Dienstag, 29. Dezember 2009

523 "Leben an der Zeitenwende"/12: "Danke, wir verzichten" - Zum Start ins neue Jahrzehnt Gedanken von FAS-Journalisten über Wohl und Wehe............











.....in den gesellschaftlichen Verhältnissen. Die Texte "Wachstum" und "Geld" stellen dabei gewissermaßen eine zweite Präambel zu den folgenden 30 Beiträgen dar, bei denen die Journalisten in dem Feuilletonteil der letzten FAS sich aus der Masse der zu berücksichtigenden Aspekte jeweils ein bis drei ganz signifikante Stichworte herausgegriffen haben, an denen sie ihre Überlegungen festmachen, wo und wie sich überkommene Vorstellungen ausräumen lassen, wie die Dinge zurückzufahren und ins rechte Maß zu bringen sind. Da er die Kernpunkte der ganzen Angelegenheit besonders deutlich herausarbeitet, sei hier vor allem die Lektüre des Textes I. empfohlen.

3. Lounge - 4. Kühlschrank - 5. Andy Warhol - 6. Internet - 7. Hirnforschung - 8. Rindfleisch - 9. Mittelklasse - 10. FDP - 11. Die Schweiz - 12. Geschäftsreisen - 13. Documenta - 14. Säulen und Stuck - 15. Daniel Brühl 16. Fensterwände 17. Erinnerung - 18. Der Soli 19. Milch - 20. Homophobie - 21. Haustiere - 22. SPD - 23. Metaphern - 24. Nostalgie - 25. Abiturtreffen - 26. Straßenmusik - 27. Nachhaltigkeit - 28. Fernsehen - 29. Beichte - 30. Kochen - 31. Preise - 32. Helgoland.

Es soll nun hier nicht ausführlich referiert werden, zu welchen Einsichten die Autoren bei ihren Überlegungen gelangt sind, sondern nur anhand einiger im Stile von Readers Digest ausgewählter - und zum Teil kommentierter - Zitate aufgezeigt werden, wie sehr sowohl der normale Zeitgenosse wie auch der Akteur auf der politischen Bühne Fehleinschätzungen unterliegen. Wobei ein Mechanismus zum Tragen kommt, der, hauptsächlich über die Stellgrößen Beeindrucktwerden und Beeindruckenwollen funktionierend, a) autonome Ansichten und Entscheidungen gar nicht erst zustandekommen lässt, b) der Vernunft so wenig Raum gibt, dass es permanent eines grünen Männchens im Ohr als Souffleur bedürfte, um die schreiende Unsinnigkeit der meisten für den Alltagsgebrauch übernommenen Losungen zu übertönen, und der c) somit ein weitaus gefährlicheres Zerstörungspotential in sich birgt, als es eine ganze Armada von Schläfern von Al Qaida mit sich tragen könnte.

Der Normalo wie der Politstratege - einer dieser unseligen Gestalten werde ich mich in einem Folgeeintrag zuwenden - ist von Kindheit an irgendwie schief gewickelt: er ist einfach außerstande, die Dinge anders wahrzunehmen, als es ihm sein Überlegenheitsstreben, seine Geltungs- und Geldsucht diktieren. Er will, trotz zum Teil großen inneren Unbehagens, nicht von Praktiken lassen, die ihm aufgrund einiger Fehlschaltungen in seinem Verstandes- und Gefühlsapparat irgendwie selbstverständlich erscheinen wollen, es aber nicht sind.

Ansatzpunkt 8. Rindfleisch: "Wenn wir nicht Tausende Tonnen von Soja importierten, müssten die meisten unserer Rinder verrecken" - welcher Tatbestand sich halt nur dadurch abwenden lässt, dass man für dessen Anbau den Regenwald mehr und mehr niedermacht. Der Autor Claudius Seidl konstatiert dann, dass durch die Reduzierung der Rindviehhaltung das Steak zwar nicht preismäßig mit den siebzig Euro für das vom Kobe-Rind gleichziehen werde, wohl aber erheblich teurer werde. Grund für ihn, folgendes abschließende Statement abzugeben: "Früher, bevor die Hamburger-Ketten und die Lebensmittel-Discounter erfunden wurden, sprach der Metzger gern vom fünften Viertel des Tiers. Das waren die Lungen und die Leber, das Herz, das Hirn, das Kronfleisch (eine Münchner Herrlichkeit). Daran müssen wir, wenn wir nicht bloß Sellerie essen wollen, uns wieder erinnern. Wer Innereien ist, retten den Regenwald."

