Sonntag, 24. Mai 2009

259 Aber auch gar nichts von dem, was sich in meinen bis dato über 1000 Rundmails und jetzt dem Blog festgehalten findet, ist Schnee von gestern (2)

Bei dieser Rundmail handelt es sich um die Anlage zu dem Schreiben, welches sich in Post 257 festgehalten findet.

----- Original Message -----
From: Klaus Bickmann

To:
0-Olaf
Sent: Thursday, November 22, 2007 12:23 PM
Subject: Botenbrief 5: Clash of Cultures

~~~~~~~~~~~~~~Bredenbecker Bote~~~~~~~~~~~~~~

Angerweg 6 a
30974 Wennigsen
fon/fax 05109/63551
eMail
k_bickmann@web.de
Bredenbeck, den 23.11.2007

OFFENER BRIEF

Herrn
Professor Dr. A. Stimpfle
c/o Katholisch-Theologische Fakultät
..............................................................
D. z.K. Herrn Heinz Behnken, Spiritus Rector des Klosters Via Cordis in Wennigsen

Sehr geehrter Herr Dr. Stimpfle!

Da ich von Ihrem ersten Vortrag zum Thema „Vom Anspruch des wahren Betens im Neuen Testament“ sehr angetan war, bin ich auch vorgestern Abend im Kloster „Via Cordis“ wieder auf der Bildfläche erschienen. Und fand auch den guten Eindruck bestätigt, den ich zuvor schon mitgenommen hatte. Die anschließende Diskussionsrunde habe ich dann allerdings unter Protest mit den Worten verlassen: „Das ist mir denn aber doch zu absonderlich.“ Es ging darum, dass Sie die von einer Dame gestellte Frage mit einem Ja beantworteten, ob man – wegen des elitären und exklusiven Anspruchs, der nach Ihrem Dafürhalten mit der Weise verbunden ist, wie Gott zu begegnen ist –, dann nicht auch nach Gruppen gesonderte Gottesdienste halten müsse. Orientiert an einer älteren Unterscheidung von „Einfältigen, Fortgeschrittenen und Vollkommenen“. Worauf bei mir die Schotten schlagartig dicht wurden – trotz der Qualität des ansonsten Vorgetragenen. Lassen Sie mich das angesprochene und für Sie offensichtlich befremdliche Verhalten hiermit etwas näher erläutern. In aller – wenn auch mit ca. 1000 Mitlesern meiner Rundmails noch arg begrenzten – Öffentlichkeit. Weil es eine Unmenge an Missverständnissen auszuräumen gilt.

Es gibt den herrlichen Taizé-Song „Schweige und höre; neige Deines Herzens Ohr und suche den Frieden.“ Das ist im Grunde eigentlich schon alles. Wer eine entsprechende Beziehung zur Transzendenz aufgebaut hat, benötigt im Grunde nicht mehr. Keine Vorstellungen, die nach Ihrer Darstellung ja konstitutiv sein sollen für die Art und Weise, wie ich bete - es aber nicht sind! - , keine äußere Routine , keinen Ritus, keine vorbereitenden Handlungen, keine Institutionalisierung, keine Dogmatisierung, keine Reglementierung, wie sie in der verfassten Kirche ja ubiquitär sind. Bezeichnenderweise ist der Begründer der fraglichen Bewegung in deren Rahmen nie zu Amt und Würden gelangt, sondern nur irgendwo irgendwie am Rande mitgelaufen.

Ein katholischer Priester gab mir bei seiner Predigt den Gedanken mit auf den Weg, wir bräuchten im Grunde nur das Herz aufzuschließen – und dann die Hände offen zu halten. Ich darf Ihnen sagen, dass ich, seitdem ich in meinem 61. Lebensjahr zum Beten gefunden habe, immer wieder genau diese Erfahrung mache – so, dass ich mit der Dankbarkeit schon gar nicht mehr hinterherkomme. Und dass ich wieder nicht von ungefähr auf das Buch „Mein Gott, warum?“ von Abbé Pierre gestoßen bin. Dessen Statements ich mich zu fast 90 % anschließen mag - etwa dem, das da lautet: „Ich bin wenig geneigt, die ganze Geschichte mit der Erbsünde zu glauben.“ Auch das Buch von Eckhart Tolle „Eine neue Erde“ ist nicht ‚einfach so’ in meine Hände gelangt.

