Ziemlich zeitgleich mit den nebenstehenden Veröffentlichungen in Sachen Fernsehkultur - Stichwort: "Begeisterung für das Abseitige" - findet sich in der neuesten FAS-Ausgabe der Artikel "Das gemeine Volk". In ihm wird die "Mutter aller Castingshows" vorgestellt, seit 1971 laufend unter dem Titel "Talente im Tanzschuppen". Dort kam nicht ein Schmähtalent wie Dietrich Bohlen zum Zuge, vielmehr betätigte sich das die Veranstaltung verfolgende Publikum als Schmähinstanz. Zitat aus der besagten Veröffentlichung: "Die Rolle von Dieter Bohlen spielte damals das Publikum, das sich über die Jahre von einer zivilisierten Jury zum einem messerwetzenden Mob entwickelt hat.
Beseelt von ihrem grausamen Ruf ist auch die Größe, von der es in der Überschrift des zweiten Textes heißt: "Der 'Superstar' steht schon fest". Das Publikum findet sich dabei so dargestellt: "Die einen halten es für Kunst, wie Bohlen immer wieder neue 'Du singst, wie mein Klo spült'-Vergleiche raushaut. Die anderen halten sich ein Auge zu und blinzeln mit dem anderen in Richtung Glotze, um ja keine von Bohlens Schweinereien zu verpassen, über die sie sich aufregen könnten. Und der Rest? Liest Bohlens 'härteste Sprüche' garantiert in der 'Bild' vom nächsten Tag."
Wie mein Holde mir noch gerade erst berichtet, sollen den Beginn der neuen Staffel um die 8 Millionen Zuschauer verfolgt haben - die übrigen wie gesagt in der Knallpresse." "Armes Deutschland," würde mein Lateinlehrer heute gewiss sagen," wenn das die Russen wüssten!". Er pflegte diesen - nicht ganz so harten - Spruch von sich zu geben, wenn die Klasse wieder einmal mit irgendwelchen grammatischen Feinheiten nicht zurechtkam.
Da die Zeitgenossen offensichtlich auch nicht in ihrer Freizeit zurechtkommen, ziehen sie sich solchen Schrott wie den von RTL gelieferten rein. Oder halt auch den etwa vom DSF in Gestalt folgender in Text 1 aufgezählter Übertragungen: "Mittlerweile ist kaum eine Sportart zu abseitig, um sie nicht zu übertragen: Motorsport, Tischtennis, Schach, Poker, Boxen, Rad- und Reitsport, Curling, Snooker, Wrestling und sogar das brutale Ulimate Fighting - alles ist filmbar."
Apropos Film: Da eine so bornierte und zugleich auch noch extrem inhumane Einstellung bei dem Publikum und den von ihr hofierten Größen offensichtlich über die Maßen gerne gepflegt wird, kann ich mir eigentlich nur wünschen, im falschen Film zu sein. Und nicht in einem, der im Grunde nur eine Fortsetzung des 1933 ff. gedrehten darstellt. Mit Darstellern, die halt auch nur extrem borniert und inhuman waren. Und mit solcherlei Eigenschaften hofiert und nach Kräften befördert wurden. Wie es halt in einem System, in dem die Unmenschlichkeit Priorität vor allem anderen hat, auch gar nicht anders sein kann.
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