Donnerstag, 18. August 2011

1289 "Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat" - so festgestellt von Charles Moore, einem erzkonservativem Kommentator, der noch Thatcher resp. dem Thatcherismus wahre Lobeshymnen gesungen hatte/2.

 Offensichtlich hat der Aufschrei des erzkonservativen britischen Publizisten Charles Moore denn doch so einige Herrschaften sogar hierzulande in Alarmstimmung versetzt. Etwa Karl-Ludwig Baader, den der Blogger unter den für die HAZ schreibenden Journalisten am meisten zu schätzen weiß, hat sich der Thematik 'falsche und schädliche neoliberale Versprechen' angenommen, dabei darauf hinweisend, dass nichts besser wird, wenn die Arbeitsverhältnisse flexibilisiert, Schutzrechte für Arbeitnehmer abgebaut und die Steuern herabgesetzt werden.

"Im Zeitalter der professionellen Schönrednerei der Marketinexperten" registriert Baader gemeinsam mit Charles Moore und Frank Schirrmacher - vgl. den Eintrag 1285
-, das Verlangen des Menschen, vor allem am Arbeitsplatz fair behandelt und nicht einfach nur als Kostenfaktor wahrgenommen zu werden. Mit Moore stimmt er dahingehend überein, dass die mit dem Neoliberalismus verknüpfte Prophetie, mit ihm würde die Wirtschaft eine solche Dynamik entwickeln, dass es am Ende allen besser geht, sich selbst ad absurdum geführt hat.
Baader konstatiert ferner, dass das dem Turbokapitalismus zugrundeliegende Denken der Neoliberalen dem konservativen Denken eigentlich widerspreche - trotzdem aber in einer völlig unkritischen Manier übernommen worden sei. Was zu einer "Selbstbewusstseinskrise des Konservativismus" geführt habe. Er führt dazu weiter aus: "Der traditionelle antiutopistische Affekt der Konservativen hat im Fall des versteckt utopischen neoliberalen Menschenbildes nicht gewirkt. In diesem ökonomischen Modell wird alles dem Denken der betriebswirtschaftlich verkürzten Rationalität, der Rentabilität, unterworfen, auch das Bildungssystem. Die allzeit bereite, hyperflexible Arbeitskraft ist gleichsam die neoliberale Version des 'neuen Menschen', der im Interesse der Markt- und Produktionserfordernisse unbeschränkt formbar sein soll."

Noch weit vor den bis dato in diesem Blog vorgestellten Autoren hat dessen Betreiber auf die ungemein negativ sich auswirkenden Kräfte aufmerksam zu machen sich bemüht, die mit den "wirtschaftlichen Vermögens- und Machtverhälnisse[n] als Quelle der gesellschaftlichen Probleme" verknüpft sind. Die einfach dazu führen, dass - wie etwa auch die Statistiken der Krankenkassen belegen - die Menschen solche Funktionalisierung nicht aushalten. "Das Prinzip Erfahrung" - so der Titel, den Baader seinem Beitrag gegeben hat - beinhaltet eben gerade dieses: Dass das Individuum und dass die Gesellschaft unter der Ägide der Neoliberalen und der ihnen nacheifernden Konservativen nur Schaden nehmen können. Aus der Unzahl solcher Beschädigungen greift Baader zum Abschluss seines Beitrags die "familienfeindlichen Entwicklungen der Arbeitswelt" heraus.

Zu diesen Entwicklungen soll es dann in der FAS-Ausgabe vom 21.d.Mts. unter der Überschrift "Zwischen Vision und Gerede" und dem Subtitel "David Cameron sieht Englands Heil in der Familie. Aber wie will er sie fördern?" in dem von dem Journalisten Alard von Kittlitz verfassten Artikel heißen wie folgt: "In Wahrheit sagte David Cameron etwas, dem eigentlich jeder Mensch zustimmen muss. Die Familie ist der Nukleus, der elementare Kern einer Gesellschaft. Es ist wünschenswert, dass der Schutz und die Förderung des familiären Zusammenhalts, das heile Zuhause ins Zentrum der staatlichen Aufmerksamkeit rücken. Die politische Couleur ist für diesen Wunsch an die Politik letztlich unerheblich..

