Montag, 24. November 2008

113 Zur Poldimanie: "Im Liebesrausch" - so titelt der Autor Thomas Klemm in der gestrigen FAS-Ausgabe.

Zu einer Geschichte, in der es ordentlich klemmt (nomen est omen). Dort geht es um Liebesbeziehung, für die offensichtlich ein "Sie konnten zusammen nicht kommen" gilt: Die zwischen den Fans des 1. FC Köln und dem Bayern-Spieler Lukas Podolski. Welch Erstere ihrem "Fußballgott" in der Fankurve nur allzugern zujubeln würden. Aber - leider - nicht können, weil der beim größten FC in unseren Land auf der Reservebank festgehalten wird. Der Autor widmet dieser Angelegenheit nachgezählte und -gemessene 5 Textspalten à 20 cm Höhe - mitsamt einer Großaufnahme etwa 90 % einer ganzen Seite einnehmend. So bedeutsam ist das Geschehen um den besagten Helden vom Fußballplatz.

Nach den oben festgehaltenen einleitenden Worten heißt es weiter: "Hier [beim Bankdrücken] könnte die Fernbeziehung enden zwischen dem 1. FC Köln und 'Prinz Poldi', der mit elf Jahren zum FC kam, mit 18 in der Bundesliga debütierte, mit 21 nach München wechselte und nun, mit 23, nicht mehr recht vorankommt. Aber die alte Liebe ist nicht nur so frisch wie früher, sie ist jetzt auch romantisch verklärt."

Dann geht es um den Kontakt zwischen den beiden Vereinen: "Es ist kurios. Ein Klub wartet auf den Anruf des anderen. Unterbrochen wird die Funkstille zwischen den Vereinen von der Öffentlichkeit, klagt Meier. Sie würde den zweiten Schritt vor dem ersten machen, sie gehe davon aus, dass Podolski von heute auf morgen zum FC kommen wolle - 'wir ihn aber gar nicht finanzieren könnten'. Es gibt einige Möglichkeiten, sich in Köln bekannt zu machen. Im Karneval Prinz, Bauer oder Jungfrau zu werden, das erfordert Geld, Geduld und Energie. Schneller geht es, eine Idee zu haben, wie 'Poldi' finanziert und damit nach Hause geholt werden kann. Über viele Dinge haben die Kölner schon nachgedacht: über einheimische Unternehmen als Sponsoren, über Soli-Zuschläge für Stadionbesucher oder über Spenden von Fans. Der allerneueste Einfall kommt aus einer Branche, die in den letzten Wochen etwas in Verrruf geraten ist. Ingo Soriano-Eupen ist Finanzberater, er will einen Poldi-Fonds auflegen, auf diese Weise 20 Millionen Euro einsammeln, den Bayern-Spieler kaufen und ihn dem FC zur Verfügung zu stellen - für fünf Millionen Euro jährlich. Mit diesem Betrag sollen das Gehalt Podolskis und eine Rendite für die Anleger gedeckt werden."

Die Resonanz in der Presse zu dem, was sich da so auf der Bühne des Geschehens tut, wird folgendermaßen kommentiert: "Die Boulevardzeitungen können bestens damit leben, dass zwischen München und Köln nichts passiert. Kein anderer Abwesender garantiert so großen Absatz wie Lukas Poldolski, der nach kölscher Meinung richtige Stürmer auf dem falschen Platz. Selbst ein trockener Zeitungsartikel, in dem es um Konzepte geht, wie Fans über Anleihen das Kapital ihr Lieblingsklubs für neue Transfergeschäfte erweitern können, wird zum journalistischen Quotenknüller, wenn darin die Namen 'Poldi' und '1. FC Köln' auftauchen. Diese Reizwörter garantieren öffentliches Interesse, sorgen bei den Fans für Diskussionsstoff, setzen den Verein unter Druck. 'Die Poldi-Sehnsucht', steht in der Kölner Boulevard-Zeitung 'Express'; ob dieses Motto die Stimmung verstärkt oder überhaupt erst schürt, das bleibt dahingestellt. Diejenigen, die FC-Geschäftsführer Meier als Trittbrettfahrer bezeichnet, haben in den Medien besonders leichtes Spiel, weil sich der 1. FC Köln derzeit so bedeckt hält. Der Klub ist der Einzige, der in der Stadt nicht über eine mögliche Rückholaktion Podolskis spricht. 'Das mag nach außen hin führungslos oder handlungsunfähig aussehen', gesteht Manager Meier ein, 'aber intern wissen wir genau, was wir können und was nicht.' Also, was kann der 1. FC Köln? Meier lacht. Was er sagt: 'Lukas hat für Köln eine Magnetfunktion. Er elektrisiert alle'."

