Montag, 9. April 2012

1669 "Zum Kaufen verführt". Oder: Wie Konsumenten dahingehend stimuliert werden, das Shoppen als quasirelgiösen Ersatz zu nehmen, dabei überhaupt.....

Generelles AS : Werte/r geneigte/r Leser/in: Sofern Ihnen Form und Inhalt dieses Eintrags zusagen, sollte dessen Weitergabe oder aber gleich des Blogs via Link*** an Ihren Freundes- und Bekanntenkreis eigentlich nichts im Wege stehen. Für den Fall, dass Sie auch über die Adressen offiziöser Stellen verfügen: Geben Sie das Material ruhig auch an die weiter. Damit vielleicht der/die eine oder andere der dort Tätigen sich besinnt und nicht mehr mitmacht bei dem hierzulande weiter und weiter veranstalteten Wahnsinnstreiben. So, dass die von Politikern gepflegte, nur dem Eigeninteresse verpflichtete Verfälschung der Wirklichkeit denn doch einmal ein Ende findet und die Demokratie eine Chance bekommt, mehr zu sein als bisher - eine nur nützliche Fiktion."
***Wie ein Link zu übernehmen ist, findet sich in Post 999 dargestellt, und zwar unter PS2.

www.pinterest.de

www.pinterest.com

....nicht mehr dazu kommend, sich auch noch anders zu sehen und zu erleben denn als Käufer irgendeines Krempels. Noch nie hat sich der Blogger durch eine solch plumpe Attacke auf seinen Geldbeutel beeindrucken lassen, wie sie vorstehend ausnahmsweise einmal nicht von Möbel Heinrich mit den "Sensationsgutscheinen" geritten worden ist. Obwohl er genauso wenig Interesse etwa auch an all den Plörren hat, die man jetzt auch via Pinterest an den Mann zu bringen versucht, bringt er den in der FAS gefundenen Link hier ein.

Für ihn bestätigt sich durch das Vorgehen der Betreiber dieser Websites, dass seine Reserve gegenüber Facebook voll und ganz berechtigt ist. Geht es doch diesem US-Kraken*** auch nur darum, die Pinnwände der "Freunde" dahingehend zu nutzen, den Kreis der Abnehmer irgendwelchen überflüssigen Krams für die dafür zahlende Industrie zu erweitern. Es ist jedoch nicht so sehr diese Perspektive, die die Gestaltung dieses Eintrags bestimmt, sondern es sind die Techniken, die auf dem Sektor Konsum eingesetzt werden, um den Verbraucher zu verführen. Vorab aber erst noch der Link auf die Website, auf der enttäuschte Geschenkempfänger die Produkte visuell unterbringen können, die ihrer Einschätzung nach völlig missraten sind:





Was also hier auf dem Programm steht, das ist wieder einmal eine massive Kritik des Konsumismus. Der darauf hinausläuft, dass den Zeitgenossen die Ganglien so verklebt werden, dass durch sie kaum noch etwas anderes hindurchgeht als die Appelle der Werbung, sich möglichst viel von irgendeinem Zeugs zuzulegen. Oder dieses immer und immer wieder neu zu erwerben, weil es ja nicht mehr dem neuesten Trend entspricht. Durch welches pausenlose Getrommel sie mehr und mehr außerstande geraten, wenigstens hin und wieder einen vernünftigen Gedanken zu fassen.

