Mittwoch, 30. Juni 2010

771 Religion einmal ganz anders als üblicherweise verstanden, ausgehend von einer ganz banalen Geschichte - dem Erwerb eines besseren Kaffeebechers.

 
Augeblicklich verfüge ich über zwei verschiedene Kaffeebecher, aus denen sich's in der Sitzgruppe im Freien beim Bäcker trinken lässt. Bei dem habe ich ja wegen meiner im Netz publizierten Kritik an einer sehr kundenunfreundlichen Maßnahme Hausverbot - alles zu ersehen aus Post 750.

Der linke Becher wurde mir heute in der Frühe an besagtem Ort von einer Dame überreicht, die sich, wie sie sinngemäß bekundete, in ihrem ästhetischen Empfinden durch den bis dato von mir verwendeten, rechts erscheinenden Becher beeinträchtigt gesehen hatte. Sie sagte aus, dass sie ihn schon mehrere Tage mit sich herumgeschleppt habe, um ihn mir auszuhändigen: ihren Mann hätte sie nie mit einem solchen Ding losziehen lassen, wie ich es da in der Hand hielte. Welches übrigens genau das Fassungsvermögen meines Neuerwerbs, eines Tchibo-Handelsartikels, aufweist.

Selbst aus diesem auf den ersten Blick belanglos erscheinenden Begebnis glaube ich mittlerweile lesen zu können, "das, was Du benötigst oder Dir von Herzen wünschst, auch wenn es Dir so nicht bewusst ist, erhälst Du auch". Alles in dieser Richtung Liegende - von einer Pelletfeuerung über das Fahrrad, das Automobil, die Blogeinrichtung bei blogspot.com, ein äußerst stabiles Kaninchengehege, die gerade erst erworbene Rattan-Sitzgruppe, die immer wieder gerade unwahrscheinlich passenden Begegnungen, den "Zufallstreffer" in den Gelben Seiten mit seinem für mich besten Gesangslehrer, und, und und... - nach meinem Dafürhalten mehr oder weniger zu verstehen als Antwort auf mein jetzt regelmäßiges Hineingehen in den Raum der Stille. Und damit bin ich - wieder einmal - bei der Frage angelangt, wie sich Religiösität so verstehen lässt, dass aus ihr auch gute Früchte erwachsen können.

Auch wieder nicht von ungefähr finde ich dazu in der neuesten Ausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT über einem Bild mit Fußballspielern, die, ihre Hände faltend oder aber sie zum Himmel erhebend, bei der anstehenden Partie um Beistand von oben bitten, die Überschrift "Zu wem beten die da?" Im Subtitel heißt es: "Unser modernes Gottesbild ist naiv und unser religiöses Denken primitiv. Wir müssen lernen, dass Glauben nichts mit Lehrsätzen zu tun hat [so mein Reden seit eh und je - genauer: seit 2006, als ich mich aufgemacht habe, die Erkenntnisse aus nur einer einzigen meditativen Nachtsitzung in der Weltgeschichte zu verbreiten]."

In einem Zwischentitel wird die Autorin folgendermaßen vorgestellt: "Karen Armstrong beweist mit Werken wie 'Faith After September 11', dass Religionsphilosophie bestsellertauglich ist. Die britische Professorin, 65, schreibt über Weltreligionen, Fundamentalismus heute. Auf Deutsch erschienen zuletzt 'Eine kurze Geschichte des Mythos' und 'Die Achsenzeit' ".

Die Kernaussage in dem ganzseitigen Artikel findet sich, seiner Schlusspassage entnommen, in dem Subtitel wieder. Die lautet vollständig: "Wir gehen heute gern davon aus, das 'modern' zugleich 'überlegen' bedeutet, und das stimmt sicher auch im Bereich der Mathematik, der Naturwissenschaften, der Technik. Aber gilt das auch für die Religion? Hier darf Überlegenheit eigentlich keine Kategorie sein. Wir müssen wieder lernen, dass Glauben mit Vertrauen, nicht mit Lehrsätzen zu tun hat. Dann finden wir vielleicht wie der Buddha aus dem Mythos zu einer wachen Haltung, dem dem Göttlichen nahekommt: Als Buddha in Kontemplation unter einem Baum saß, kam ein Brahmane vorbei und staunte über so viel Gleichmut, Ruhe und Selbstdisziplin. Der Eindruck gewaltiger Stärke [vgl. den folgenden Eintrag von
Sonntag, 24. Mai 2009: 260 STÄRKE] ließ ihn an einen Elefantenbullen denken. 'Seid Ihr ein Gott, Herr?', fragte der Priester. 'Seid Ihr ein Engel oder ein Geist?' Nein, antwortete Buddha. Er habe nur beschlossen, in Frieden mit seinen Mitgeschöpfen zu leben. Es habe aber keinen Sinn, einfach an den Frieden zu glauben, man müsse ihn auch praktizieren. Nur so werde man zu einem erleuchteten Menschen. 'Bewahre mich im Gedächtnis', erklärte Buddha dem Priester, 'als jemand, der wach ist'."

