Mittwoch, 10. Juni 2009

281 "Es kann jederzeit losgehen",......

..... so titelt die HAZ auf ihrer gestern erschienenen Kulturseite. Auf der sie ein Interview mit der Journalistin und Autorin des Buches "Aufstand der Unterschicht", Inge Kloepfer, bringt. Der 19jährige Protagonist in der Darstellung der sozialen Verhältnisse im Jahre 2020, Jascha, lernt auf der falschen Schule, wohnt im falschen Viertel und ist einer von den gut 20 Prozent der Bevölkerung, die zur Unterschicht zählen. Die Autorin geht davon aus, dass sich - wenn wir überhaupt nichts ändern - unser Lebensstandandard in den kommenden Jahrzehnten um ein Drittel verschlechtern wird und bemerkt dazu: "Es wird dann auch weniger Geld da sein für Sozialleistungen. Durch die permanente Chancenlosigkeit und die wahrscheinlich geringer werdenden Transferleistungen wird das Unrechtsbewusstsein der Ausgeschlossenen sinken und sie werden sich einfach das nehmen, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht." Anders als die nektarsaugende Hummel - bei der die Versorgung sichergestellt ist, weil natürlich strukturierte Systeme zuverlässig funktionieren - können sie sich nicht darauf verlassen, dass sie ausreichend zu nagen und zu beißen haben.

Die Autorin stellt zur Wut der Unterschicht fest, a) dass sie sich in Frankreich bereits in den vergangenen Jahren in den Vororten entladen habe, b) dass im Unterschied zu Frankreich die Betroffenen in Deutschland in den Innenstädten lebten, und c) dass Krawalle wie in Berlin-Kreuzberg im Jahre 2006 hierzulande die Richtung der Entwicklung anzeigten. Die 45jährige Journalistin, die seit 1992 in der Wirtschaftsredaktion der FAZ arbeitet, führt den Umstand, dass sich noch nicht mehr gegen den sozialen Status auflehnen, den ihnen die Gesellschaft zuweist, auf folgenden Sachverhalt zurück: "Derzeit erkaufen wir uns noch gesellschaftlichen Frieden durch Sozialleistungen. Wir finanzieren Menschen einen Lebensstandard mit Handys, Waschmaschinen und vielem mehr. Und durch das Fernsehen haben sie das Gefühl, tatsächlich Teil der Gesellschaft zu sein."

Diese Passage ihres mit Jan Sedelies geführten Gespäches beschließt die Journalistin und Buchautorin mit der Feststellung: "Das Fatale: Wir geben ihnen keine Chancen, an ihrer Situation etwas zu ändern." Dabei sei die Lage aufgrund des demographischen Wandels so, das ein jeder von den jungen Leute gebraucht werde - und man ihnen folglich durchaus Perspektiven geben könne. Die Crux an der ganzen Angelegenheit sieht sie darin, dass viel zu viele Jugendliche dadurch in das System der Ausgrenzung gelangen, dass den gefährdeten Familien unzureichende Hilfen zuteil werden. Beispiel Jugendämter: "Schon Mütter in benachteiligten Milieus brauchen Unterstützung bevor es zu familiären Krisen kommt....Wir müssen sie ermuntern, sich um die Kinder zu kümmern, auch wenn es schwierig ist. Derzeit haben wir ein Hilfesystem, das sich an der Krise orientiert. Jugendämter greifen erst ein, wenn etwas passiert ist. Wir brauchen ein Hilfesystem, das von Anfang an unterstützt." Inge Kloepfer bringt die Situation der benachteiligten Familien so auf den Punkt: "In Zeiten medialer Miterzieher und des Überflusses von Konsumangeboten ist Erziehung täglich ein Kraftakt, der in deklassierten Milieus oft gar nicht gelingen kann."

Demgegenüber sieht sie die klassischen Erziehungseinrichtungen Krippen und Kindertagesstätten in der Verantwortung und will die Sozialhilfe an die Bildungsbeteiligung geknüpft sehen. In Anbetracht des Umstandes, dass der Staat die Abwrackprämie und Milliardensummen für marode Unternehmen aufbringe, müsse es doch möglich sein, ein effizient werdendes Hilfesystem auf die Beine zu stellen. Die Frage, warum wir uns Bildung nicht leisten, beantwortet sie folgendermaßen: "Weil Politiker mit Bildung politisch weniger punkten können als mit kurzfristigen Rettungsaktionen für die Wirtschaft...Der Nachwuchs hat eben keine Lobby".


Hanni und Wolle, die beiden aus der Studentenbude meines Jüngsten zu mir gelangten Karnickelzwerge, lassen es sich derweil gutgehen - haben sie doch in mir ein Lobby, die sich gerne ihrer Bedürfnisse annimmt: Wonneproppen haben es eben einfacher, zu ihrem Recht zu gelangen als Naturen, die - wie die vorstehend angesprochenen, Probleme bereitenden Jugendlichen - dazu neigen, ihre Umwelt herauszufordern.


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