Das insbesondere auf die Festlegung auf Marken ausgerichtete Agieren der Unternehmen am Markt ist so angelegt, dass der Bürger sich nur noch als Konsument sieht und erfährt - und dies von Kindesbeinen an. Je früher die entsprechende Prägung erfolgt, desto wohler glauben sich die Herren in den Vorstandssesseln fühlen zu können. Dass ein Unternehmen dann hergeht und die Losung ausgibt "Die beste Bildung ist die eines starken Charakters" - vgl. den diesen Beitrag beendenden Abschlusskasten -, darf als Irreführung des Publikums durch das bestehende System aufgefasst werden. Auf nichts kommt es nämlich dem Gesox der Geschäftemacher mehr an, als eben eine solche Bildung zu verhindern. Weiß der etwas wachere Zeitgenosse doch darum, dass die allüberall deutlich werdende Bildungsmisere in diesen unseren Landen zu beheben wäre, würde man sich ernsthaft daran machen, an den ja existierenden Stellschrauben zu drehen. Eine davon, ausführlicher in Post
1649 beschrieben: Das Auskommen der Lehrkräfte an den Unis. Die es zu 80 % mit prekären Angestelltenverhältnissen zu tun haben, in ihnen Bezüge erhaltend, die sich im Bereich der Armutsgrenze bewegen. Und selbst dieses nicht einmal auf Dauer, sondern sich von einem befristeten Dienstverhältnis zum nächsten weiterhangelnd.

Wie im Weiteren näher darzulegen sein wird. Wie aber auch jeder zumindest ahnungsweise mitbekommt, dessen Blick noch nicht völlig durch die rosarote Brille getrübt ist, welche ihm Werber und Verkäufer ihm hinhalten. Wer sich durch das auf den Sektoren Werbung und Verkauf veranstaltete Treiben sein Gespür für ungute Entwicklungen noch nicht gänzlich hat nehmen lassen, der kommt zwangsläufig an folgender Aussage nicht vorbei:



Das vorstehend erscheinende "... expect great things" - so gefunden in dem Portal whydidyoubuymethat.com -, ist der Lockruf, mit dem der noch zögernde Kunde dazu verleitet werden soll, endlich sein Portefeuille herauszuholen und die Scheine auf den Verkaufstresen zu blättern. Solche Lockrufe werde selbstverständlich auch in den elektronischen Medien angestimmt, wie sich aus dem nachstehenden Link ersehen lässt.
Machen Sie mehr aus Ihren Blogs!
Sehen Sie sich die Seite der Blogger-Funktionen an und finden Sie heraus, auf was Sie bisher verzichtet haben.




Sehr schön auseinandergenommen, in seinen Einzelteilen präsentiert und mit seinen Funktionsmechanismen verständlich gemacht findet sich der bei dem ganzen Treiben eingesetzte Apparat in der dritten Ausgabe der Zeitschrift ZEIT WISSSEN. Die hat der Blogger nach der Kündigung seines Probeabos noch erhalten.
Im Weiteren soll es darum gehen, das hier thematisierte Prinzip der Kundenbindung in Frage zu stellen. Damit das Ganze nicht zu einseitig wird, wird hierbei der von den Journalistinnen Stefanie Schramm und Claudia Wüstenhagen verfasste und mit dem Titel "Die tägliche Verführung" versehene Beitrag einbezogen.

Zu der Kündigung des Abos hat der Blogger sich insbesondere dadurch veranlasst gesehen, dass er mit dem Bewerten und Referieren von Artikelinhalten überhaupt nicht mehr nachkommt. Was einfach ein Kürzertreten bei der Materialsammlung erfordert. Den ihm jetzt vorliegenden Beitrag also gilt es, in seinen Konturen und mit seinen prägnantesten Aussagen so darzustellen, dass der auf insgesamt 12 Seiten untergebrachte Wissensstoff - etwas mehr als 4 Seiten davon Bildmaterial - in möglichst komprimierter Form erscheint.

In dem Subtitel des fraglichen Artikels heißt es: "Mit raffinierten Tricks verleiten uns Werbung und Verkäufer zum Konsum. Und nur allzu gern lassen wir uns verführen, denn Kaufen verspricht Glück und Anerkennung. Wie können wir widerstehen?" Das journalistische Duo beginnt seine Darstellung mit der Schilderung zweier "Tricks der Verkäufer": "Platz für mehr Das Gefährt samt Einkaufskorb wurde im Laufe der Zeit immer größer - damit Kunden eher der Illusion erliegen, es befänden sich ja erst wenige Waren darin. Der Eindruck wird noch dadurch vestärkt, dass der Boden des Korbes zum Schiebenden hin abgesenkt ist, sodass die Waren leicht aus dem Sichtfeld kullern oder rutschen.". Da der zweite Trick dem Blogger von seinen eigenen, wenn auch äußerst seltenen Einkaufserfahrungen her für nicht so sprechend hält, übergeht er ihn hier und kommt zu der Wiedergabe weiterer Versuche, den Kunden einzufangen und zu einer bestimmten Reaktion zu veranlassen.