Dann kommt der Autor zunächst darauf zu sprechen, dass Podolski eine Spielerpersönlichkeit sei, die genau das erzielen " 'was wir brauchen: Tore!' " Daran die Frage knüpfend: "Tore? Drei Treffer hat Podolski in dieser Bundesliga-Saison bislang erzielt. Zweimal spielte er er beim FC Bayern über neunzig Minuten, er werde siebenmal ein- und zweimal ausgewechselt. Das alles ist dokumentiert bei SportsLab, der neuen vereinseigenen Datenbank des 1. FC Köln. Um im Weiteren einen Podolski-Kenner zu zitieren: " 'Überragend sind seine Schusstechnik und seine Aggressivität im Zweikampfverhalten. Seine Schwächen sind, dass er kaum nach hinten arbeitet, dass er manchmal den Abschluss sucht, statt seinen Nebenmann anzuspielen, und dass er den Kopf unten hat'."

Akribisch geht es weiter: "Eine mögliche Antwort hat sich bereits angedeutet, am 13. September, dem vierten Bundesliga-Spieltag. Der FC Bayern spielte in Köln, Podolski wurde in der 57. Minuten eingewechselt, drei Minuten später bereitete er das Münchner 2:0 vor. Nachdem er kurz vor Abpfiff zum 3:0-Endstand getroffen hatte, wurder er nicht nur von Bayern-Fans, sondern auch von Anhängern des 1. FC Köln gefeiert. Die Bayern-Bosse brodelten, und die Kölner Spieler waren so stocksauer, dass ein Gegentreffer bejubelt wurde, egal wer ihn geschossen haben mag. Milivoje Novakovic, derzeit Kapitän und als Torjäger ein Star der Mannschaft, beschwerte sich bei den Anhängern. Mit Erfolg: Eine Reihe von Fanklubs distanzierten sich oder baten um Entschuldigung. Da hatte man es wohl etwas zu weit getrieben mit der kölschen Poldimanie."
Das Abschlussstatement: "Und immer wieder, so eine Angestellte, kommen Fans vorbei, die ein Kölner Mannschaftstrikot kaufen - und es mit dem Namen 'Podolski' beflocken lassen. Nationaltrikots mit dessen Namen und der Nummer 20 gehören auch zu den beliebten Verkleidungen in der noch jungen Karnevalsaison. Dieses närrische Treiben ist an Aschermittwoch vorbei. Was bleibt, sind Rheinländer im Liebesrausch."
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||Heute noch im Stehcafé die Montagsrunde in Sachen Fußball mit der allfälligen Fachsimpelei über das Spiel vom Wochenende "genießen" können. Wie üblich hatte der Bernd S. seinen Kicker auf dem Tisch vor sich liegen. Olaf M., der in der hiesigen Gemeinde einen Holz-Baumarkt führt, gab bei der Gelegenheit eine Geschichte zum Besten, die ihm einmal ein Studienfreund berichtet hatte: Als 19-Jähriger habe er seine 16-jährige Schwester einmal in ihrem Zimmer eingeschlossen und dabei gefordert, sie müsse erst alle Spieler der Nationalmannschaft auswendig hersagen können, bevor er sie wieder freiließe. Was dann, dem Herrgott sei's getrommelt und gepfiffen, wohl auch funktioniert habe.
Es ist oft erstaunlich, welche Einzelheiten in der Fußballrunde aufs Tapet kommen: das fängt bei den Trainer-Verpflichtungen an - und hört bei der Schilderung von Spielzügen aus einer Fußballpartie von anno Tobak noch lange nicht auf. Dass, sollte 96 in die 2. Liga absteigen, Vereinspräsident Kind nicht zu seinem Worte stehen wird, auf jeden Fall an dem Trainer Hecking festzuhalten, darüber herrschte in der Runde Einigkeit. Allerdings mit dem kritischen Zusatzvermerk, Hannover habe die Geschichte in letzter Zeit so oft durchexerziert - von Ragnick über Neururer und Lienen bis hin zu eben Hecking -, dass daraus eigentlich deutlich werde: ein Trainerwechsel macht es nicht. Wenn man sich die vorstehende Bewertung der Spielerleistungen anschaut, kann man dem eigentlich nur beipflichten. Was ich denn auch tat. Auch wenn mir der "Hundeklaus" heute in der Frühe wiederholt den Mund zu verbieten suchte, weil ich eh keine Ahnung hätte: Zu diesem Tagebucheintrag in Sachen Fußball habe ich mich dennoch verstiegen.

