Sonntag, 21. August 2011

1293 "Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat" - so festgestellt von Charles Moore, einem erzkonservativem Kommentator, der noch Thatcher../4




.................. resp. dem Thatcherismus wahre Lobeshymnen gesungen hatte. Die bis dato schon drei Einträge umfassende Sequenz mit demselben Titel wird hier unter Bezugnahme auf den heute in der FAS gebrachten Beitrag von Paul Kirchhof fortgeführt. Überschrieben ist der auf der Titelseite der fraglichen Publikation erscheinende, im Heftinneren durch ein zweiseitiges Interview ergänzte Artikel mit "Kirchhof beklagt Feudalismus". Im Subtitel heißt es: " 'Wir verteilen von Arm zu Reich'. Steuerrechtler mahnt Reform an und kritisiert Euro-Rettung." Obwohl Kirchhof den Namen des konservativen englischen Publizisten an keiner Stelle erwähnt, ist es für den Blogger recht gut ersichtlich, dass er sich implizit auch auf dessen Attacken gegen ein System bezieht und stützt, welches die Menschen mehr und mehr verunsichert und in Bedrängnis bringt.

In dem dem Interview vorgeschalteten Artikel heißt es: "Der Steuerrechtler und frühere Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof hat 'Feudalismus' im deutschen Steuerrecht beklagt. Es beruhe auf dem 'Recht des ökonomisch Stärkeren' und führe zu einer 'Umverteilung von Arm zu Reich', sagte Kirchhof dieser Zeitung. Die Politik habe über lange Zeit Ausnahmen und Privilegien geschaffen, die vor allem gut organisierte Interessengruppen begünstigten, die ohnehin schon ökonomisch bevorteilt seien. 'Die Schwachen werden belastet und die Starken begünstigt', sagte Kirchhof. Viele Politiker hätten an dem bisherigen 'Verwirr- und Privilegiensystem' mitgewirkt. Sie sähen in den Vergünstigungen, die sie für ihre Lobby erkämpft hätten, ihren beruflichen Erfolg und stünden einer Reform im Weg." Aus dem Interview hier diebezüglich dazu noch vorab herausgegriffen die Feststellung dieses auch als Verfassungsrichter tätig gewesenen Wissenschaftlers, dass "der Täter dann [wenn es darum gehe, an der Sachlage etwas zu ändern] der Wächter" sei.

Im Subtitel des von dem Journalisten Volker Zastrow geführten Interviews heißt es: "Als Verfassungsrichter hat Paul Kirchhof zwölf Jahre lang am Steuerrecht herumgeschraubt. Am Ende stand die Erkenntnis: Wir brauchen ein neues Auto Das hat er selbst gebaut. Ob es jemals fahren wird, hängt vom Mut der Politiker ab." Bei diesem Gespräch geht Kirchhof zunächst auf das Euro-Retten ein, zu dem er feststellt: "Wir werden aufgefordert, Solidarität mit Griechenland zu üben. Aber im Kern üben wir Solidarität mit dem Finanzmarkt. Obwohl er völlig intransparent ist, obwohl dort eine Fülle von Transfers stattfinden, die nicht mehr auf die Produktion von Gütern, als auf die Bedürfnisse von Menschen angelegt sind. Da werden Forderungen und Beteiligungen drei-, vier-, fünfmal verkauft, auf jeder Stufe gibt es Käufer und Verkäufer, Berater und Prüfer, Versicherer und Rückversicherer, die alle ihren Staubsauger angestellt haben, um Gewinne abzusaugen."

Die so für die Staaten auf finanziellem Terrain zustandekommende Situation wird von dem Steuerrechtler skizziert wie folgt: "Wenn man mit Geld nicht ein Gut kauft, eine Ware oder eine Dienstleistung, sondern Forderungen oder Hoffnungen, wenn spekuliert wird auf den Anstieg oder Niedergang eines Unternehmens, gar das Gelingen oder Misslingen ganzer Staaten, dann fließt das Geld von den Unternehmen und Staaten zu denen, die diese Geschäfte betreiben. Und wenn dann der Staat dieses System finanzieren muss, um die Augenblicksstabilität richtigerweise zu gewähren, dafür nocht nicht einmal auf Steuergeld zugreifen kann, sondern nur auf Kredite, dann nimmt er das Geld vom Finanzmarkt, gibt es dem Finanzmarkt und zahlt dafür dem Finanzmarkt auch noch Zinsen. Das kann langfristig nicht funktionieren."

Es sei erforderlich, zu einer Neukonzeption des Finanzmarktes und der Verschuldensfähigkeit - im äußersten Fall auch der Entschuldung des Staates - zu gelangen, betont Kirchhof, und weist darauf hin, dass die Menschen begönnen, an dem, was sich auf dem fraglichen Terrain so alles tut, zu zweifeln: "Aber er [der Mensch] ist auch in der Lage, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden. Und da haben die meisten Menschen ein sensibles Gespür. Wenn sie merken, sei es am Finanzmarkt, sei es im Steuerwesen, sei es im Arbeitsrecht, dass es in den Grundstrukturen an Gerechtigkeit hapert, werden sie aufmerksam, wehrbereit und aktiv - gegen Unrecht." An anderer Stelle bemerkt der ehemals auch als Verfassungsrichter tätig gewesene Wissenschaftler zunächst, wir müssten wahrnehmen können, dass der Erfolg der anderen, über die Steuer, unser Erfolg ist, gleichheitsgerecht, unausweichlich - um dann festzustellen: "Das ist heute nicht annähernd der Fall. Wir habe eine ganze Beratungsindustrie, wir haben eine Anlage- und Fondsindustrie zum Zweck der Steuervermeidung - größtenteils setzt sie Anreize für ökonomische Unvernunft."