"Rot gleich billig. Oder? Ist ein Produkt mit einem roten Preisschild gekennzeichnet, halten wir es automatisch für günstiger. Das haben wir so gelernt und verlassen uns darauf. Es muss aber nicht immer stimmen." - "Teuer steht rechts Die günstigsten Produkte stehen im Regal nicht nur ganz unten, wohin wir uns nur ungern bücken, sondern oft auch gam ganz linken Rand, wo wir sie eher übersehen." - "Wer kostet, kauft Wie nett von den Verkäufern, dass wir hier und da mal was probieren dürfen. Und wie raffiniert. Viele Kunden fühlen sich nämlich danach dazu verpflichtet, die Waren zu kaufen." - "Die Quengelzone Ein altbekannter Trick und trotzdem effektiv: die Süßigkeiten an der Kasse. Wer hat am Ende schon noch die Nerven, zu sich oder dem nölenden Kind Nein zu sagen, wenn die Schlange lang ist und die Lollis in Griffweite liegen?" - "Der Spiegel lügt Manchmal scheint es, als würde ein Kleid ein paar Kilo wegzaubern. Das liegt daran, dass manche Läden mit verzerrenden Spiegeln arbeiten, die Menschen schlanker aussehen lassen". - "Spiegelnder Boden Damit die Kunden schön langsam durchs Geschäft gehen (und noch mehr kaufen), wenden ihnen nicht nur Regale und Truhen in den Weg gestellt, sie müssen mitunter auf verdächtig spiegelnden Böden laufen. Denn was glatt aussieht, bremst das Tempo." - "Die Nase kauft mit Der Duft von frischen Backwaren regt Appetit und Kauflust an. Manche Supermärkte leiten daher über Rohre die Abluft des Brotbackautomaten in den Verkaufsraum. Andere Läden setzen sogar künstliche Aromen ein, um die Kauflust zu fördern: In Kleidungsgeschäften riecht es oft nach Frühlingswiese, im Outdoorladen nach Tanne."

Zu den Tricks der Werbung und der Verkäufer gehört es natürlich auch, dem Publikum besonders günstige Einkaufsbedingungen einzusuggerieren. So beispielsweise mit einem "MID SEASON SALE", der ganz unauffällig neben Winter- und Sommerschlussverkauf tritt und nach Belieben durch weitere Saisonabschnitte im Viertel- oder Achteltakt ergänzbar ist. Wobei man dem Verlangen des Publikums Rechnung trägt, welches aus dem allgemein oder auch nur in bestimmter Hinsicht bestehenden Dunkel hinausgelangen möchte, darin sehnsüchtig auf einen Lichtstrahl wartend, der dieses zumindest etwas zu erhellen in der Lage ist.

Apropos Verlangen oder Seelenlage des Publikums: Die wird der Darstellung der beiden Journalistinnen zufolge ganz intensiv erforscht, und zwar so: "Längst beschäftigen Firmen ganze Abteilungen damit, unsere Seele zu ergründen. Der Konsument ist eines der am besten erforschten Lebewesen des Planeten. Im Auftrag der Markenforschung wird er in den Kernspintomographen geschoben [- warum eigentlich nicht "....grafen", wo doch selbst die Gegographen zu solchen geadelt worden sind?!?! -], wo er Fotos von Shampooflaschen ansehen oder Getränke durch einen Schlauch schlürfen soll, während Hirnforscher die Vorgänge unter seiner Schädeldecke inspizieren. Man setzt ihm Spezialbrillen auf und lässt ihn vor Regalen auf und ab gehen, um seine Pupillenbewegungen zu vermessen. In den USA wird er beim Einkaufen von speziellen Kameras gefilmt, die sein Alter und Geschlecht erkennen. Mancherorts verraten sogar schon Wärmekarten, wie er sich durch ein Geschäft bewegt, vor welchen Produkten er stehenbleibt."

