NSAGeschäft ist Geschäft – oder nicht?

Die Deutsche Telekom arbeitet mit Leuten und Firmen zusammen, die auch Geheimdiensten wie der NSA zugeliefert haben. von Anna Catherin Loll
Glaubt man der Deutschen Telekom, sind all die Liebesschwüre, Verabredungen, Streitereien und Hasstiraden, die Menschen in Deutschland den 23 Millionen Festnetzanschlüssen und 35 Millionen T-Mobile-Handys anvertrauen, absolut sicher. Seit einem Skandal im Jahr 2008, als Vorstandsmitglieder mehrere Aufsichts- und Betriebsräte, Gewerkschaftsfunktionäre sowie Journalisten ausspionieren ließen, sei man besonders sensibel beim Datenschutz, betont ein Sprecher der Telekom. Woher der amerikanische Geheimdienst NSA all seine Daten in Deutschland bekomme, wisse man nicht, sagt er. Die Telekom arbeite nicht mit ausländischen Geheimdiensten zusammen.

Anders sieht dies allerdings bei Dienstleistern des Konzerns aus. Enge Militär- und Geheimdienstverbindungen einiger Telekom-Partner werfen die Frage auf, wie sicher die Kundendaten des Konzerns tatsächlich sind – zumal die Telekom mit Ori Cohen und Stas Khirman seit März 2013 sogar zwei Männer im Konzern beschäftigt, die zuvor Narus, eine Firma mit engsten Verbindungen zum amerikanischen Geheimdienst, gegründet hatten.

Narus gilt weltweit als einer der größten Anbieter für Analyse-Software, mit der man digitale Datenströme untersuchen und auswerten kann. Diese Technik kann auch zur Massenüberwachung eingesetzt werden, und die Verbindungen der Firma zur NSA sind eng. Im Jahr 2004 berief Narus einen Mann namens William P. Crowell in den Vorstand, der zuvor stellvertretender Direktor der NSA gewesen war. Das Unternehmen habe beeindruckende Erfolge vorzuweisen, teilte Crowell in einer Pressemitteilung zum Wechsel mit. "Ich freue mich darauf, Narus dabei zu helfen, neue strategische Partnerschaften einzugehen und weiterhin neue Wege in der Telekommunikationsindustrie zu beschreiten", sagte er.
Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe der ZEIT, die Sie am Kiosk oder online erwerben können.
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Diese Absicht trug offenbar Früchte. Laut einer eidesstattlichen Aussage des Nachrichtentechnikers und ehemaligen AT&T-Angestellten Mark Klein vor einem kalifornischen Gericht installierte Narus im Auftrag des US-Telekom-Konzerns in dessen eigener Schaltzentrale Überwachungssysteme für die NSA. Ziel: die Überwachung des Internetverkehrs.

Narus’ Software greift dabei nicht die Daten einzelner verdächtiger Personen aus Gründen der Strafverfolgung ab, abgesegnet durch einen richterlichen Beschluss. Vielmehr handelt es sich um "warrantless tapping" – Abhören ohne richterliche Aufsicht. Die Systeme überwachen den kompletten Internetverkehr, der durch ihr System rauscht, also aller Menschen, die daran beteiligt sind, von der Mutter, die mit ihrem Sohn chattet, über den Vorstandschef, der Mails an seine Finanzabteilung verschickt, bis zu der Rechtsanwältin, deren Festnetztelefon über das Internet funktioniert.

Die amerikanischen Gesetze schreiben den Telekom-Konzernen vor, dass sie kooperieren müssen. Das gilt nicht nur für AT&T. Der lokale Konkurrent Verizon verpflichtete nach Recherchen des Geheimdienstexperten James Bamfords bloß eine andere Späh-Technik-Firma namens Verint, die bis vor Kurzem zum IT-Unternehmen Comverse gehörte.

Wie sensibel Firmen wie Verint auf Kritik reagieren, konnte Andy Müller-Maguhn vom deutschen Chaos Computer Club vor Jahren erleben. Er sprach im Mai 2004 auf einer Siemens-Veranstaltung über Sicherheitslücken und erwähnte auch einige konkrete Beispiele. Eines davon war Verint. Müller-Maguhn sagte, die Firma erhalte durch ihre extrem günstigen Dienste massenhaft Zugang zu sensiblen Daten. Die Sorge, die er vor seinem Publikum äußerte, war, dass das Unternehmen Einblick in das persönliche Leben unwissender Kunden erhalte. Was Müller-Maguhn allerdings entgangen war. Direkt vor ihm, in der ersten Reihe, saß Kenneth Minihan, ein ehemaliger Chef der NSA, der später Vorstand von Verint wurde.

Nachdem Müller-Maguhn seinen Vortrag beendet hatte, habe ihm Minihan Antiamerikanismus und Antisemitismus vorgeworfen. Der Deutsche sagt: "Ich wies ihn darauf hin, dass ich lediglich aus öffentlichen Quellen zitiert hätte." Darauf soll Minihan geantwortet haben, dass allein der Besitz dieser Unterlagen seine Ermordung rechtfertigen würde. Auch wenn es sich um NSA-Humor gehandelt haben mag, Müller-Maguhn ist seither nicht mehr in die USA gereist.