Sonntag, 9. November 2008
95 Also: die Geschichte mit der Hanni verdient es wirklich, festgehalten zu werden. Oder: Führungen & Fügungen. Selbstreferentielles + Bibelelemente.
Die Hanni sitzt hier rechts neben Wolle. Beide so getauft von dem Sohn, von dem ich sie zunächst habe übernehmen "müssen" - was sich aber alsbald als ein "Dürfen" erwies. Der hat die lieben Viecher während seiner Studienzeit in Bielefeld anderthalb Jahre lang in seinem Zimmer hat halten können, sie dann aber, bei seinem Umzug zu einem in den Niederlanden gelegenen Studienort, hatte aufgeben müssen. Sehr zur Freude des alten Herrn. Der dabei anknüpfen konnte an die jahrelange Haltung von Karnickelzwergen in den 80ern und 90ern. Die er selbser benamst hatte: Horchi, Putzteufel, Grauchen und Hoppeditz. Welch letzteres Weibchen immer wieder gerne in die Freiheit entsprang. Alle vier Weibchen eigentlich gedacht für die damals 4 Kinder. Aber wie das so ist: keines wollte sich so recht kümmern.
In Fortführung der von Hoppeditz begründeten Tradition hat sich Hanni vor ein paar Tagen in die Freiheit aufgemacht. Ohne meine Kontrolle. Denn ich pflege die Tierchen immer wieder gerne aus ihrem Gehege herauszulassen, sie bis dato ohne allzu großen Aufwand auch wieder einfangen könnend. Grund für die Eskapaden: das Gehege war unzureichend gesichert. Meine Holde ist zwar im Garten, bekommt aber nicht mit, dass die Hanni sich ohne Aufsicht auf freiem Fuß befindet. Da wird sie von Passanten angesprochen, die, wie zufällig auch immer, gerade vorbeikommen und ihr berichten, sie hätten - etwa 300 Meter entfernt, ein Kaninchen auf der Straße gesichtet. Und, weil sie auch Karnickel hielten, zunächst geglaubt, es sei eines der ihren.Meine Holde macht sich also auf den Weg zu der von den Passanten bedeuteten Stelle. Und wartet dort eine Viertelstunde lang. Wieso eigentlich so lange? Hanni, die sich in der ganzen Zeit weiß Gott wohin hätte absentieren können, kehrt aber auf die Straße zurück. Und lässt sich so nach und nach in Richtung des auf sie wartenden Geheges treiben. Das Ende vom Lied: sie verkrümelt sich in den auf einem Pergolagerüst gezimmerten Schuppen. In welchem sie dann, nach einigen Versteckspielen, von meiner Frau gegriffen werden kann.
Warum ich diese ganze Geschichte erzähle? Weil das Maß an Unterstützung, welches ich seit meinem Einstieg in die Meditation vor jetzt etwas mehr als zweieinhalb Jahren erfahren darf, so groß ist, dass mir selbst die so lieb gewonnenen Tierchen erhalten bleiben. Die Hanni hätte sich, wie gesagt, wer weiß wohin verlieren können - kommt aber zu mir zurück. Das ist für mich irgendwie wie mit den Fischen, die Jesus den Jüngern als Fang in Aussicht gestellt hat - wohl wissend darum, dass der Geist auch diese zu bewegen vermag.Und an dieser Stelle komme ich zurück auf die Zeilen, die ich vor langen Jahren, zu Zeiten einer ganz, ganz lange währenden Arbeitslosigkeit, einmal unter Pseudonym habe veröffentlichen lassen, und die das Grundmuster menschlichen Agierens festhalten. Wie auch Perspektiven in die vorstehend angedeutete Richtung hinein eröffnen.
Die Frage des Beziehens einer Position der Stärke sei hier zunächst festgemacht am Beispiel der Kaninchenhaltung: Ich muss mich gegenüber meiner Umwelt nicht als jemand ausweisen, der, von einem möglichst großen Hund begleitet, Eindruck schinden und dabei immer auch seine Unangreifbarkeit dokumentieren will. Ich komme ohne solche Statussymbole aus - und auch ohne eine tierische Begleitung, die mich täglich dazu auffordert, meinen Runden zu drehen. Mir macht es einfach - oder auch: einfacher - einen Heidenspaß, die Tierchen bei all ihren vielfältigen Lebensregungen zu beobachten und sie in ihrer Ausdrucksstärke sowie in ihrem individuellen Charakter wahrzunehmen. Diese Lebensregungen wollen mir vor allem in dem Miteinander interessant erscheinen, welches sich unter den beiden abspielt und sich in diesem Abwechslungsreichtum etwa bei Katzen nicht entfernt so beobachten lässt. Oder hat schon jemand mitbekommen, dass ein weibliches Tier dem männlichen Spielgefährten sexuelle Avancen macht - diese Allüren dann auch noch in Kopfgegend auslebend? Unter anderem zu dieser eigenartigen Form des Rammelns habe ich mich an anderer Stelle ausführlich auch in diesem Blog ergehen können.
