Sonntag, 16. November 2008
100.
Durchgehender Tenor in der Mehrzahl der bis dato verfassten Posts: Dass unsereiner sich pausenlos mit einem Zirkus konfrontiert sieht, in welchem ein unwahrscheinliches Aufhebens um Gestalten und Produkte veranstaltet wird, ohne dass dafür im Grunde der geringste Anlass besteht. Wie kommt der Schreiber, der die Bildzeile unter dem Tiger-Motiv verfasst hat, dazu, zu behaupten: "Alle wollen wissen, ob Tiger Woods wieder den Kopf frei hat - für sein Treiben auf dem Golfplatz"?Weder hat mich dieses Treiben je interessiert, noch habe ich auch nur einen Moment lang registriert, in welchen Skandal dieser Typ jetzt wohl wieder verwickelt war. Im Neusprech darf man da wohl sagen: "Du wirst's vielleicht kaum glauben - aber das geht mir ja alles sowas vom am Arsch vorbei!"
Ich mache mir jetzt gar nicht weiter die Mühe, näher zu analysieren, welche Zumutungen in dem von dem jetzt durch ein Versehen namentlich noch nicht einmal mehr zu bezeichnenden Journalisten verfassten Beitrag noch so alle stecken, was einem beiläufig noch so alles untergejubelt werden soll. Dafür nehme ich mir aber den Beitrag von Jürgen Zöllter über die in Begleitung erfolgende Testfahrt mit dem Bugatti Veyron 16.4., dem schnellsten Straßensportwagen der Welt, etwas eingehender vor. Obwohl es mich im Grunde ankotzt, mich mit solchem Blödsinn auseinandersetzen zu müssen.
Einleitend wird festgestellt, dass eben dieser schnellste Straßensportwagen bei dem Testfahrer Steve Jenny zur Schule geht und "nachsitzen" muss. Dies, nachdem er die Montagehalle im elsässischen Molsheim verlassen hat, "die alle 'das Atelier' nennen". Wegen heftiger Schneefälle "treibt er den Ausnahmesportwagen über öffentliche Straßen und die Landebahn eines Flughafens" in Südfrankreich - damit abweichend von der üblichen Route hinein in die Vogesen. "Erst wenn alle Prüfungen bestanden sind, gibt Steve den Wagen zur Auslieferung an seinen Besitzer frei."
Und dieser Besitzer muss schon ein Scheich sein, denn nur ein solcher Geldprotz kann sich eines der "hochkomplexen Systeme der mindestens 1,3 Millionen Euro schweren automobilen Einzelstücke" leisten. Welche mit ihren technischen Daten folgendermaßen vorgestellt werden: " Ihr von vier Turboladern beatmeter 8,0-Liter-Sechszehnzylinder-Mittelmotor leistet mehr als 3000 PS, von denen 1001 PS für den Vortrieb sorgen...Von null auf 200 km/h geht's in 7,3 Sekunden, und die überirdische Höchstgeschwindigkeit wird bei 407 km/h erreicht."
Dem so zustandekommenden Fahrgefühl gibt sich der den Testfahrer begleitende Journalist genüsslich hin: "Auf der Autobahn drängt der Bugatti mit der Nachhaltigkeit eines Formel-I-Boliden nach vorn. Die Wucht seines Auftritts lässt uns mit den Sitzen verschmelzen.... Einige Beschleunigungsorgien sind noch nötig, um das Zusammenspiel des adaptiven Fahrwerks mit dem Aerodynamik-Management abzufragen: Senkt die Karosserie von 125 auf 80 Millimeter Bodenfreiheit im normalen Fahrmodus oberhalb von 220 km/h ab, um die Fahrstabilität zu sichern? Stehen im Handlingmodus Spoiler und Flügel am Heck über 225 km/h steiler, um den Abtrieb bis 375 km/h nochmals zu erhöhen? ... Schließlich wechselt Steve in die Königsdisziplin des Supersportwagens und simuliert die Beschleunigung auf 'Topspeed'. Dazu steckt er einen zweiten Schlüssel links vom Fahrersitz ein. ... Erst wenn das Procedere bis hin zur Reifendruck-Prüfung erfolgreich abgeschlossen ist, signalisiert der Veyron Bereitschaft, senkt die Karosserie vorn auf 65 Millimeter und hinten auf 70 Millimeter überm Asphalt ab, schließt Diffusorklappen vorn und stellt den Heckflügel flach. Steve gibt Gas, löst die Bremse. Unter kraftvollem Bollern aus dem Heck nimmt der Bugatti unfassbar schnell Fahrt auf. So schnell, dass der Magen wegsackt und man die Luft anhält, um bei Besinnung zu bleiben. Nach 2,5 Sekunden sind 100 km/h erreicht, nach 16,7 Sekunden bereits 300 km/h."