Mit technischen Hilfsmitteln wird seit jüngerer Zeit auch die Mimik von Leuten erforscht, die sich Werbefilmchen ansehen. In dem Text ist diesbezüglich die Rede von der Firma Affectiva, die von einer gewissen, ursprünglich im Media Lab des MIT tätigen Rana el Kaloiuby gegründet wurde. Die hat dort eine Art Brillengestell mit eingebauter Kamera und integriertem Lautsprecher entwickelt, die es in Verbindung mit einem eigens entwickelten Computerprogramm Autisten ermöglichen soll, in einen besseren Kontakt mit ihrer Umwelt zu treten. Erläuternd heißt es dazu in dem Text: "Wenn man die Brille trägt und mit einer Person spricht, flüstert eine Stimmen einem ins Ohr, ob der Gesprächspartner gerade aufmerksam zuhört, zustimmend lächelt oder gelangweilt schaut. Den Autisten in der Pilotstudie gefiel das. Der Werbeindustrie ebenfalls." Die kann nämlich jetzt beispielsweise ganz leicht herausfinden, wie ihre Werbefilme beim Publikum ankommen.

Um auf die Firma Affectiva, deren Name ja schon recht vielsagend ist, zurückzukommen: Die soll auf ihrer Website die Möglichkeit geschaffen haben, Lächelkurven verschiedener Filmbetrachter zu vergleichen - um sie dann sogar etwa mit Twitter mit Freunden zu teilen. Die dahinterstehende Idee erläutern Schramm und Wüstenhagen wie folgt: "Freiwillige sehen sich am Rechner zu Hause Werbespots an und lassen sich dabei von einer Webcam filmen. Crowdsourcing heißt das. Auf diese Weise erhielte ein Unternehmen ohne großen Aufwand Mimikaufnahmen von Tausenden Menschen, aus denen die Software zum Beispiel Lächelkurven errechnet. Sie erkennt, was die Zuschauer amüsierte oder verstörte, ob Frauen und Männer, Alte und Junge unterschiedlich reagierten. Bei einem Test mit der sexbetonten Axe-Werbung etwa zeigte sich, dass der Spot zwar älteren Zuschauern die Laune verdarb, dafür bei jüngeren umso besser ankam."

Ohne technische Hilfsmittel, direkt von Mensch zu Mensch geht es zu bei aufwendig (wieso ist man eigentlich wieder von dem blöden "aufwändig" abgekommen?) angelegten Befragunen, von denen das Journalistinnenduo eine herausgreift: "Als der Konzern Unilever vor einigen Jahren eine neue Kampagne für die Deos und Duschgels der Marke Axe auflegte, befragten die Marketingstrategen nicht nur weltweit 12 000 Jungen und Männer zu ihren Sexfantasien und Flirtstrategien, sie begleiteten sogar Testpersonen in die Kneipe, um ihr Paarungsverhalten zu studieren. All das, um die ideale Zielgruppe zu ermitteln, der man einreden konnte, Axe sei der Schlüssel zum Erfolg bei Frauen. Die Strategie ist offenbar so wirkungsvoll, dass Unilever immer wieder großflächig Anzügliches plakatiert."

Mit diesen Ausführungen liefern Schramm und Wüstenhagen ein konkretes Beispiel für die Ansprache der Sinne durch die von den Unternehmungen beauftragten Marketingexperten. Unter der Zwischenüberschrift "An der Nase herumgeführt" berichten sie über mehr allgemein über das entsprechende Procedere: "Zwei Drittel aller Kaufentscheidungen trifft der Kunde spontan im Geschäft. Selbst in profanen deutschen Supermärkten versucht man, daraus Kapital zu schlagen. Vom Bodenbelag bis zur Farbe der Preisschilder ist hier alles darauf ausgelegt, den Konsum zu steigern. Kunden werden durch Hindernisse abgebremst und mit Kostproben verführt ... Und wer sich schon mal gefragt hat, warum es in manchen Baumärkten nach frischem Gras riecht oder in der Weinhandlung Musik läuft, sollte wissen: Alles ist Kalkül. ... Mit Geruch könne man uns wie mit einer Fernbedienung steuern [führt dazu ein Professor für Handelsmanagement aus]. So sollen etwa leichte Vanilledüfte bei Frauen und würzige Aromen bei Männern den Konsum fördern."