Apropos Ergehen: Dies sieht für mich irgendwie völlig anders aus, seitdem ich zu dem bereits angegebenen Zeitpunkt zur Meditation hin gefunden habe. Die eine ganz leichte, unangestrengte und ungemein befriedigende Form der Begegnung mit der Transzendenz ist. Gerade dazu habe ich mich in anderen Zusammenhängen immer wieder so ausgelassen, dass sich Einzelheiten hier erübrigen. Ich wechsle hier vielmehr auf religiöses Terrain anhand eines Zeitungsartikels über, den ich in der FAS-Ausgabe vom letzten Wochende fand.
Überschrieben ist der Artikel mit "Sinnsuche mit Bart und Kippa" und der Zusatzinformation "Warum immer mehr junge Juden nach den strengen Regeln der Orthodoxie leben wollen". In einer großen Zwischenüberschrift heißt es: "Organisationen mit PR-Beratern ringen um die Frömmigkeit der Israelis". Worin sich für mich schon das Fragwürdige an einem solchen Zugang auf die Transzendenz dokumentiert: a) macht er sich an rigoros eingehaltenen Abgrenzungsmerkmalen fest, b) pflegt solche Exklusivität einherzugehen mit aggressiven Momenten, c) kann bei solchen Vorgaben von außen, bei solch fremdbestimmten Mustern, überhaupt nichts wachsen, was auch nur entfernt den Charakter einer inneren Bindung an die Transzendenz hätte. Da kommen Zweckbestimmungen ins Spiel, da fehlt es an der nötigen Unaufgeregtheit, da stehen Status gegen Stabilität im Glauben: aus welch allem nichts Positives erwachsen kann. Weil das Statusdenken einfach die Quellen zuschüttet, aus denen sich allein eine positive Einstellung gegenüber der Welt speisen kann. Wenn demgegenüber die orthodoxen Glaubensschulen, von denen in dem Artikel die Rede ist, einen großen Zulauf verzeichnen können, dann in erster Linie mit dem Hintergrund, dass sie ein wichtiges Sprungbrett zum sozialen Reüssieren bilden. Wie kann man die Auslassungen einer PR-Abteilung als Anknüpfungspunkt für ein persönliches Glaubensleben nehmen - so, wie es sich in dieser Textpassage einleitend festgehalten findet?
Das Problematische an der ganzen Angelegenheit kommt für mich vor allem in der abschließenden Textpassage des Artikels zum Ausdruck. In welcher es heißt: "Mit dem Schritt in diese neue Welt hat sich für die zwei jungen Männer vieles verändert - und das nicht nur zum Guten. Denn obgleich sowohl Jonathan als auch Mosche nun zum elitären Kreis der Strenggläubigen gehören, stehen sie vor einem nicht geringen Problem: Da beide erst spät zur Orthodoxie gefunden haben, wird es ihnen schwerfallen, über einen Heiratsvermittler eine Frau zu finden. Denn aufgrund ihrer noch verhältnismäßig geringen religiösen Festigkeit stehen beider auf der sozial niedrigsten Stufe innerhalb der in schwarze Trachten gekleideten religiösen Gemeinschaft." Angesichts solcher Praktiken und Einschätzungen erhebt sich für mich die Frage, wie sich wohl "religiöse Festigkeit" von außen dingfest machen lässt. Und nicht allein diese.
