Gestern mit einem lieben Verwandten, der sich als ehemaliger Lehrer insbesondere in geschichtlichen Dingen hervorragend auskennt, beim gemeinsamen Wettern gegen die Umtriebe speziell in der katholischen Kirche auf den Zölibat zu sprechen gekommen. Dabei dann erfahren, dass die Ehelosigkeitsverpflichtung der Priester - so, wie sie sich heute darstellt - sich in allererster Linie der Besorgnis der Kirchenführung verdankt, dass ihr Güterbesitz sich durch die Weitergabe beispielsweise der einem Bischof zugeordneten Liegenschaften an seine Erben nach und nach schmälern würde. Eine gewiss berechtigte Befürchtung, aber in gar keinem Falle in einem angemessenen Verhältnis stehend zu all dem seelischen Leid, welches mit ihr einhergegangen ist und weiter einhergehen soll.
Ich sehe es als für unsere Verhältnisse bezeichnend an, dass dieses Datum, sprich: die materielle Fundierung und Ausrichtung einer vorgeblich spirituell ausgerichteten Praxis, etwa bei Wikipedia fast total untergeht, weil dieser Kernpunkt der ganzen Angelegenheit dort nur in Form einer Randnotiz erscheint, eingeleitet durch ein "aber auch": "Im Jahre 1022 ordnete Papst Benedikt VIII. auf der Synode zu Pavia gemeinsam mit Kaiser Heinrich II. an, dass alle Geistlichen künftig nicht mehr heiraten durften. Da es für Priester üblich wurde, die Heilige Messe täglich zu zelebrieren, spielte dabei vor allem die kultische Reinheit eine Rolle, aber auch die Tatsache, dass sonst Kirchenbesitz an die Kinder der Geistlichen vererbt worden wäre. Verstöße gegen den Zölibat wurden mit Kirchenstrafen belegt, und bereits verheirateten Geistlichen wurden Amt und Besitz entzogen."
Wie immer, wenn es eine Vorteile gewährende Position zu verteidigen gilt, werden die tollsten Argumente ersonnen und ins Feld geführt, die dann bei den sie Wahrnehmenden eine Reaktion der ohnmächtigen oder willfährigen Akzeptanz auslösen. Die wurde während meiner anfänglichen Ausbildungszeit von einem meiner Fachleiter folgendermaßen angesprochen - allerdings in ganz anderem Zusammenhang: "Der Begriff wird gehört - da gehen überall die Klappen los und da wackeln die Köppe." Himmel und Erde wurden und werden von den Kirchenfürsten in Bewegung gesetzt, um nur ja an dem fraglichen - richtiger: diesem äußerst fragwürdigen - Konstrukt festhalten zu können. Es ist schier unglaublich, was man an Argumenten pro von überall her zusammengetragen hat, um diese Position nicht aufgeben zu müssen. Wobei ich es als einigermaßen kritisch eingestellter Christ außerordentlich bedauere, dass sich nicht schon längst auf ganz breiter Linie eine Verweigerungshaltung eingestellt hat.
Wie der FAS-Artikel "Erinnerung an den Zölibat" belegt, finden sich auch unter den Zeitgenossen, die selbst nicht Geistliche sind, immer wieder Apologeten, die diese lebensgestalterische Zwangsform verteidigen. So den Schreiber Hans Conrad Zander, der sich bemüßigt sieht, die nun wirklich fast einmalige Liebesgeschichte zwischen der Clara und dem heiligen Franziskus so zu präsentieren, als ob sie Richtschnur für viele werden könnte. Sein die betreffende Szene geradezu verklärender Abschlusskommentar: "Und es wird Frauen geben, die merken, was sie mit dem Zölibat verloren haben: die Begegnung mit einem ganz anderen, mit einem intelligenten, von Gottesliebe und Poesie erfüllten Mann." Ich wage es zu bezweifeln, dass es die "abertausend Liebesgeschichten" gibt, die von dem Autor bei seinem verklärenden Ansatz ins Feld geführt werden.
Hier wie anderswo wurden und werden die hehrsten Begriffe pro Zölibat ins Feld geführt - in dem Bestreben, bei den Hörern und Lesern den Reflex auszulösen, "daran gibt es ja wohl nichts mehr zu deuteln: das ist einfach so und muss auch so bleiben" -, ohne dass der dabei entwickelte Argumentationszusammenhang wirklich nachvollziehbar und überzeugend wirken könnte. Roma locuta: Schluss, aus, vorbei - Ende der Debatte. Meine Holde, die in ihren Jugendtagen insbesondere geprägt wurde durch einen einfach und äußerst glaubwürdig daherkommenden Pfarrer und wohl speziell auch aus diesem Erleben heraus eine unwahrscheinlich christlich-moralische Einstellung mit sich bringt, sah sich dabei gehalten, dem folgenden Argument contra Zölibat zuzustimmen: Dass es den Kirchenoberen neben den rein wirtschaftlichen Interessen darum ginge, die Priester in dem Stand einer völligen Abhängigkeit und Gefügigkeit zu halten, nachdem diese sich - wider ihre natürlichen Bedürfnisse - bei dem Verpflichtetwerden auf den Zölibat schon einmal ganz massiv verbiegen mussten. Wobei sie dieses Statement dahingehend ergänzte, dass solchen Priestern außerdem mit einem weiblichen Partner das immer erforderliche Korrektiv fehle, vor allem aber dessen solidarisches Geleit, welches es ihnen erlauben würde, sich mehr gegen die von der Amtskirche an sie herangetragenen Forderungen zu behaupten.
Ihr gemeinen Kirchenfürsten, die Ihr das gemeine Kirchenvolk (gemein hier in einem ganz anderen Sinne verstanden!) mit all Eurer Energie hinters Licht zu führen Euch bemüht: Zumindest in diesem Blog erhaltet Ihr energisch Gegenrede. Bei der auch zu sehen ist, dass die meisten "Gläubigen" - allein schon dieses Wort, welches doch nur das Nachbeten von irgendwelchen vorgeformten Losungen und Dogmen und das fraglose Hinnehmen und Runterschlucken von Vorgekautem meint! -, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zumindest unterschwellig ein gewaltiges Unbehagen mit sich herumtragen und im Grunde nicht gewillt sind, Missstände wie etwa die Pädophilie einer ist, der sich aus dem fragwürdigen Zwangskonstrukt ergibt, weiter in Kauf zu nehmen.
Und diese Radiomeldung - mir so von meiner mir kostenpflichtig angetrauten Ehehälfte berichtet: Da habe ein Priester in Österreich gegenüber seinen Vorgesetzten erklärt, eine Frau gefunden zu haben, die zu heiraten für ihn Priorität habe. Daraufhin habe er den Kirchendienst aufgeben müssen..................... jetzt der Hammer: dabei gewärtigend, dass kurz nach seinem Ausscheiden ein Priester, der in einem anderen Lande eine Ehe hatte eingehen können, als Seelsorger in seiner Gemeinde bestallt wurde.
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