In der vorstehenden Collage auszumachen ist der "Halo-Effekt". Der hat zwar in gewisser Weise auch etwas mit dem "Hallo-Effekt", also dem Wiedererkennungs-Erleben zu tun, hat aber einen ganz anderen Hintergrund. Nämlich das englische Wort für "Heiligenschein". Die Autorinnen führen dazu zunächst aus, dass wir als Konsumenten gar nicht in der Lage seien, die von überall her auf uns einströmenden Informationen zu bewältigen, und dass das Gehirn deswegen nach allgemeinen Regeln - sogenannten Heuristiken - suche, um sie verarbeiten zu können. So orientierten wir uns beispielsweise gerne am Geruch oder etwa der Farbe eines Preisschildes.

Dem Halo-Effekt nun liegt eben dieses Bedürfnis resp. das dem Menschen Ordnung in seinem Gehirnskasten ermöglichende heuristische Verfahren zugrunde. Konkret erläutern die beiden Autorinnen diesen Sachverhalt wie folgt: "Hat eine Marke erst einmal ein gutes Image, halten wir ihre Produkte in allen möglichen Belangen für überlegen. Sie tragen eine Art Heiligenschein (engl. halo), der uns blendet. Deswegen schmeckt Coca-Cola vielen Menschen besser als Pepsi - vorausgesetzt, sie wissen, dass sie Coca-Cola trinken." Das Trinken von Coca-Cola vermittelt ergo ein Hochgefühl allein schon deswegen, weil man zu denen gehört, die sich ein überlegenes Genussmittel zu Gemüte führen können.

An diesem Punkt sei die Wiedergabe der wichtigsten Aussagen des Titelbeitrags in ZEIT WISSEN unterbrochen und eine Zeitgenossin vorgestellt, die, in diesem auch erwähnt, wie laut Textangabe 800 000 Deutsche zu denen gehört, bei denen das Kaufen zur Sucht geworden ist. Die hier im Porträt vorgestellte Sieglinde Zimmer-Fiene ist aus einer existentiell schwierigen Situation heraus zunächst darauf verfallen, die Einkäufe bei sich als Trost zu verbuchen, um im Weiteren dann mehr und mehr in die Fallen der Verkäufer zu geraten, dabei einen Schuldenbetrag von 170 000 Euro anhäufend.


Um aus ihrer Misere herauszukommen, hat die so immer wieder ihren Kaufimpulsen erliegende Dame laut Textinformation im Jahr 2002 die Selbsthilfegruppe "Kaufsucht Hannover" gegründet, "die sie bis heute leitet und für die sie sich sehr engagiert. ... Für ihre Gespräche mit anderen Betrroffenen informiert sie sich bei Konsumforschern, Rechtsanwälten, Psychologen, Kliniken und Ärzten." Zu den sie beratenden Personen auch zählendeine Sprecherin der Techniker Krankenkasse namens Ulrike Fieback, die inzwischen zur Kaufsuchtexpertin geworden sein soll.