Eine Vision allerdings verlangt ihre Einlösung, sonst ist sie nicht mehr als wohlfeiles Gerede. Und wenn Cameron seinen 'Kampf gegen die zerbrochene Gesellschaft' ernst meint, dann wird er mit dessen Führung alle Hände voll zu tun haben ... Vater, Mutter, Kinder. Zeit zusammen. Vermittlung von Werten. Schwer zu bewerkstelligen, wenn die Mieten in die Höhe schießen, wenn die Schule ein Heidengeld kostet, wenn man sich wünscht, dass die Kinder auf die Universität gehen und die Hochschulgebühren sich gerade verdoppelt haben. Dass die Kinder in England viel Zeit ohne Eltern verbringen, liegt nicht zuletzt daran, dass die Eltern beide arbeiten müssen, um der Familie überhaupt Perspektive bieten zu können.

So geht es der gesamten englischen Mittelschicht, die schuften muss, um den Lebensstandard halten zu können. Deren Kinder wachsen nicht mit besonders viel elterlicher Präsenz auf, dafür aber immerhin in einer netten Nachbarschaft, ohne große Verlockungen und Bedrohungen. Ganz anders ist es für die Bewohner der englischen Elendsviertel, und deren Bewohner sind es zum größten Teil gewesen, die in London, Manchester, Birmingham und Liverpool für die meiste Zerstörung gesorgt haben. Wenn für die Kinder, die in diesen Gegenden aufwachsen, niemand da ist, sind sie einer Straßenkultur ausgeliefert, die sich einen Dreck um die Werte schert, die Cameron seinen Bürgern nahelegt, die im Gegenteil ein Recht des Stärkeren fördert, das regelmäßig über Leichen geht.

Recht hat David Cameron. Der beste Schutz gegen Gleichgültigkeit und Kaltblütigkeit ist, mit Menschen zu leben, die einen lieben, die man liebt. In einer Gesellschaft zu funktionieren lernt am besten, wer in einer Gemeinschaft ist. In einer Familie. Nur: wie fördert man die in diesem Staat? In Camerons England?"

Für den Blogger steht es außer Frage, dass auch hiezulande die Zerstörung der Familie ganz bewusst betrieben wird. Das, was auch in Deutschland an Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft von Jugendlichen zu verzeichnen ist - und es gibt ja noch mehr negative Aspekte, auf die alle hier nun nicht eingegangen werden kann und soll -, ist nach seiner Einschätzung vor dem Hintergrund des Interesses der Nutznießer eines extrem ungerechten Systems zu sehen, die als Großkopfeten die Individuen abhängig, lenkbar und für ihre egoistischen Interessen verfügbar gehalten sehen möchten.

Auch in Deutschland ist es ja so, dass in einer Familie überwiegend beide Elternteile arbeiten müssen, um den Kindern einen einigermaßen passablen Start ins Leben zu ermöglichen. Wobei unterm Strich zu verzeichnen ist, dass das vielgepriesene und in der veröffentlichten - nicht der öffentlichen! - Meinung als erstrebenswert dastehende Modell des Kinderhorts zu genau dem Missstand führt, den Cameron für sein Land beklagt hat. Nämlich, dass die Kinder nicht in einer Familie aufwachsen können, welche Erfahrung allein es ihnen ermöglicht, einen festen Stand im Leben zu gewinnen. Gewinnen wollen bei der ganzen Chose doch auch nur wieder die allüberall ihre Beziehungen spielen lassenden Hauptmatadore auf dem wirtschaftlichen Terrain. Denen es egal ist, wieviel soziales Elend sie durch ihre Umtriebe hervorrufen! Die müssen sich sagen lassen, dass sie gerade auch wegen des von ihnen gewünschten und betriebenen allegemeinen Elends in einer sehr unguten Tradition stehen - der der Profiteure im sogenannten TAUSENDJÄHRIGEN REICH. VON WELCHEM DIE SICH EINE VON NIEMANDEM IN FRAGE ZU STELLENDE, ENDLOSE ANDAUER IHRER BESITZSTANDSMEHRUNG ERHOFFT HABEN.

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