Besonders schön das abschließende Statement des Begleitfahrers: "Schwer nachvollziehbar, dass ein Drittel aller Bugatti Veyron nach dieser Ausfahrt für immer erkalten. Sie parken nach Auslieferung an den Kunden zeitlebens im Museum."
Wenn dem aber so ist, dann fragt es sich doch, wieso man, sich gedanklich mit diesem ganzen Zahlenquatsch befassend, sich durch einen solchen Zinnober überhaupt aufgehalten erleben muss. Anstatt hierauf eine explizite Antwort zu geben, möchte ich an dieser Stelle nur auf die Unzahl von Beiträgen verweisen, in denen dieses Züchten eines falschen Verständnisses thematisiert wird.
Und damit bin ich - passend zu diesem Ostertag - bei der Züchtung eines nicht nur nach meinem Dafürhalten falschen Verständnisses des Wollens Christi in dieser Welt, bei dem Zirkus, der von den Kirchen als den Dompteuren in den verschiedenen Manegen auf diesem Globus um dessen historischen Auftritt in der Geschichte veranstaltet wird. Man lese dazu zunächst den folgenden Artikel.
In dem Beitrag wird ein Hymnus der Osternacht zitiert, der folgendermaßen lautet: " 'Dies ist die Nacht, die auf der ganzen Erde alle, die an Christus glauben, scheidet von den Lastern der Welt.' Schön wäre es." Betrachtet man das Gebaren der Kirche(n) in der Historie wie in der Gegenwart, dann fällt vor allem deren triumphaler Habitus oder Gestus auf, bei dem "die triumphierendste Liturgie, welche die Kirche kennt" in der Osternacht "Worte von Befreiung, von Auferstehung, von Erlösung" in den Raum stellt. Wo sie von den meisten irgendwie Gläubigen dann auch dankbar ergriffen werden in der Annahme, dass man ja eigentlich nichts falsch machen könne, wenn man sich a) mit einer solch starken Position identifiziert und b) dabei halt auch einer sich als mehrheitlich gefasst darstellenden Meinung folgt.
In Eintrag 231 habe ich, nachdem der in meinen Augen heilige Abbé Pierre - über Jahrzehnte hinweg für die Franzosen vor allem wegen seines Engagements für die Entrechteten der beliebteste Landsmann - das Allermeiste aus dem Lehrkanon der Kirchen in Abrede gestellt hat, auch den Regisseur Paul Verhoeven als Kronzeugen für meine Sicht der Dinge benennen können. Der hat, ebenfalls über Jahrzehnte hinweg, intensivste Bibelstudien betrieben, dabei dann zu einem Ergebnis kommend, welches sich folgendermaßen fassen lässt: Gesetzt den Fall, Jesus käme erneut auf die Welt - er würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen ob der Deformationen, mit welchen der Apostel Paulus sein Wollen und sein Wirken verunstaltet hat.Aber da ist er halt wieder: Der Star, um den ordentlich Aufhebens gemacht werden kann, über den man sich im Bewusstsein der Masse gut präsent machen und den man für seine eigenen Zwecke vereinnahmen kann! Die Crux ist nur, dass von dem, was der verzapft hat, so gut wie nichts in der immer wieder beschworenen Weise verfangen und die Menschen kaum je zur Besserung in irgendeinem Punkt bewegt hat. Wofür nicht zuletzt auch der Umstand spricht, dass der "Glauben" erst mit allerlei Versatzstücken - beispielsweise dem Osterhasen und den Ostereiern - angereichert werden musste, um überhaupt eine Rezeptionschance zu erhalten.
Dafür spricht auch die Unzahl von Missbrauchsfällen sowie alle anderen Fehltritte, die sich die Vertreter der Kirchen im Laufe der Historie geleistet haben. Im Endeffekt legen sie doch ganz eindeutig Zeugnis dafür ab, dass bei denen, die auf kirchlichem Terrain agieren, alles andere zum Tragen und zum Zuge gekommen ist - nur eben nicht eine höherwertige Moral. Das, was die Bischöfe, das, was der Papst in der jetzt ruchbar gewordenen Missbrauchsgeschichte abliefern: Es ist doch einfach erbärmlich! Von diesen Elendsfiguren möge doch keine glauben, dass sich unsereiner - und alle, die sich wenigstens ein bisschen kritischen Geist bewahrt haben -, dass wir also bereit sind, ihnen auch nur noch ein Fitzelchen von Autorität zuzugestehen.
