Wer Ohren hat zu hören, der höre - und lausche dem tiefen Generalton, welcher in der ganzen Geschichte mitschwingt! Es ist viel geschrieben und mündlich kommentiert worden, wie die Verfehlungen in Sachen Verletzung von Menschenwürde an insbesondere von katholischem "Geist" geprägten Einrichtungen ausgesehen haben - ohne dass dabei aber das Grundmuster in Erscheinung getreten wäre, nach dem all die Fälle gestrickt sind. Hier will ich zunächst nur kurz die wichtigsten Punkte des von dem Journalisten Heinrich Thies in der HAZ verfassten Artikels "Die Schmerzenschreie...." - s. unten - referieren, um dann zu der Angelegenheit einige Überlegungen in dem vorbezeichneten Sinne anzustellen.
Also: "Angstfrei lernen. Mit diesem hehren Grundsatz gewann die Odenwaldschule im südhessischen Heppenheim höchstes Rennommee. Schüler und Lehrer sollten wie in einer guten Familie miteinander leben - 'unbefangen miteinander umgehen, voneinander lernen', wie es in der Schulordnung heißt. Ohne Leistungsdruck. Befreit von festen Unterrichtsstunden." So beginnt der Autor seine Darstellung. Um dann auf die Serie schlimmer Misshandlungen und Demütigungen zu sprechen zu kommen, zu denen es dort bis weit in die neunziger Jahre gekommen ist. Von denen sich eine so darstellt: "Auch das Versengen und Verbrühen von Genitalien soll zu den schulinternen Quälereien gehört haben. Vier Schüler, heißt es, hätten an den Folgen der Misshandlungen derart gelitten, dass sie später Selbstmord begingen."
Aber es ging auch "harmloser" bei den Attacken auf die körperliche und psychische Unversehrtheit zu - wobei die Schüler selber entsprechend untereinander in Aktion traten. Berichtet wird etwa von einem Vorfall, bei welchem "ein gefesselter Schüler ... mit einer Banane vergewaltigt wurde und der verantwortliche Lehrer untätig daneben stand."
"Gewalt, sexuelle Übergriffe, Drohungen, Demütigungen, Mobbing": die Liste, die an der Odenwaldschule in diesem Sinne geschrieben wurde, ist lang. Und steht in einem eklatanten Widerspruch zu dem Bild, welches man sich in der Öffentlichkeit von dieser Institution zu machen pflegte. "Lange Zeit sahen Erziehungswissenschaftler in Reformschulen wie jenem Internat im Odenwald positive Gegenmodelle zu den öffentlichen Schulen mit ihren großen Klassen und dem Zensurendruck. Besonders das fehlende Vertrauen zwischen Lehrern und Schülern wurden von Experten beklagt."
Nun ist es aber gerade dieses Vertrauen, welches von den an diesem Internat tätigen Personen in ganz massiver Weise bei eben all diesen Missbrauchsfällen missbraucht worden ist - wie der nebenstehende, nachträglich eingebrachte FAS-Artikel erhellt, soll es mehr als die Hälfte des männlichen Lehrpersonals gewesen sein, die sich an den Kindern vergangen hat. Dazu eine Zwischenbemerkung aus der BILD vom 8.d.Mts. die irgendwie in unser Haus gelangt ist: " 'Die Spätschäden der Opfer sind katastrophal, viele sind nicht in der Lage, ein soziales Leben zu führen, sind selbstzerstörerisch. Ein Fall: Ein Schüler, der von Ex-Direktor Gerold Becker anal missbraucht wurde, hat sich später prostituiert und ist an Aids gestorben'."
Mit solchen immer mit Gewalt verbundenen Übergriffen reiht sich die Odenwaldschule ein in den Reigen entsprechend agierender Institutionen und Personen, heißen sie nun
- Canisius-Kolleg - ein Berliner Jesuitengymnasium, an welchem die ersten Enthüllungen in dem Missbrauchsskandal stattfanden,
- Mixa, der, folgt man Thies, immer wieder brutal verprügelt haben soll und jetzt behauptet, die sogenannte sexuelle Revolution sei schuld an den fraglichen Vergehen - dabei verkennend, dass es gerade die spießige Sexualmoral der davorliegenden Jahre gewesen ist, die zu ihen geführt hat,
- Kloster Ettal, oder
- Domspatzen-Internat (Regensburg), wozu es in dem HAZ-Artikel heißt: "In einem Grundschulinternat sollen Chormitglieder massiver Gewalt ausgesetzt gewesen sein."
Lässt man die entsprechenden Vorgänge Revue passieren - und die sind höchstwahrscheinlich auch nur die Spitze eines Eisbergs -, dann wird einem deutlich, dass unterm Strich gesehen eine äußerst miese Bilanz herauskommt für all diese Einrichtungen und Figuren, die eben auch dem pädagogisch-didaktischen Bemühen gewissermaßen die Krone aufzusetzen vorgaben und sich entsprechend elitär gebärdeten.
Eine dieser Gestalten: Hartmut von Hentig - dessen Name mir aus Studienzeiten noch in den Ohren klingt und dem unter Pädagogen gewissermaßen die Papstrolle in Sachen Didaktik zugeschrieben wurde. Der hat seinem Sexualpartner Gerold Becker die Stange - nein, nicht d i e Stange - zu halten gesucht und ihn dahingehend verteidigt, dass an all den Vorwürfen doch gar nichts dran sei, sie somit für gegenstandslos erklärend und versuchend, den ja berechtigten Angriffen auf seinen Kompagnon oder Mitschwuli die Spitze zu nehmen. Da muss man sich dann doch fragen, wie es dazu kommen kann, dass ein angeblich so kluger Kopf sich in so ausweglose Argumentationen hinein verrennen kann, wie er es zu tun beliebte.
Bei mir verfestigt sich mehr und mehr der Eindruck, dass gerade bei den Einrichtungen und den in ihren tätigen Figuren, die sich als irgendwie ganz besonders begreifen, die ganz, ganz große Gefahr besteht, abzudriften und den Bezug zu einem als normal zu verstehenden Umgang miteinander zu verlieren. Ja, ich gehe sogar soweit zu sagen, dass es besser für die Zeitgenossen wäre, sie würden alle mit dem ganz großen Anspruch daherkommenden Gestalten von vornherein mit dem Generalverdacht belegen, dass hinter dem, was die so treiben, Antriebe stehen, die das Zeug haben, in höchstem Maße gemeinschaftsschädlich zu sein, als sie zu hofieren und ihnen nach dem Munde zu reden. Sollte sich ein solcher Verdacht konkret einmal als nicht zutreffend erweisen, wären die Folgen allemal nicht so schrecklich wie die, die sich aus der schlichten Vermutung der Harmlosigkeit und der bewunderungswerten Größe ergeben.
|
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen