In dem etwa eine dreiviertel Seite einnehmenden Interview wird, wie in Eintrag 752 auch so dargestellt, die die Dinge verfälschende Sicht thematisiert, derzufolge der Papst die Schuld an ihnen dem Teufel zuweist. Zu dem vorstehend erscheinenden Missbrauchsopfer Denef heißt es ganz bezeichnend in ihm: "Vor Kurzem beim Ökumenischen Kirchentag waren die Opfer nicht geladen. Der Opfervertreter Norbert Denef musste sich Gehör verschaffen, indem er ein Podium stürmte." Dessen Geschichte möge man sich bitte genau durchlesen, um einen Eindruck davon zu bekommen, wieviel berechtigte Kritik in dem mitschwingt, was sich in folgenden Zeilen folgendermaßen liest: "Denn wer sich entschuldigt, fordert Vergebung, und wenn das Opfer nicht vergibt, dann betet der Papst für dessen Seelenheil, das es wieder vergeben kann. Was für eine Farce! 10 000 Priester ziehen sich in Rom Kostüme an, und einer behauptet, er spreche im Namen Gottes, und die anderen küssen sein Ring. Dieses Entschuldigungsgerede dient doch bloß der Verdrängung. Wem verziehen wird, der muss sich nicht ändern."
Bei dem Stichwort Kostüme drängt sich mir, wenn ich mir die ganze Angelegenheit so durch den Sinn gehen lassen, das Wort von den Wölfen im Schafspelz auf. Aber kommen wir zu den Feststellungen des eingangs genannten Supervisors. In einem zentral gestellten Statement heißt es: "Die patriarchalische Kirche wird da neurotisch, wo sie machtfixiert ist. Da soll sich der Christ nicht frei entwickeln, sondern uneinhaltbare Regeln befolgen."
Allein schon mit diesem Statement findet sich all das abqualifiziert, was die katholische Kirche - wohlgemerkt: der Therapeut ist als Protestant in einem katholischen Institut tätig - so unternimmt, um ihre Anhänger bei der Stange zu halten. Entlarvend auch das, was Deininger zu den Priestern sagt, mit denen er es bei seiner Tätigkeit immer wieder zu tun hat: "Oft habe ich Priester vor mir, die aus einer konservativen Familie kommen, wo es darum ging, etwas zu leisten, gehorsam zu sein. Das ist wie bei anderen Neurotikern auch, aber verstärkt sich im kirchlichen Kontext, wo es um Unterwerfung geht. Dort werden eigenen Bedürfnisse oft nur heimlich und schuldhaft und sündhaft erlebt. Das hat mit einem frohen Evangelium nun gar nichts zu tun."
Auf die Frage, wie sich solch falscher Autoritarimus überwinden ließe, antwortet der Psychotherapeut: "Indem man eingesteht, das gerade die katholische Kirche eine autoritäre Funktion hat. Da soll sich der mündige Christ eben nicht frei entwickeln, sondern vorbehaltlos glauben. Da nimmt die Mutter Kirche die gleiche Funktion wie eine autoritäre Mutter ein, die es nicht schafft, ihrem Kind Freiheiten zu lassen, aus Angst, selbst verlassen zu werden. Und man muss uneinhaltbare Regeln befolgen, wie wenn strenge Eltern sagten: Du darfst zwar in den Sandkasten, aber auf keinen Fall den weißes Kleid schmutzig machen."
Ehe er sich zum Zölibat auslässt, stellt Deininger in dem Interview Folgendes fest: "Ich hatte direkt danach [nach der Erstürmung des Podiums durch das Missbrauchsopfer Denef] ein Gespräch mit einem Geistlichen, der ernsthaft überlegte, ob er seinen Posten hinwirft. Er hielt die Verlogenheit einfach nicht mehr aus. Solange psychische Abwehrmechanismen wie Schweigen und Nichtwahrhabenwollen eine Institution lähmen, kann sie keinen echten Anteil am Schicksal der Opfer nehmen."
Zum Zölibat, welches sich Deiningers Ansicht zufolge in der fraglichen Angelegenheit als konstitutives Element auswirkt, heißt es: "Aus über zwanzig Jahren therapeutischer Arbeit mit katholischen Priestern weiß ich, dass viele Priester in Beziehungen leben und sich auch zu ihrer Sexualität bekennen. Je früher sie jemanden finden, desto weniger Schuldgefühle haben sie. Je länger verdrängt wird, desto schlimmer häufen sich Symptome an - nicht nur Zwänge und Depresssionen, sondern auch Körperstörungen, Schmerzen. Dass die Priester sich schuldig fühlen und sagen, an sich müsste man zölibatär leben, aber ich schaffe es nicht, das erlebe ich eher bei den Älteren. ... Jüngere haben eher Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Bei höheren Chargen, die es zum Domkapitular, zum Generalvikar oder gar zum Bischof schaffen, wächst natürlich der Druck, Sexualität zu verleugnen." Gegen Ende dieses Interviews heißt es dazu weiter: "Was sagen Sie Priestern, die darunter leiden, dass sie es nicht schaffen, zölibatär zu leben?" "Da nützt manchmal meine ganze 'Kunst' nichts, und ich muss als Seelsorger auf die recht kindliche Frage antworten: Ist Liebe denn Sünde? Dann sage ich: Ich glaube, dass Gott sich freut, wenn es Ihnen gut geht und Sie in der Lage sind, einen anderen Menschen zu lieben. So hat er uns geschaffen. - Das ist oft das Einzige, was hilft."Es möge niemand glauben, dass ich "einfach so von ungefähr" an das fragliche Interview geraten bin: Lesen konnte ich es, nachdem ich anlässlich einer ZEIT-Umfrage, mich nicht näher um die Modaliäten bei ihr kümmernd, fast blindlings in ein Abonnement hineingestolpert bin. Welches ich trotz eines solch tiefschürfenden Artikels allerdings prompt gekündigt habe: Nach den 5 zu liefernden Probeexemplaren wird dann die weitere Zustellung wohl ausgesetzt. Es möge auch niemand glauben, dass ich auch wieder "einfach so von ungefähr" auf das vorstehend erscheinende Motto gestoßen bin: Nachdem ich irgendeinen mir jetzt nicht mehr erinnerlichen Arbeitsgang an meinem Computer abgeschlossen hatte, stand das mit grüner Farbe hinterlegte Motiv plötzlich ganz klein irgendwo auf meinem Monitor. In der Annahme, ich würde es wohl irgendwo einmal verwenden können, habe ich es dann in einem etwas umständlicheren Verfahren für meinen Blog verwendungsfähig machen können.
Abschließend noch einmal auf den Punkt gebracht: Die katholische Kirche gefällt sich in der Rolle desjenigen, der für seine Umwelt von ihr uneinhaltbare Regeln aufstellt, um dann von den daraus erwachsenden Schuldgefühlen in der Weise zu profitieren, dass man sich auch noch als davon befreiendes Element ins Spiel zu bringen sucht. Ein elendes Spiel!
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