Mittwoch, 5. November 2008

94 "Der mörderische Utopist".....

...so lautet eine Überschrift in der HAZ vom Dienstag, dem 4. November. Bezogen auf eine gerade erschienene Himmler-Biographie. Der, wohl nicht nur ihr zufolge, die zweitmächtigste Figur in dem Tausendjährigen Reich gewesen ist. Charakterisiert wird er als "äußerst banale Persönlichkeit", an der das Bemerkenswerteste gewesen sei, dass er sich 1940 noch eine Zweitfrau zulegte, und dass er als pedantischer Kleinbürger das Wort "anständig" inflationär für sich gebrauchte.

Nomen non est omen: Mit dem Himmel hatte Himmler nun überhaupt nichts im Sinn, war vielmehr Anhänger einer antichristlichen Pseudoreligion und hing obskuren Vorstellungen wie der Welteislehre an. Von der er sich möglicherweise gar das Heil versprach, darin dann vielleicht sogar von der anderen Figur mit demselben Anlaut gefolgt. Eine Parallele mit diesem: Auch Himmler, der als Diplomlandwirt beruflich absolut nicht Fuß fassen konnte, war eine gescheiterte Existenz: Hitler hatte sich ja eine Zeitlang als Kunstmaler versucht. Außerdem pflegte Himmler den Germanenkult. Wo er die 100 Millionen Wehrbauern herholen wollte, die er im Osten anzusiedeln plante, bleibt unerfindlich. Allein aus der Zwangsumsiedlung von Volksdeutschen ließen die sich nämlich nicht rekrutieren. Die Juden standen in seinen Augen solchen Absichten entgegen - ergo musste Europa präventiv von ihnen gesäubert werden.

Am Ende war er Siedlungskommissar für den Osten,
Reichsführer SS, Reichsinnenminister, Befehlshaber des Ersatzheeres der Wehrmacht und Chef der deutschen Polizei. Die unter seiner Ägide schrankenlos schalten und walten konnte - dabei immer neue Gegner findend: Demokraten, Kommunisten, Freimaurer, Geistliche und, wie gesagt, vor allem Juden. Als Reichsführer SS ließ er es sich angelegen sein, selbst in das Privatleben der ihm untergeordneten Chargen einzugreifen, dabei etwa auch seine Vorstellungen von Sexualität für verbindlich erklärend.

Abschließend wird in der Buchbesprechung ein Faktum angesprochen, welches ebenfalls erwähnt zu werden verdient. Ihr zufolge ist der Weg nach Auschwitz kein gerader gewesen, sondern zeichnet sich dadurch aus, dass die anfängliche Repression in einer Wechselwirkung von Erwartung von oben einerseits und vorauseilendem Gehorsam von unten andererseits sich bis zum millionenfachen Mord aufgeschaukelt hat.

Die Frage steht im Raum, wieso eine derartige, ohne Sinn und Verstand zurechtgelegte Utopie in einer solchen Weise bei einem Riesenpublikum verfangen und von ihm sogar noch mit heller Begeisterung verfochten werden konnte. Eine Frage, die sich nach meinem Dafürhalten vor allem im Hinblick auf die sozialpsychologischen Mechanismen beantworten lässt, die bei dem Ganzen im Spiel waren und von denen noch zu reden sein wird - zum Teil aber auch schon geredet wurde.

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