Fazit: Doll, was die Leute in Sachen Fußball so alles im Kopf bewegen! Da wird ein Sieg der Herren von der SB Bredenbeck natürlich gerne als Ausgleich für die Beeinträchtigung - oder gar moralische Beschädigung - genommen, die man durch eine "Klatsche" 0:4 für eine Mannschaft, für die Lokalpatriotismus zu entwickeln sich eigentlich lohnen müsste, auf dem Spielfeld erst hat registrieren - und dann verdauen müssen. Hundeklaus outet sich in dem bezeichneten Rahmen immer wieder gerne als Fan von Borussia Dortmund - wie es zu dieser Liebesbeziehung kommt ist mir allerdings unerfindlich, denn er hat nie im Ruhrpott gewohnt -, und der Rainer R. ist leidenschaftlicher Bayern-Anhänger: immer wieder Stoff für kleine Reibereien. Die, und das ist das Schöne an der ganzen Angelegenheit, als angenehm empfunden werden können, weil sie eine Atmosphäre der Lockerheit zu schaffen in der Lage sind.
Da schaut jemand über den Tellerrand seines engen Wirkkreises hinaus - reichlich grämlich dreinblickend. Ich schätze mal, dass es ein Fußballexperte ist, der kritisch das verfolgt, was sich um ihn herum mit den fliegenden Bällen und den fliegenden Personen - es mögen Torwarte, es können aber auch Trainer sein, so tut. Wie mag sich wohl im Endeffekt - bei soviel Flugbewegungen hinein ins Tor und hinein in eine andere Mannschaft -, die von ihm favorisierte auf dem Spielfeld und in der Tabelle behaupten? Fragen über Fragen, die ihm einfach keine Ruhe lassen wollen. Was ich bei dem endlosen Sermon, der sich da zum Teil über Stunden hinweg erstreckt, allerdings befürchte, ist, dass bei soviel Detailkenntnis relativ wenig Platz bleibt für Überlegungen, die über den Spielfeldrand hinausgehen. Und damit, auch wenn der Blick über den Tellerrand hinausgeht, den Vorstellungshorizont über die Maßen einengen.

Ich halte die ganze Geschichte mit dem Fußball und die ihm gerade auch in den Medien gewidmete Aufmerksamkeit für reichlich übertrieben und meine, man sollte sich nicht endlos mit dieser im Grunde total nebensächlichen Angelegenheit beschäftigen. Die überwiegend wohl deshalb so maßlos aufgebauscht wird, weil daraus eine ganze Reihe von Fußballakteuren und -agenten ordentlich Nektar ziehen können. Wobei ich dann andererseit schon wieder sehe, dass über andere Dinge ein solcher Austausch schwerlich zustandekäme, wie er sich etwa in dem bezeichneten Aufenthaltsraum verfolgen lässt.



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