In diesem Reigen von Elendsgestalten eine der wenigen rühmlichen Ausnahmen: Der jetzt pensionierte Geistliche Klaus Fuchs, zuletzt Dompfarrer zu Hildesheim und jetzt Ehrendomkapitular dortselbst. Der in der samstäglichen Ostermette in der Ronnenberger Thomas-Morus-Kirche - wo er immer denn mal wieder als Feuerwehrkraft einspringt - darüber predigte, in welch hohem Maße gerade der Mensch der Moderne den Sinn dafür verloren hat, wie sich denn das Leben sinnvoll gestalten lässt. Und darüber, dass es gerade in einer Situation äußerster Niedergeschlagenheit und völliger Ausweglosigkeit Gott gefällt, dem Individuum beizuspringen - ihm so eine Auferstehung ermöglichend, wie sie halt auch Jesus hat erleben dürfen.
Mit dieser Verlagerung des Akzents weg von der Schuld und der Sühne einer ja eigentlich gar nicht nachzuvollziehenden Erbschuld - so übrigens auch der bereits erwähnte Abbé Pierre -, hin zu dem, was das Dasein des Individuums in der ganz konkreten Situation betrifft, traf der Domkapitular als eine der ganz, ganz wenigen Ausnahmeverkündiger den Punkt, um den es eigentlich bei der Botschaft Jesu zentral gegangen ist und weiter gehen müsste: Das Gehalten- oder Aufgefangenwerden durch die unendlich geduldige Hand des Vaters - bis hin zu dem Punkt, an dem so etwas wie eine Auferstehung in Christus erfolgt. Von dem ab es dann für das Individuum - so jedenfalls ist meine Erfahrung - wirklich nur noch aufwärts geht ("Rückschläge" dabei dann auch einem höheren Plan unterliegend). So, dass sich für das Individuum nach und nach so etwas wie das Himmelreich auf Erden herausschält. Welches halt auch schon hinieden als eine Veranstaltung des Heiligen Geistes zu betrachten wäre.
Die Verkündigung geht aber permanent von dem Konstrukt der Erbschuld aus. Ferner verstehen sich die Kirchen ganz hervorragend darauf, sich mit dem Befreiungsgedanken wirkungsvoll in Szene zu setzen. Man hat in ihnen eine Übereinkunft dahingehend getroffen, die Verquickung von Erbsünde und Befreiung von ihr als Hauptaspekt in den Mittelpunkt der kirchlichen Heilslehre zu rücken - dergestalt, dass kaum je einer es wagt, von dieser Konvention abzuweichen. Bei der weit überwiegenden Anzahl der Auftritte von Geistlichen kommt immer wieder nur dieses hauptsächlich von Paulus in die Welt hineingetragene gedankliche Konstrukt zum Tragen - einfach, weil man so gut wie nie etwas anderes gehört hat und nicht gegen den Mainstream anzuschwimmen sich traut.
Statt die Überwindung des Satan zu feiern, sollten die Kirchen sich auch zu ihrem eigenen Nutz und Frommen mehr darauf konzentrieren, Abhilfe zu schaffen bei den Übelständen in der Gesellschaft und in ihren eigenen Reihen, die dazu angetan sind, erstens ein Bewusstsein der Sinnlosigkeit bei allem Tun und Treiben zu züchten, zweitens zu einer immer weiter gehenden Verrohung der Gesellschaft zu führen, und drittens, so letztlich Leben zu vernichten. Solange sie es vorziehen, sich und andere aufzuhalten bei und mit einem Opferritus und dem triumphalen Gestus, zu welchen Präsentationsformen immer weniger Menschen - Gott sei Dank - einen Zugang finden, solange wird man in diesem Erdenlabor wenig Grund zu Lachen finden. Damit auf das Eingangszitat zurückkommend, möchte ich, ohne weiteren Kommentar, auf das nachstehende Schlusszitat verweisen: "sündhaft teuer, sündhaft schön".Mit 140 000 Euro ebenfalls noch "sündhaft teuer" ist der Aaglander, der, gebaut in der Fränkischen Schweiz, an Privatkunden in England, den USA und den arabischen Emiraten verkauft und in Deutschland hauptsächlich von Firmen und Gruppen gemietet wird, die damit Events veranstalten wollen. Hier hauptsächlich noch deshalb gebracht, um aufzuzeigen, auf welche kontrapunktisch angelegten Ideen alle die Leutchen verfallen, um an das Geld ihrer Mitmenschen zu gelangen.
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