Einerseits soll in diesem Zirkel eine Beziehung hin zur Transzendenz aufgebaut werden; andererseits wagt man aber das Wort "Gott" nicht auszusprechen: Da möge mir einer verraten, a) worauf sich ein so elitärer Anspruch letztlich gründet, und b) wie unter soviel Krampf, wie er gerade mit solchen Glaubensanstrengungen wie in den elitären Zirkeln praktizierten, eine vertraute Begegnung mit der Transzendenz überhaupt möglich sein soll. Liegt doch nach meinen Erfahrungen die entsprechende Möglichkeit so gut wie ausschließlich in der totalen mentalen Stille, einer völligen Unaufgeregtheit und Absichtslosigkeit beschlossen. Auch wieder nicht von ungefähr stoße ich, was dies anbetrifft, auf die Glaubenshaltung eines Geistlichen in der kirchenkritischen Zeitschrift Publik Forum, beinhaltend, dass man weniger an als vielmehr wie Jesus glauben solle. In meinen Augen widerspricht eigentlich dem uns vom Schöpfer aufgetragenen gedeihlichen Miteinander kaum etwas mehr, als ein mit dem Anspruch des Besser- und des Auserwähltseins daherkommendes Gehabe. Nach meiner Auffassung ist es gerade das elitäre Denken, welches von einer befriedigenden Begegnung mit der Umwelt abhält - im Gegenteil sogar Feinde noch und noch schaffend. Die Geschichte des Judentums sollte eigentlich zum Nachdenken gerade auch in diesem Punkte Anlass geben.
Jenseits aller Gelehrsamkeit, wie sie in ausgiebigstem Schriftenstudium der orthodoxen Schulen betrieben wird, ist Gott wohl eher so angesiedelt, dass er sich durch eine ganz einfache Ruheübung - wie sie etwa in der TM (Transzendentale Meditation) praktiziert wird, finden lässt. Oder, mit den Worten einer evangelischen Pastorin bei einer Rundfunkpredigt ausgedrückt: "Wer so einfach nur seinen Atem verfolgt - der ist in Gott." Was soll also der ganze Zirkus und das ganze Geschrei um den einzig wahren Weg zu Gott und das Auserwähltsein unter aller Kreatur, wenn es eigentlich darauf ankommt, anstrengungsfrei Momente der Glückseligkeit zu erleben? Um diese dann als Erfahrungsschatz in die Welt hineinzutragen. In dem Versuch, andere auch an den Segenswirkungen solcher Praxis teilhaben zu lassen. "Life is bliss" hat dazu der indische Weise Maharishi Mahesh Yogi konstatiert, die entsprechende Botschaft der Welt so vermittelnd, dass sie christlich wie jüdisch gesehene Heilsaspekte ungemein bereichert - und eigentlich erst in ihrer vollen Wirkkraft zum Zuge kommen lässt. Wieder nicht von ungefähr bin ich bei einer Predigt in der Baptistenkirche der Aussage von Paulus gewahr geworden, welche da lautet: "Der Buchstabe tötet."
Alle gerade auch auf religiösem Terrain unternommenen Anstrengungen zielen im Endeffekt darauf ab, eine möglichst starke Stellung der eigenen Person und der eigenen Gruppierung in dem Gesamtsystem zu bewirken. Wobei es im Gegenteil darauf ankäme, sich mit einer Position zufriedenzugeben, der eben nicht das Moment der Stärke (des Auftritts) eignet. Aber dazu mehr bei anderer Gelegenheit.
PS1: Nachdem ich am Samstag diese Zeilen niedergeschrieben hatte, ging es in dem bezeichneten Sinne gleich weiter. Und zwar komme ich da völlig unverhofft zu der Gesellschaft eines Ehepaares, welches die Gestaltung des Abends retten sollte. Ich fahre also mit dem Rad zum Bahnhof Holtensen/Linderte und will dort - anders als ursprünglich beabsichtigt - den früheren Zug nach Hannover nehmen. Um dort bei dem von der Bäcker-Innung veranstalteten Abendbuffet einschließlich Grünkohl mit Wurst- und Fleischbeilage dabei sein zu können. Gemerkt habe ich mir, dass ich vom Hauptbahnhof aus mit der Linie 7 weiterfahren muss, um zu dem Treffpunkt Hotel Försterhof zu gelangen. Weil ich mich erinnerte, bei dem dort zuvor schon einmal veranstalteten Treff mit der Bahn nach einiger Zeit eine scharfe Linkskurve gefahren zu sein. Und die fand ich im Übersichtsplan des Großraumverkehrs halt durch die Linie 7 beschrieben.
