder gibt es indes viel zu wenig, obwohl ihr Erfolg ganz gut erforscht ist." Dabei verweist sie darauf, dass die Intelligenzentwicklung massiv mit dem Spracherwerb einsetzt. Zitat: " 'Anders gesagt: Ein vierjähriges Kind ist sehr viel aufnahmefähiger als ein zwölfjähriges Kind'."
Ferner stellt sie fest, dass man das Thema Vorschulbildung andernorts schon lange entdeckt habe, und kommt dabei auf die Verhältnisse in England, Frankreich und den USA zu sprechen. Ihr besonderes Augenmerk widmet sie dabei der in den USA erstellten Perry Studie "der High/Scope Education Research Foundation in Michigan" zu, die seit Jahrzehnten die Effektivität von Vorschulerziehung registriert. Zitat: "Die Studie will herausfinden, ob hochwertige Vorschulerziehung kurz- und langfristige Vorzüge für Kinder hat, die in Armut leben und stets in Gefahr sind, in der Schule zu versagen". Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der in dieser Studie gewonnenen Erkenntnisse seien deren Ausgangspunkte und deren Resultate hier ausführlich vorgestellt.
"Seit den sechziger Jahren wurden 123 Probanden aus afroamerikanischen Familien, die in der Nachbarschaft der Perry Grundschule in Ypsilanti lebten und für das Projekt ausgesucht worden waren, regelmäßig auf bestimmte Fähigkeiten, Einstellungen, Charakteristika und Handlungsweisen getestet. Zwischen dem 3. und 22. Lebensjahr geschah das jährlich, dann mit 14 und 15 Jahren, mit 19 Jahrn und schließlich mit 27 Jahren. Die Vorschulkinder wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppe geteilt. Die einen erhielten ein hochqualitatives Vorschulprogramm mit aktiven Lerneinheiten, die anderen nahmen nicht an einem Vorschulprogramm teil.
Als die ehemaligen Vorschüler 27 Jahr alt waren, zeigte sich, dass sie häufiger höhere Monatseinkommen hatten als diejenigen, die keine Vorschulerziehung genossen hatten. 29 Prozent verdienten mehr als 2000 Dollar im Monat, während aus der benachbarten Kontrollgruppe das nur sieben Prozent gelang. Eine ähnliche Kluft tut sich auf bei Hausbesitz (36 zur 13 Prozent), bei Zweitwagenbesitz (30 zur 13 Prozent) oder beim Schulabschluss (71 zu 54 Prozent).
Im sozialen Bereich waren die Auswirkungen ebenso messbar. Nur 12 Prozent der Männer, die an dem Programm teilgenommen hatten, wurden mehr als fünf Mal festgenommen, verglichen mit 49 Prozent der Nichtteilnehmer. Nur sieben Prozent wurden je wegen Drogenhandels festgenommen, in der Vergleichsgruppe waren es ein Viertel. Bedeutend weniger Teilnehmer waren auch auf Sozialfürsorge angewiesen (59 Prozent) als bei den Nichtteilnehmern (86 Prozent). Selbst auf das Familienglück schlug die Vorschulerziehung noch durch: 40 Prozent der Frauen, die teilgenommen hatten, warten mit 27 verheiratet, aber nur acht Prozent der anderen Gruppe, auch die Rate der außerehelichen Geburten (57 zur 83 Prozent) war deutlich geringer."
Im Anschluss an diese Darstellung wirft die Autorin die Frage auf, was die entsprechenden Daten für die benachteiligten Kinder aus bildungsfernen Familien in den Risikostadtteilen von Berlin, Bremen oder Hamburg bedeuten. Dabei hält sie das in der Studie erzielte Resultat - nach ihren Worten erzielt als "kalte Kosten-Nutzen-Analyse" - zunächst in summarischer Form fest, konstatierend, dass die hohen Investitionen in die Kinder über zwei Vorschuljahre hinweg sich bestens ausgezahlt hätten. Zitat: "Weil sie weniger Sonderschulplätze brauchten, weil sie seltener im Knast landeten, seltener drogenabhängig waren, weil mehr von ihnen verheiratet waren und sie weniger Transferleistungen beanspruchten. Sie verdienten mehr Geld, zahlten also auch mehr Steuern. Die Teilnehmer am Projekt schufen so einen geradezu Heuschrecken verdächtigen Gewinn: 7,16 Dollar auf jeden investierten Dollar."
Demgegenüber stellt sich für die Autorin die Situation in Deutschland folgendermaßen dar: "Berlin allein gibt jährlich mehr als fünfzig Millionen Euro nur für Sprachförderung aus, doch nicht präventiv im Vorschulalter, sondern nur als Reparatur, wenn die Kinder sprachlich und bildungsmäßig bereits im Abseits stehen." Zusammengerechnet ergaben die Kosten für das Perry-Programm einen Betrag von 7252 Dollar pro Kind und Jahr. Dies insbesondere daraus resultierend, dass bei ihm der Personalschlüssel ein Lehrer für fünf Kinder gewählt wurde.
Die Autorin beschließt ihren recht interessante Perspektiven aufzeigenden Artikel mit den folgenden Worten: "Die Verantwortlichen müssen sich also fragen, ob sie in nachschulische 'Maßnahmen' weiterhin Milliarden versenken wollen, die die Schulabbrecher, die Versager und Unvermittelbaren trotzdem nicht vor der Hartz-IV Karriere schützen, oder ob sie sehr punktuell erstklassige Vorschule betreiben wollen und dabei auch noch gesellschaftlich wie ökonomisch Gewinn einfahren."
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