Gegen solche Unvernunft und das an sie gekoppelte Unrecht einzuschreiten hat Kirchhof sich zur Aufgabe gemacht. Ein hohes Maß an Steuerungerechtigkeit registrierend, hat er sein Modell der Besteuerung entworfen: alle entrichten an den Staat eine Steuer in Höhe von 25 % ihrer Einkünfte. Zu der Ungerechtigkeit führt er Folgendes aus: "Wer viel verdient, kann seine Steuerschuld mindern. Er kann gute Berater bezahlen, stille Reserven bilden, Firmen verschachteln, Auslandsgesellschaften einrichten und so Gewinne und Verluste verschieben. Wer über Vermögen verfügt, kann die Steuer vermeiden. Aber nicht der, der mit seinem gesamten Jahreseinkommen sich und seine Familie ernähren muss."

Das Steuermodell nun, welches Kirchhof in dem Interview vorstellt, findet sich in einem gemeinsam mit einer großen Zahl von Kennern der Materie entwickelten Gesetzestext, der insgesamt nur 35 Seiten umfasst. "Von vielen tausend Paragraphen, die wir heute beachten müssen, haben wir noch 146. Dieses neue Recht ist dann ganz einfach und für jeden interessierten Bürger in schöner deutscher Sprache dargestellt und verständlich." Dass es den geltenden Steuergesetzen gerade an dieser Verständlichkeit ermangelt, davon kann sich ja jeder ein Bild machen, der, wie Kirchhof mehr am Rande bemerkt, für seine Steuerklärung sechs Samstage benötigt, um durch den Wust an Bestimmungen hindurchzufinden: das von ihm vorgeschlagene Verfahren ließe sich dagegen binnen 4 Stunden über die Bühne bringen.

Die außerordentliche Ungerechtigkeit des geltenden Steuersystems ergibt sich für Kirchhof auch aus Folgendem: "Die Bürger müssen wissen und darüber entscheiden können, wofür der Staat Geld ausgibt. Wenn wir nicht mehr genau wissen, wofür wir eigentlich bezahlen - die Wirtschaft in Griechenland, die Stabilität des Euros, die Gewinnmargen im Finanzmarkt, die Boni der Investmentbanker? -, dann ist dieser Gleichheitssatz nicht mehr erfüllt. Staatsausgaben bedürfen einer deutlichen, für jedermann erkennbaren Rechtfertigung."

Recht interessant in dem Interview auch der historische Rückblick auf das Aufkommen des Steuerwesens: "... wir haben gerade in Deutschland Demokratie erkämpft, damit der Steuerzahler selbst - repräsentiert durch seine Landstände und später Parlamente - über die Staatsausgaben, die Steuern und die Staatsverschuldung entscheidet, um die Verschwendungssucht der Fürsten zu mäßigen. Das ist der Ursprung der deutschen Demokratie. Und dazu müssen wir zurückkommen." So, wie es sich gegenwärtig aber darstelle, habe das Steuerrecht seine Autorität verloren, sieht Kirchhof festzustellen sich gehalten: " ... das ist die Seuche, die sich in dieses Rechtsgebiet eingeschlichen hat. Es ist ein Recht in höchster Not."

Diese Not aber wird von den Politikern völlig verkannt oder aber aus dem Bewusstsein verdrängt. Dazu heißt es in dem Interviewtext - auf die Frage "... Wir müssen jeden Tag den Euro retten. Wie sollen wir da das Steuersystem neu gestalten?: Beides betrifft die Finanzierbarkeit des Staates. Wenn die Finanzierbarkeit so im Sturm steht, dass bald alle Dämme brechen und die Flut über uns kommt, dann müssen wir doch die Dämme in Ordnung bringen. Die Dämme sind rissig, angreifbar und durchlässig, weil wir dieses Verwirr- und Komplizierungssystem haben. Wir bewegen uns in eine unwirkliche und verschleierte Welt. Wir müssen zurück in die Wirklichkeit, zu Klarheit und Wahrheit."

Ein solches Maß an Prinzipientreue, wie sie in solch luciden Überlegungen hervortritt, wäre denen, die auf der politischen Bühne wesentlich über den Gang der Dinge zu bestimmen haben, nur zu wünschen. Der Blogger kann allerdings weit und breit niemanden entdecken, der auch nur annähernd solche Qualitäten aufwiese, wie sie von Kirchhof offensichtlich eingefordert werden - im Gegenteil: er kann eigentlich nur Dumpfbacken ausmachen, deren einzige Daseinsberechtigung es zu sein scheint, dem kleinen Mann das Geld aus der Tasche zu ziehen, um es dann den Großkopfeten in eben diese hineinzuschieben.

Apropos einfordern: Bei dem von Kirchhof und seinem Mitarbeiterstab entwickelten Steuermodell stünde der Bezieher eines mittleren Einkommens da wie folgt: "In unserem Steuermodell zahlt ein Familienvater, der 20 000 Euro verdient, wegen der Freibeträge und Anfangsprogression 0, in Worten: null, Euro in die Gemeinschaftskasse. Und der, der eine Million verdient hat, zahlt fast 250 000 in die Kasse. Das ist eine Gerechtigkeit, die einleuchtet." Allerdings nicht denen, die davon profitieren, dass sie eben solche Steuergerechtigkeit verhindern, indem sie pausenlos neue Bestimmungen konstruieren, die es den Bessergestellten ermöglichen, sich von ihren Steuerlasten zu befreien!

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Denn: So praktikabel ersterer bei der Erstellung der Posts ist - er unterschlägt jetzt nicht nur, wie zu Anfang, eine ganze Reihe von Bild- und Textmaterialien, sondern mit einem Mal gleich alle. Aus mir unerfindlichen Gründen.


oder

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