Die Reporterin Ela Dobrinkat führt zu deren Erkenntnissen Folgendes aus: "Kaufsucht sei in Deutschland und in den westlichen Industrienationen ein weit verbreitetes Phänomen. Sieben Prozent aller Erwachsenen seien gefährdet und der Trend zum süchtigen Käufer habe in den vergangenen zehn Jahren spürbar zugenommen. Kaufsucht sei eine unauffällige Sucht. 'Sie kommt schleichend und wird immer massiver ... Der Drang, Dinge zu kaufen, die man gar nicht brauche, ende in vollgestopften Kleiderschränken und mit unausgepackten Tüten. ... Kaufsucht ist ein Ersatz für Anerkennung, für fehlende Liebe, ein scheinbarres Füllen der inneren Leere, ein Trostpflaster und ein Partnerersatz ... Kaufsucht gehe oft mit Depressionen und Essstörungen einher. Frauen seien stärker betroffen als Männer - und leider auch immer mehr junge Menschen. Während Männer vor allem technische Artikel, Auto- und Computerzubehör kaufen, griffen Frauen dagegen zu Kleidung, Schuhen, Schmuck und Kosmetik, aber auch zu Lebensmitteln und Haushaltswaren."

Mit den Lebensmitteln ist der Punkt erreicht, an welchem zurückgesprungen werden kann zu dem, was das im Mittelfeld dieses Eintrags angesprochene Journalistinnenduo über die Techniken der Verführung zum Kauf auszusagen hat. Sie stellen dazu fest, die Wurzeln für unsere Kaufrausch-Anfälligkeit lägen "in der Menschheitsgeschichte. Möglichst viel zusammenzuraffen war eine Erfolgsstrategie, schließlich war der Engpass lange Zeit der Normalfall. Die Jäger und Sammler mussten zugreifen, wenn sich die Gelegenheit bot; 'mehr' bedeutete eigentlich immer 'besser', denn es sicherte das Überleben. Der Biologe Robert Trivers von der Rutgers University in New Jersey fasst es so zusammen: 'Wir haben uns zu Maximierungsmaschinen entwickelt. Es gibt nicht unbedingt einen Stopp-Mechanismus in uns, der sagt: Entspann dich, du hast genug'. Es scheint, als tappten wir immer noch von steinzeitlichen Programmen gesteuert durch die Shopping-Malls des 21. Jahrhunderts."

Die Autorinnen kommen auch auf andere Faktoren zu sprechen, die, wie der Fortpflanzungstrieb seit Urzeiten bestehend, noch heute die Verhaltensweisen der Menschen gerade auch beim Kaufen bestimmen. Dazu heißt es bei ihnen: "Als er [der an der University of Minnesota tätige Sozialpsychologe Vladas Griskevicius] Studentinnen Kleidungsstücke wählen ließ, entschieden sie sich an ihren fruchtbaren Tagen deutlich häufiger für sexy Kleidung; Minirock statt Hose, High Heels statt flacher Pumps - vor allem wenn attraktive Frauen, also potenzielle Konkurrentinnen, in der Nähe waren. Männer ticken ähnlich: Sie geben mehr Geld aus, wenn gerade Frauenmangel herrscht. Wettbewerb stachele zu größeren Ausgaben an. ... Doch während die Muster aus Millionen Jahren Evolution noch tief in uns stecken, hat sich unsere Umwelt dramatisch verändert: Der Engpass ist für die meisten Menschen zur Ausnahme geworden. 'Heute haben wir in der westlichen Welt mehr von allem, als wir jemals brauchen, genießen oder uns leisten können, aber wir jagen immer noch'. schreibt der Autor John Naish in seinem Buch Genug. Wie Sie der Welt des Überflusses entkommen."

Unmittelbar in diesen Zusammenhang gestellt erscheint die zuvor im Porträt vorgestellte Kaufsüchtige, zu der es nach einem kurzen Exkurs über das im Gehirn verortete Belohnungszentrum, welches bei und nach Kaufen Glücksgefühl vermittelt, in dem Text heißt: "Für Sieglinde Zimmer-Fiene war Einkaufen jahrelang das höchste Glück. Cremefarben lackierte Pumps zum schwarzen Hosenanzug trägt die 56-Jährige; ihre rot bemalten Lippen passen perfekt zum rot-weiß gestreiften Shirt. ... Ihr Mann starb früh an einem Hirntumor, sie war damals plötzlich allein mit den Kindern. 'Kaufen half mir, dass alles auszuhalten', sagt sie. Es gab ihr Selbstvertrauen, ein Gefühl von Eigenständigkeit und die Hoffnung, eine gute Mutter zu sein. Die Geschäfte wurden ihr Zufluchtsort. Am Anfang waren es kleine Trostkäufe, für kurze Zeit war die Welt wieder in Ordnung. Aber bald brauchte sie mehr. Das Verlangen wuchs. Sie ging in teure Boutiquen, kaufte ganze Kollektionen und genoss die Aufmerksamkeit der Verkäuferinnen. 'Es war wie ein Orgasmus.' Sie verlor die Kontrolle, ging an manchen Tagen bis zu vier Mal einkaufen. Irgendwann bezahlte sie die Rechnungen nicht mehr, das stand auf einmal die Polizei vor der Tür."