Wieder mal so recht passend erhalte ich ebenfalls vorgestern in der Frühe gegen 3.30 Uhr folgende Mail: „….. zum Thema....:'Um kreativ werden zu können' .... Ich fände es...gut, wenn Du noch den Gedankengang, dass, wie Du selbst immer wieder erfährst, Kreativität durch die Verbindung zum Ozean der Stille (oder wie Du es ausdrücken möchtest) genährt wird - mit der Quelle der Gedanken, der Intuition, der Quelle aller Schöpfungsprozesse.

Diese Zeilen stammen von meinem Freund, der jetzt im 35. Jahr die Transzendentale Meditation betreibt – und mit dem ich mich wunderbar über die dort angesprochenen Bezüge austauschen kann. Dessen Praxis in Ihren Augen eine höchst fragwürdige Angelegenheit ist. Ich könnte mich auch mit jedem Sufisten diesbezüglich um ein noch klarer werdendes Verständnis bemühen. Der halt auch darauf gekommen ist, dass im Grunde alles davon abhängt, inwieweit ich zu mentaler Ruhe gelange, dabei etwa auch jegliches Feinddenken ausschaltend. Ganz einfach.

Die ganzen Aufgeregtheiten in der Welt führen zu nichts Gutem. Es bräuchte sie gar nicht zu geben, wenn sich die Menschen freimachten von ihren gedanklichen Fixierungen. Auch der, dass allein der katholische Glaube die Seele retten könne. Wenn Jesus von Nachfolge gesprochen hat, dann nach meiner Einschätzung nicht in dem Sinne, dass man nun unbedingt nominaler Christ sein müsse, sondern, dass man lerne, persönlich erfahrenes Leid anzunehmen. Bei einem der vorgestern genannten Kirchenväter kam so etwas ja auch zum Ausdruck – unter dem Aspekt der mit ihm verbundenen Freude. Es lässt sich nach meiner recht frischen Erkenntnis im Verständnis tatsächlich positiv wenden. Woraufhin so etwas wie eine Auferstehung mitten im Leben erfahrbar wird. Die es also ermöglicht, dieses Leid im Endeffekt sogar produktiv werden zu lassen. Das Wort „Viele sind berufen – wenige aber auserwählt“ bringt in dieser Hinsicht nach meinem Verständnis ein unnötiges und letztlich ja auch kontraproduktives Ausschlussmoment in die Glaubensvorstellungen hinein.

Wieder so recht passend bekomme ich nach der Rückkehr von Ihrem Vortrag auf Frontal 21 die folgende Geschichte mit: Da wird eine junge Türkin von ihrer Familie verfolgt, weil sie – nach zuvor ihr gegenüber gegebenem Versprechen, sie werde Zeugenschutz erhalten – sich den Ermittlungsbehörden als Zeugin eines von ihren Verwandten begangenen Ehrenmordes zur Verfügung gestellt hat, diesen dann aber nicht erhält. Woraufhin ihr nur noch das pausenlose Umherirren in der Weltgeschichte bleibt.

Ich habe diese an Sie gerichtete Zuschrift deswegen als Mail mit dem Betreff „Botenbrief 5: Clash of Cultures“ ("Bredenbecker Bote") kennzeichnen können. Weil ich meine, dass eben der überhaupt nicht zu sein bräuchte: Wer sich in der rechten, eben auch nicht elitär und exklusiv bestimmten Art und Weise auf die Transzendenz einlässt, dem steht überhaupt nicht der Sinn danach, anderen Vorgaben zu machen. Oder, wo jemand nicht folgt, ihn einfach umzubringen. Ich sehe mich diesbezüglich geistig mit den Gnostikern des ersten nachchristlichen Jahrhunderts verbunden, die ja auch vorgestern erwähnt wurden – und die es für wenig hilfreich erachtet haben, etwa in Kreuzzugsmanier auf andere loszugehen. Die Kulturen prallen nur deshalb aufeinander, weil die Menschen nicht erkannt haben, wie konstitutiv für alles Positive in der Welt der Bezug zur universellen Wahrheit ist. Was dann zu solchen Krebsauswüchsen führt, wie sie im Gesamt des Volks- und Nationenkörpers etwa als Krieg unter der Fahne „Wir sind das auserwählte Volk“ in Erscheinung treten.