Ansatzpunkt 9. Mittelklasse: "Der berufliche Aufstieg wurde ... von einem differenzierten System automobiler Statusvergegenwärtigungen begleitet, man arbeitete sich vom Kadett zum Commodore hoch in die 'obere Mittelklasse' ". Die ganzen Unzulänglichkeiten, die durch den Verkehr und im Verkehr zu verzeichnen sind, ergeben sich in einer automobilen Gesellschaft, so, wie sie konfiguriert ist, nach Ansicht des Autors Niklas Maak aus Folgendem: "Das Problem sind nicht die Maseratis: Das Problem die Masse in der Mittelklasse, die sein will wie sie."

Ansatzpunkt 10. FDP: Der Autor Nils Minkmar - dessen Schreibe mir übrigens immer wieder in der FAS am besten gefällt - spricht von einer Partei, "... die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Reichen mehr Geld zu besorgen. Geld ist ohnehin alles für die FDP: Die Freiheit, die sie meinen, ist die des Anlegers vor dem Fiskus. So eine Enge des Gedankens kann einem fast leid tun." Sein Abschlusskommentar, ganz konsequent: "Über die FDP nachzudenken ist eine Zen-Übung: Da ist bloß Leere." Im Mittelteil des von ihm konzipierten Textes findet sich folgende den Charakter dieser Liebediener der Mächtigen sehr schön enthüllende Passage: "Es sind solche Menschen, für die im 16. Jahrhundert der Spruch geprägt wurde, sie würden noch 'den Falben streicheln' - also ein seltenes gelbes Pferd, wie es sich nur ein besonders reicher Adliger halten konnte -, das würden solche eben hingehen und, als sei ein gelbes Pferd nicht schon auffällig genug, das noch demonstrativ streicheln, um dem Herrn zu versichern, was er da für ein tolles Tier reite und dass man ihn dringend entlasten müsse, dann könne er sich noch so eins kaufen. Gelb ist offenbar nicht zufällig die Parteifarbe."

Hier hinzugehörend das einleitende Statement der Journalistin Julia Encke in ihrem Text über die SPD in Beispiel 22.: "Warum, nach der Finanzkrise vom September 2008, so viele Wählerinnen und Wähler meinten, ausgerechnet die FDP wählen zu müssen, deren politisches Selbstverständnis mit den die Finanzkrise auslösenden Schweinereien nicht gerade in einer losen Verbindung steht, bleibt das Rätsel der Bundestagswahl 2009. Vielleicht spekulierten sie, auf ihrem Ego-Trip, einfach darauf, bald weniger Steuern zahlen zu müssen."

Ansatzpunkt 11. Die Schweiz: Hier gebracht sei zunächst das von dem Autor Volker Weidermann zitierte Wort Max Frisch's: "Vorhandene Energie wird nicht in Leistung umgesetzt, sondern in Angst." Woran der Weidermann die Überlegung knüpft, dass in dem Land in geradezu krankhaft-panischer Manier permanent eine Schweizerhaftigkeit - mit etwa den vielen Fähnchen und den Armeemesserchen - demonstriert wird. Welche Attitüde letztlich darauf basiert, dass man in ihm um das Auslaufen dieses Modells des Reichtumserwerbs aus anderen Händen weiß - oder zumindest ahnt, dass die entsprechende Geschäftsgrundlage über kurz oder lang entfallen wird.

Ansatzpunkt 13. Documenta: Zu ihr heißt es sehr kritisch: "...die Documenta baut schließlich mit dem gebetsmühlenartig wiederholten Versprechen, die wichtigste Ausstellung der Welt zu sein, eine Erwartungshaltung auf, die natürlich kein Kurator und keine Kunst erfüllen kann ... Die Kunstwelt verfolgt hämisch, wie er ins vernieselte Kassel ziehen muss und dort an der Aufgabe scheitert, den ästhetischen Weltgeist in die nordhessische Provinz zu zerren. Warum versucht man es immer wieder?" Weiter ist die Rede von einem gewissen Harald Szeemann, "der 1972 die Documenta in Fluxus [watt is datt denn für'n komisches Ding?], Happenings und nichtkünstlerischen Bildproduktionen auflöste ... Seitdem ist die Documenta ein Untoter des alten, zentralistischen Weltausstellungswesens."