Schramm und Wüstenhagen lenken dann den Blick weg von diesem Einzelschicksal und betrachten die Lage der Kaufsüchtigen generell: "Die Schicksale der Kaufsüchtigen zeigen wie unter einem Vergrößerungsglas, welche Rolle der Konsum heute in unserm Leben spielt. Kaufen bietet scheinbar Abwechslung für die Gelangweilten, Trost und Geborgenheit für die Traurigen, Hoffnung für jene, die von einem besseren Leben träumen. Und etwas, das sich wohl jeder wünscht: Anerkennung. Je geringer das Selbstwertgefühl und je stärker die Verunsichrung, desto größer die Verheißung wertvoller Produkte. Das gilt nicht nur für Kaufsüchtige. So zeigte ein Experiment: Werden Menschen auch nur leicht aus dem inneren Gleichgewicht gebracht, etwa indem sie mit links schreiben sollen, wählen sie häufiger Markenprodukte."

Sein inneres Gleichgewicht und Selbstwertgefühl sucht mehr oder weniger jeder zu wahren und zu sichern, indem er sich als einer Gruppe zugehörig empfinden und ausweisen kann. Und dieses Moment wissen die Firmen bis zum Gehtnichtmehr für sich auszuschlachten: "Marken sind bestens geeignet, um Gruppen zu identifizieren, denen man sich anschließen kann. Testpersonen, die von einem Ballspiel ausgeschlossen werden, suchen sich danach öfter Retromarken aus. Die wecken in ihnen gute Erinnerungen und weisen sie als Teil einer Gruppe aus. 'Dazgehören war in der Evolution lebenswichtig', sagt Florack [ein an der Uni Wien tätiger Psychologe]. Und in eine Gemeinschaft aufgenommen wird am ehesten, wer den Mitgliedern ähnelt. Unser Nachahmungstrieb ist so grundlegend wie unbewusst. 'Schon Babys imitieren, ganz automatisch'. ... Und wenn ein Produkt viel häufiger als ein anderes im Regal steht oder den Hinweis 'meistgekauftes Produkt' trägt, löst das ebenfalls Nachahmungstaten aus. 'Der Vergleich mit anderen ist ein ganz grundlegendes Muster, das die meisten Entscheidungen von Konsumenten erklärt', sagt Bernd Weber, Direktor des Bonner Center for Economics and Neuroscience. Studien haben gezeigt, dass unser Belohnungssystem anspringt, wenn wir uns dem Geschmack der Mehrheit anpassen, etwa bei der Beurteilung von Popsongs. Soziale Konformität wird vom Hirn belohnt."

Ordentlich aufgeräumt in Sachen Shopping-Kultur wird von einem anderen Soziologen: " 'Ich shoppe, also bin ich' - so fasst der Soziologe Zygmunt Bauman den Wandel der Gesellschaft zusammen. Tatsächlich aber ist der Kitt des Konsums ebenso eine Illusion wie das Glück in Tüten. Die Sehnsucht nach Zugehörigkeit werden durchs Kaufen nicht befriedigt, sagt Bauman, im Gegenteil: 'Konsum ist eine höchst einsame Aktivität, sie lässt keine dauerhaften Bindungen entstehen'. Beziehungen würden zunehmend selbst als austauschbares Konsumprodukt gesehen. 'Soziale Bindungen sind die ersten und wichtigsten Kollateralschäden der Kultur des Konsumismus'."