Apropos Kultur: Wenn für Sie die gewaltig dröhnenden Glocken in bayerischen Landen ihre Sozialisation als Katholik ganz entscheidend mit beeinflusst haben, wie Sie ausführten, dann kann und will ich Ihnen die fraglos damit verquickten erhebenden Momente nicht ausreden: sie müssen Ihnen unbenommen bleiben. Nur: Für mich ist so etwas im Bereich der Äußerlichkeiten angesiedelt und liegt das Erhebende anderswo. Auch hier also so etwas wie ein "Clash of Cultures" - in einem etwas anderen Maßstab.

Apropos „erheben“: Da wird also in der ganzen Phalanx der Pontikus und Cassian, Origines, Clemens von Alexandrien und wer sonst vorgestern Abend noch so aufmarschierte, von jemandem postuliert, dass man beim Beten den Kopf erheben und sich auf die Fußspitzen stellen muss, um der uns innewohnenden Sehnsucht und dem Streben zur Transzendenz hin angemessenen Ausdruck zu verleihen. Nach dem Motto: Je besser der Spitzentanz gerät, desto frommer und mehr bei Gott angesehen ist der Mensch. So etwas ist für mich nur ein Schmarren, wie man in Ihrem Heimatland Bayern sagen würde! Genauso wie die Story von der Reichtumsausstattung, die nach dem - von mir nun überhaupt nicht für voll genommenen - Reformator Calvin ja ebenfalls dazu Auskunft geben soll.

Wenn Beten „vertrauter Umgang mit Gott ist“ – wie ihm sei Dank vorgestern Abend ja auch angesprochen wurde, dann braucht es doch diesen ganzen Zinnober nicht. Und dann kann man getrost etwa die Maßgabe vergessen, dass im Sitzen nur jemand beten dürfe, der fußkrank ist. Mein Freund und ich meditieren nur im Sitzen. Dabei wandert unser Kopf so in den Nacken, dass wir halt auch das Gesicht zum Himmel erheben – was dann allerdings nicht mit eigener Anstrengung, ohne Krampf erfolgt.

Damit die Geschichte für Sie hier nicht endlos wird – und vor allem auch der liebe Benny aus Hamburg sich nicht wieder über zu lang geratene Mails beschweren muss –, sei hiermit das Thema vorerst einmal abgeschlossen. Nein, doch noch eins: Wenn unser aller Gott, wie ja auch von Ihnen dargestellt, ein wohlmeinender ist, dann kommt es ihm a) qua natura doch wohl auf jeden von uns an, ist es b) gewissermaßen eine contradictio in adiecto, von ihm als demjenigen zu denken, dem es im Grunde nur auf die wenigen Rechtgläubigen ankommt, und c) - wie bereits erwähnt - dazu auch noch in höchstem Maß kontraproduktiv, von einer solchen Vorstellung auszugehen. Die dem Meister aller Klassen eigentlich auch gar nicht erst unterstellt werden sollte.

Mit freundlichem Gruß

Klaus Bickmann

PS: Hier sei noch eine Zusammenstellung der Gesichtspunkte gebracht, die ich mir - bei leider nur begrenzter Zettelzahl in meinem Portemonnaie - im Verlaufe Ihres Vortrages habe notieren können. Hoffentlich in der korrekten Zuordnung.

Ich will jetzt nicht hergehen, und da auch noch System reinbringen. Ich glaube, es reicht auch die einfache Übersicht, um deutlich zu machen, wie gehaltvoll Ihre Ausführungen waren. Wenn ich sie, auf den Punkt gebracht, so verstehen kann, dass einem wohlmeinenden Gott qua natura überhaupt nicht daran gelegen sein kenn, dass nur eine ganz, ganz begrenzte Zahl von Rechtgläubigen zu ihm gelangt - so ja explizit die Zeugen Jehovas -, dann ist dies für mich schon ein großer Gewinn. Dessentwegen ich mir gerne auch weitere Vorträge von Ihnen anhören werde, so sie denn in hinreichender Nähe gehalten werden sollten.