Genau diese Wachheit ist es, die sich, wie in Eintrag
766 an einem ganz konkreten Beispiel ausgeführt, einstellt, wenn man denn dazu gefunden hat, immer wieder den Raum der Stille in sich aufzusuchen, dabei der "Gebrauchsanweisung" folgend, die in einem Taizé-Song geliefert wird: "Schweige und höre, neige Deines Herzens Ohr, suche den Frieden". Aus einer solchen geistigen oder auch geistlichen Ausrichtung erwächst nach meinen Erfahrungen ein Segen, wie er einem "Gläubigen" des traditionellen Genres einfach nicht zuteil werden kann. Einfach, weil der Zugang auf die Sphäre der Transzendenz ihr nicht adäquat ist.

Die englische Religionsphilosophin widmet diesem Aspekt einen breiten Raum. Etwa indem sie feststellt: "Einige weise Theologen bezeichneten Gott als ein 'Nichts', weil er nun mal kein Wesen sei. Ganz sicher durfte man aus ihrer Perspektive die heiligen Schriften nicht wörtlich nehmen. In den Augen dieser Theologen wäre der Umgang mancher moderner Christen mit der Bibel fast schon Götzenanbetung".

Mit den modernen Christen meint sie insbesondere die Kreationisten, die in den USA ihr Unwesen treiben. Zu dem Aspekt 'Glauben' heißt es in dem Artikel, im Endeffekt auf diese ausgeweitet: "Diese Verwissenschaftlichung wirkt auf fatale Weise bis heute nach: Indem sich die Bedeutung des Wortes 'Glauben' änderte, wurde eine gutgläubige Anerkennung von Dogmen zur Voraussetzung von Religion. Das ging so weit, dass wir religiöse Menschen heute 'Gläubige' nennen, als ob ihre wichtigste Tätigkeit darin bestünde, das religiöse Dogma glaubend anzunehmen. Diese rationalisierte Interpretation von Religion hat zu zwei modernen Phänomenen geführt: zu Fundamentalismus und Atheismus. Die offensive Frömmigkeit, die man allgemein Fundamentalismus nennt, brach sich in fast allen großen Religionen im Laufe des 20. Jahrhunderts Bahn. In ihrem Wunsch, einen durch und durch rationalen Glauben zu schaffen, deuteten christliche Fundamentalisten die Bibel so buchstabengetreu wie nie zuvor. In den Vereinigten Staaten erfanden sie eine Ideologie, den sogenannten Kreationismus, der die mythoi der Bibel als naturwissenschaftlich exakte Berichte begreift."

Karen Armstrong stellt in diesem Zusammenhang auch klar, dass es sich heute fatal auswirkt, in der Sphäre des Religiösen dem Logos eine solche Vorrangstellung einzuräumen und darüber die eine viel komplexere Realität erfassenden und dar- sowie überzeitliche Muster des Humanen vorstellenden Mythen vernachlässigt zu haben. Ihr diesbezügliches Resummee: "Der moderne Gott ist nur eine der der Theologien, die sich im Laufe der dreitausendjährigen Geschichte des Monotheismus entwickelten. Wir müssen dringend die Rechthaberei überwinden, die zurzeit in religiösen Debatten herrscht." Die "Verdienste" des Logos erscheinen bei ihr in einem z.T. etwas fragwürdigen Licht: "Logos ('Vernunft') war der pragmatische Denkmodus, mit dessen Hilfe die Menschen in der Welt wirken konnten. Er musste daher genau mit der äußeren Realität korrespondieren. Er wurde gebraucht, um effiziente Waffen herzustellen oder eine Expedition zu planen, die Gesellschaft zu organisieren und Wissen zu ordnen. Der Logos war auf die Zukunft orientiert, aber er hatte seine Grenzen: Nur durch Vernunft ließ sich weder menschliches Leid lindern noch ein Lebenssinn erkennen."

Am heutigen Abend - und auch dieses verdient es, als bezeichnend für das sich aus dem rechten Zugang auf die Transzendenz heraus Entwickelnde hervorgehoben zu werden - hat es sich ergeben, dass ich a) jemanden gefunden habe, der bereit war, mit mir die Gaststätte Voges in Lüdersen aufzusuchen, wo im Moment in einer Wirtsaktion das unwahrscheinlich schmackhafte Angus-Steak zum halben Preis angeboten wird, dass b) dieser Jemand ein noch recht junger Mann war, mit dem ich mich über all das, was mich seit einiger Zeit in religiöser Hinsicht umtreibt, ganz hervorragend unterhalten konnte, weil er den östlichen Weisheitslehren sehr aufgeschlossen gegenübersteht - dabei quasi überall nur Zustimmung zu meinen Ansichten erntend resp. zu allem auch weiterführende Aspekte aufnehmen könnend, und dass c) somit mein eigener religionsphilosophischer Ansatz auch von einem in der Materie mehr als ich Bewandertem seine Tragfähigkeit bescheinigt erhielt.



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