Und dies ist genau der Punkt, an dem auch der Blogger bei seiner Kritik unserer sowohl gesellschaftlichen wie politischen Verfassung immer wieder ansetzt, dabei auch die Segnungen in Frage stellend, die insbesondere Facebook - und zunehmend wohl auch Portalen wie Pinterest - zugeschrieben werden:

Abgeschlossen sei dieser Durchgang durch das weite Feld des Konsums einmal mit dem Hinweis auf den Marketing-Guru Martin Lindstrom, der in dem Artikel von Schramm und Wüstenhagen einleitend vorgestellt wird. Der hat in Laguna Beach in Kalifornien bei einem Modellversuch genau das inszeniert, was von Facebook angestrebt wird. Er hat nämlich dafür gesorgt, dass die Ortsbewohner "im Sommer 2010 plötzlich ganz verrückt nach bestimmten Markenprodukten waren. Inspiriert von dem Hollywoodfilm The Jones - Verraten und verkauft, in dem vier als Familie getarnte Marketinagenten ihren Nachbarn teure Produkte unterjubeln, wollte Lindstrom herausfinden, welchen Einfluss Bekannte und Freunde [Aufgemekrt: hier im Blick sind auch die "Freunde" bei Facebook!] auf Kaufentscheidungen haben.

Er stellte den Film mit einer echten Familie nach, den Morgensons. Eine eigens engagierte Castingagentin hatte sie nach monatelanger Suche gefunden. Sie Morgensons waren gut vernetzt, erfolgreich und sahen gut aus - sie verkörperten den amerikanischen Traum. Lindstrom ließ 35 Kameras und 25 Mikrofone in ihrem Haus verstecken, um vier Wochen lang zu beobachten, wie sie ihren Freunden und Nachbarn bei jeder Gelegenheit die ausgewählten Seifen, Weine oder Schuhe aufzuschwatzen versuchten. Das Ergebnis übertrag Lindstroms kühnste Erwartungen: Jeder der Freunde kaufte im Schnitt drei der gelobten Produkte." Darunter: Schaumwein aus Australien, Bodylotion einer Naturproduktserie, ein Grill, coole Rucksäcke und Snowboards.

Abgeschlossen sei dieser Durchgang ferner noch mit dem, was dem Blogger zwar sehr wichtig erscheint, wegen der Länge der bis hierher erfolgten Abhandlung aber nicht weiter ausgeführt werden soll: dem Aspekt, dass Shoppen Religionsersatz ist. Dazu deshalb nur noch das folgende Zitat: "... Kaufen verspricht Glück - weckt doch jedes neue Produkt die Hoffnung, das Leben noch ein klein wenig besser zu machen. Die Tricks der Marketingstrategen und Verkäufer treffen heute mehr denn je auf eine verunsicherte Gesellschaft, die nach Halt und Bestätigung sucht, oft auch nur nach Beschäftigung. Kaufen ist ein Hobby geworden, ein Mittel zur Stimmungsregulation und Selbstoptimierung, manche sagen sogar: eine neue Weltreligion."


PS: Abgerundet wird das hier gezeichnete Bild durch eine Meldung in der HAZ-Ausgabe 89/12, in der es unter dem Titel "Facebook kauft schon wieder zu" heißt: "Das sich mitten in den Vorbereitungen für den seinen [sic] Börsengang befindliche soziale Netzwerk erwirbt den US-Coupon-Spezialisten Tagtile. Wie Tagtile am Wochenende auf seiner Website mitteilte, geht das Geschäft mit Online-Rabattmarken in Facebook auf. ... Über das Tagtile-System können Kunden bei bestimmten Einzelhändlern mit ihren Einkäufen Rabattcoupons erwerben." Wozu der Blogger nur noch sagen kann: Dann erwerbt mal schön!

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1655 "Facebook: Milliardengeschäft Freundschaft" - oder: Wie der US-Krake Internetsüchtige mit seinen Fangarmen umgreift und Konzernen so hinhält,....








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