  • Die Gnostiker des ersten nachchristlichen Jahrhunderts sammeln sich und horchen auf die Stimme des Geistes: Gott ist für sie erkennbar
  • Schon im 2. nachchristlichen Jahrhundert setzt die Institutionalisierung ein
  • Das Vater Unser wird erst relativ spät zum Inbegriff des Gebetes
  • In dieser Tradition stehen im 4. Jh. die Mönche auf Athos mit ihrer besonderen Beachtung von Herz und Atem
  • Beten als gute Meinung am Morgen
  • Beten als Entschleunigung in einer Welt der Hetze und des besinnungslosen Tuns und Treibens
  • Beten als Transzendieren, als Aufwärtsbewegung des Geistes, als Überschreiten der Welt
  • Individuelle Freiheitserfahrung
  • Äußere Routine versus innere Wahrhaftigkeit
  • Individuelle Versenkung vs. kollektive Danksagung und formelhaftes Gebet
  • Unbewusstes Selbst – Seele = Ich – Körper; ersteres liegt wie ein Funke in uns und strebt hin nach dem Göttlichen
  • Eine Anschauung: Wir sind selber göttlich und müssten uns eigentlich nur dieser Qualität bewusst werden und unser Handeln aus ihr heraus bestimmen zu lassen
  • Radikale Distanzierung von allem Weltlichen: Origines etwa hat sich selbst kastriert
  • Origines für die Ostkirche das, was Augustinus für den Westen werden sollte
  • Durch die Erkenntnis der Göttlichkeit steigt der Mensch wieder auf, gelangt aus der Gefangenschaft
  • Die Oden Salomos (Homilio pieston theon = Gebet ist vertrauter Umgang mit Gott (mein Beitrag zur Diskussion: Die Feststellung einer evangelischen Pastorin in einer Radioandacht, dass, wer - in einer Art Achtsamkeitsmeditation - allein schon seinen Atem verfolge, in Gott sei)
  • "Wieder eine Gebetstradition – das „Jesusgebet“: Herr Jesus Christus, erbarme Dich meiner! (mit seiner permanenten Wiederholung von mir persönlich verglichen mit dem Mantra der Transzendentalen Meditation resp. den rezitierten Versen der Sufis).

Insbesondere aus letzterem Punkt folgt für mich: Die Ansätze liegen unwahrscheinlich dicht beeinander - nur: dies wird, im Interesse zumeist der eigenen Stellungsbefestigung, schon mehr absichtsvoll denn nur schlicht unwissend total verkannt. Und verzerrt dargestellt. Auch von Ihnen, sehr geehrter Herr Professor Dr. Stimpfle. Der Sie gewiss ein "gelehrtes Haus" sind, wie ich es in einer Vormail formuliert habe. Aber leider wohl nicht so mit der fraglichen Praxis vertraut, - die, zumindest bei der TM, zunächst einmal eine Technik ist -, dass Sie darüber mit mir in einen Diskurs über das wahre Beten eintreten könnten.

Dies sage ich ohne jede Anwandlung, mich so überheben zu wollen. Habe ich doch nach der Aufnahme der Meditation bei einem evangelischen Diplomtheologen die auch mögliche Übersetzung der Stelle "..und führe uns nicht in Versuchung..." aufnehmen dürfen, welche da lautet: "...und führe uns in der Versuchung...". Und die besteht nach meiner Anschauung eben gerade in diesem Bestreben, sich zu überheben, der Ursünde des Menschen. Dazu habe ich mich schon in diversen Rundmails auslassen können. Ist Ihnen eigentlich diese Übersetzungsalternative bekannt? Besagter Diplomtheologe muss jetzt übrigens zusehen, wie er außerhalb der Kirche zurechtkommt, weil er wegen der Äußerung unkonventioneller Ansichten unmittelbar vor dem Examen in dem Fach Moraltheologie eine Sechs erhielt - welches ausgerechnet sein Leib- und Magenfach war und ist! Anders als Sie kann er also nicht mehr zu Amt und Würden in dem engeren und auch weiteren Rahmen der Kirche gelangen.




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