An dem fraglichen Bahnhof in ein Gespräch mit einem dort stehenden Ehepaar gekommen. Und zwar, weil ich mitbekommen hatte, dass das am Bahnhof Linden/Fischerhof aus- und in die Stadtbahnlinie 3 umsteigen wollte. Dort fahren aber auch die Züge der Linie 7 ab. Und dann kam ich darauf zu sprechen, dass ich mit dieser Linie 7 den Försterhof erreichen wollte. Das Ehepaar darauf: "Da wollen wir doch auch hin! Mit der 7 landen Sie aber in einer ganz anderen Ecke!" Die Beiden sollten dann übrigens ein nettes Gegenüber bei der besagten Veranstaltung abgeben. Mit dem zusammen ich mich nach genau zwei Stunden so auf den Rückweg machen konnte, dass sich gegen 22 Uhr mit der Niederschrift dieser Ergänzung fortfahren ließ.
Das Fazit aus allem: Wäre ich nicht dem Impuls gefolgt, einen früheren Zug zu benutzen und hätte den Folgezug genommen: ich wäre, ohne eine solche Anleitung zu bekommen, an diesem Abend zunächst an einer völlig falschen Adresse angelangt. Und dann auch noch, da die Zeit bis zum Beginn der Veranstaltung bei Benutzung des Folgezuges eh schon äußerst knapp bemessen war, mit ganz erheblicher Verspätung zu ihr eingetrudelt. So gut ich mich mit dem begleitenden Ehepaar und den beiden Tischnachbarn an diesem Abend auch unterhalten sollte: Das zentrale Datum für mich war - wieder einmal -, wie passgenau sich das Allermeiste für mich gestaltet. Ja, dass ich das Ganze eigentlich hauptsächlich deswegen so wie gehabt unternommen habe, um wieder einmal einer enormen Unterstützung gewahr zu werden. Seitdem sich eben, wie gesagt, aus der Meditationspraxis heraus ungemein viel für mich verändert hat. Auf die Außenwirkungen will ich an dieser Stelle gar nicht weiter eingehen.
PS2: Ein ähnlich gelagerter Fall bei der Fahrt nach Berlin zum Treff einiger Chöre auch der Bäcker-Innung, Sektion Nord. An der Rezeption des Hotels Ellington (Nähe Kurfürstendamm) entstand eine gewisse Unruhe dadurch, dass für einen der Teilnehmer kein Zimmer vorgesehen war. Da war ein Ehepartnerin mitgekommen, wodurch sich eine Verschiebung in der Zuordnung der mit je 2 männlichen Gästen zu belegenden Doppelzimmer ergab. Da stand dann halt einer ohne Zimmer da. Und dieser eine, der war ich. Das Ende vom Lied: Mir wird der Schlüssel resp. die Chipkarte für ein nur von mir in Anspruch zu nehmendes Doppelzimmer ausgehändigt: eine Entwicklung, welche ich nur begrüßen konnte. In meinen kühnsten Träumen hätte ich nicht daran zu denken gewagt, ein Einzelzimmer zu erhalten.
PS3: Um zurückzukommen auf die Geschichte der Juden - und hier speziell der Tatsache ihrer Führung durch den Geist: Ich glaube, dass sich manches in der Historie dieses Volkes anders ergeben hätte, wenn sie a) ein größeres Maß an Dankbarkeit, zumindest aber an Eingedenksein eines sie fördern wollenden höheren Willens an den Tag gelegt hätten, und wenn sie dazu auch noch b) sich gegenüber ihrer Umwelt weniger auf das daraus ja durchaus ableitbare Stärkemoment berufen hätten - oder auch jetzt beriefen. Mit anderen Worten: Wenn sie sich zurückhaltender oder auch einfach bescheidener gäben. Und nicht unbedingt den Knüppel hervorholten, um sich gegenüber der Außenwelt zu behaupten. Jedenfalls nicht in einer Situation wie der jetzigen. Es kann doch nicht so schwer sein, die Tür für ein einvernehmliches Miteinander zu öffnen - im Sinne der Abschlusspassage des hier gleich zweifach erscheinenden Gedichts (vgl. "Über mich"). Interessanterweise finde ich nach der Niederschrift dieser Zeilen in der FAS von heute einen Artikel über den Niedergang der Kibbuznik-Bewegung. Für deren Erfolg einfach ein gewisser Gemeinschaftsgeist erforderlich ist. Will sagen: Selbst intranational erhält das Moment eigener Stärke - etwa durch das Betonen der persönlichen Note, und hier insbesondere wieder das Anschaffen von persönlichem Besitz - ein solches Gewicht, dass andere Intentionen darüber obsolet werden und an Gestaltungskraft verlieren.
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