Ansatzpunkt 17. Erinnerung: Hier verweist der Autor Harald Staun zeitgemäß auf die Notwendigkeit, "gelegentlich den Papierkorb auf unserer internen Festplatte zu löschen ..." um so ein bisschen Speicherplatz zugunsten der Prozessorgeschwindigkeit freizugeben. Wir müssen schneller denken, nicht mehr wissen."

Ansatzpunkt 22. SPD: Hier werden sie vorgeführt, die alten Strategen und Haudegen der SPD, die den Parteikarren in den Sumpf gefahren haben. Von Münte, dem noch ein gesonderter Eintrag gewidmet werden soll, heißt es: "Müntefering braucht man zum Glück nur noch zum Hochzeitstortenanschneiden und Den-Folgen-Zugucken." Auch die neue Generalsekretärin Nahles kommt bei der Autorin Julia Encke - vorstehend bereits im Zusammenhang mit der FDP erwähnt - mit ihrem "Frau, gläubig, links" und dem daraus abzulesenden Anbiederungsversuch nicht allzugut weg.

Ansatzpunkt 25. Abiturtreffen: "Abiturtreffen sind Wohltätigkeitsveranstaltungen für das eigene Ego. Unter dem zarten Pelz gemeinsamer Jugenderinnerungen prangen Klauen, Maul und Schwanz der hässlichsten aller Eitelkeiten hervor: die unersättliche Rache des Verletzten, der lang gehinderte Auftritt des kleinen Revanchisten. Auf Abiturtreffen muss sich niemand genieren, hier darf jeder endlich mal seine Karten ausspielen. Mein Haus, mein Auto, meine Frau."

Ansatzpunkt 30. Kochen: Dort ist, die endlose Kochgeschichte im Fernsehen sehr schön ridikülisierend, die Rede von Männern, die, bewehrt "mit auffälligen Bärten in polierten Edelstahlküchen flink Kräuter häckseln, behend Gewürze stößeln und schweratmend Kerne zermahlen, nur um einem entgegenzuzwinkern, man könne das ganz leicht auch zu Hause machen." Weiter heißt es in dem von der Journalistin Mara Delius verfassten Text: "Wo nicht gerade ein süffiges Ragout von Dreierlei Fasan an lockerer Schwarzwurzelmousse auf einem Bett von Risotto 'gezaubert' wurde, wurde in diesem Jahr sanft gehobelt, zart pochiert und weich gerebelt - und zwar so lange, bis einem aufgehen musste, dass hier wohl der ödeste Trendeinfall der letzten Zeit im Mainstream angekommen war: die Idee, Essen sei besser als Ausgehen, weswegen Mittdreißiger nicht mehr in Bars beim Trinien vermutet wurden, sondern zu Hause, besinnlich über Heidschnucken und Mangold ihre Fleischthermometer vergleichend."

Ansatzpunkt 31. Preise: Hier macht sich der Autor Peter Richter Gedanken über die Qualität der Entscheidungen von Jurys und kommt dabei zunächst zu folgendem Zwischenergebnis: "Ist aber wichtig für die Wirkung: Tiefe und so." Was beinhaltet, dass sie sich, am Beispiel der Auszeichnung von Texten mit Ein-Satz-Absätzen demonstriert, durch irgendwelche Signale zu ihrer Entscheidung motiviert sehen, die mit Kunst im eigentlichen Sinne schon überhaupt nichts mehr zu tun haben. "Anders gesagt: Auch Preisjurys machen am liebsten auf den größten Haufen. Wenn die Preisausschreiber auch nur halb so sozial orientiert wären, wie sie es von ihren Preisträgerthemen verlangen, dann sollten sie mit ihren Preisen verdammt noch mal nicht dauernd nach festangestellten 'Spiegel'-Redakteuren werfen; .... sie könnten etwas für den Nachwuchs tun, der sich mit unbezahlten Praktika unter Wasser hält."

Ansatzpunkt 32. Helgoland - hier mit seinen insgesamt 5 Zeilen Zeitungstext zitiert: "Ist ein schönes Ziel für Butterfahrten, aber sonst zu nichts nütze, und wenn wir Tuvalu retten könnten, würden wir, schweren Herzens, auf Helgoland verzichten."

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