Donnerstag, 5. Juni 2008

22 Das Wahrheitsmoment - aus kirchlicher wie aus mehr freigeistiger Sicht (Inhalt Rundmail)

Folgende Rundmail hat heute unter dem Betreff "Passend zu dem, was ich letzthin zu dem Obdachlosenpriester Abbé Pierre ausgesagt habe, finde ich...... ("Von nun an sollt Ihr Menschenfischer sein!": Wahrheit u.a.m. - 06/08)" mein Infolabor verlassen:

Martin Cross Bredenbeck*, den 05.06.08
Angerweg 6 a *A. Frhr. Knigge
D-30974 Wennigsen fon/fax 05109/63551

[hier ein - leider noch nicht einzubringendes Bild eines Mannes, der vor der Skyline mit Hochhäusern seine Angel auswirft]


.... sehr geehrte/r Adressat/in, in einem Zeitungsschnipsel ohne Quellenvermerk folgende Passage: "Rorty, der in der vergangenen Woche gestorbene Philosoph aus dem Geist des amerikanischen Pragmatismus, war Enkel von Walter Rauschenbusch, dem Begründer der 'Social Gospel'-Bewegung: der Lehre vom sozialen Evangelium im amerikanischen Protestantismus. Als Kind marxistischer Journalisten war er freilich gläubiger Atheist. Dennoch - und das verbindet ihn mit David Hume - hat Rorty die Maxime des Heiligen Augustinus 'Liebe zuerst, und tu dann, was du willst!' womöglich besser verstanden als viele bekennende Christen. Seine 'liberale Ironie' gebenüber jeder Metaphysik stellte die Treue zum (nächsten wie fernsten) Menschen stets höher als die Treue zur Wahrheit."

Zu dieser Textpassage sollen hier einige Überlegungen angestellt werden. Und zwar auch anknüpfend an folgende aus dem Netz zu beziehenden Infos:
"Die Social-Gospel-Bewegung ist eine
protestantische intellektuelle Bewegung, die im späten 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert am prominentesten war. Die Prinzipien des Social Gospels dienen heute noch als Inspiration für jüngere Bewegungen wie z.B. Christians Against Poverty. Die Bewegung wendet christliche Prinzipien auf soziale Themen an, insbesondere auf Armut, Alkoholismus, Kriminalität, ethnische Konflikte, prekäre Stadtviertel, Hygiene, Bildungsmängel und Kriegsgefahr. Theologisch gesehen waren die Führer der Social-Gospel-Bewegung üblicherweise postmillenialistisch. Das heißt, sie glaubten, die Wiederkunft des Herrn würde nicht eher passieren, als dass die Menschheit sich ihren sozialen Problemen durch eigene Mühen entledigen würde. Im Allgemeinen haben sie deshalb die prämillenialistische Theologie, die in den US-Südstaaten vorherrschend war, abgelehnt, nach der die Wiederankunft des Herrn unmittelbar bevorstehe, weshalb Christen sich darauf und nicht etwa auf soziale Probleme konzentrieren sollten. Ihre millenialistische Ansichten ähneln jenen des Christlichen Rekonstruktionismus, jedoch sind Anhänger des Social Gospels tendenziell, links und theologisch liberal, während Rekonstruktionisten zu politisch libertären und religiös fundamentalistischen Ansichten neigen."

Folgende Punkte sollen dabei - in einer weiteren Näherung - Berücksichtigung finden:
a) die "Treue zur Wahrheit",
b) der Aspekt der Verantwortlichkeit von Kirche gerade für die sozialen Belange,
c) das Manko der katholischen Kirche in diesem Punkte gerade auch in Deutschland,
d) die Frage, was es mit dem Atheismus auf sich hat,
e) der Stellenwert des Marxismus angesichts einer sich zunehmend halt- und konzeptionslos gebärdenden politischen und wirtschaftlichen Elite,
f) die von Augustinus formulierte Liebesdevise.

"Erstmals spricht ein Energiekonzern vom Ende der Ölzeit" (HAZ 04.06.08)

"Ölreserven reichen noch lange" (HAZ 05.06.08)

ad a) lässt sich konstatieren, dass im Bereich des Relativen zu allem Möglichen unterschiedliche Meinungsbilder zustandekommen, über die sich dann trefflich streiten lässt. Welcher der vorstehenden Aussagen von Energiemanagern will man denn etwa Glauben schenken? Anders sieht es im Hinblick auf das Absolute aus. Denn hier ist grundsätzlich allen und jedem die Möglichkeit gegeben, identische Erfahrungen zu machen. Über die sich dann recht leicht ein Konsens herstellen lässt. So etwa zwischen meinem die TM (Transzendentale Meditation) praktizierenden Freund und mir, der ich mit dem Ruhegebet - und kristallartig sich anlagernden, vornehmlich an den Heiligen Geist gerichteten Liedstrophen zu meditieren pflege. Von diesem Freund erhielt ich gerade erst folgende - in der Frage der Wahrheit wieder ein Stückchen weiterführende - Nachricht (die Originalzitatzeichen bleiben in ihr unverändert):

"Ich habe mich über all das gefreut, was ich aus Dir durch meine Fragen herauslocken konnte. Und ich fände es schön, wenn Du das auch zu Papier bringen könntest. Dein Wort "Meinungsbild" ist eigentlich sehr schön und aussagekräftig. Es steckt auch das Wort "mein" darin, d.h. mir ein Bild von dem "Mein" machen, von dem, mit dem ich mich identifiziere. Im wirklichen Einheitsbewusstsein identifiziere ich mich mit Allem, da alles das Eine ist, das "ICH BIN". Doch vielfach werden, wie wir ja beide festgestellt haben, Begriffe wie "Meinungsbildung" und "Meinungsbild" meistens noch mehr intellektuell verstanden und nicht als ein Prozess oder ein Abbild, das eine tief innere Bewusstseinswandlung widerspiegelt. Selbst der Begriff Bewusstseinsbildung wird mehr mit informativen Einflüssen und Erfahrungen auf der Sinnes- und mentalen Ebene in Verbindung gebracht (durch Schulung, Medien, etc.), - weniger aber und nur selten (- noch -) mit der Seinsebene, mit der Erfahrung von Transzendenz, durch die sich erst das eigentliche Einheitsbewusstsein entwickelt und auf dem Wege dorthin - da es ja ein Feld der unendlichen Korrelation ist - schon die Erfahrung zunehmender Harmonie, Liebe, Akzeptanz, Toleranz, Unabhängigkeit, Kooperativen Verhaltens, Beziehungsreichtum, Kreativität, und, und, und schenkt. So wie Du es gebracht hattest, klang alles so einfach und natürlich und lebensnah - Deine Erfahrung.Buonas Dias"

Zu dem "ICH BIN" hat, an anderer Stelle habe ich es schon einmal festgestellt, der eingangs erwähnte französische Obdachlosenpriester immer wieder gesprochen: "Da Du bist, will auch ich sein!" "Wahr" sind, wie sich aus dem Vorstehenden entnehmen lässt, nicht irgendwelche von anderen entwickelten gedanklichen Konstrukte und von denen hergeleitete resp. darauf aufbauende Glaubenssätze. Welche sklavisch zu übernehmen und zu befolgen sind. Vielmehr ist "wahr" das, was sich immer wieder als etwas erweist, das durchgehend Bestand hat und verlässlich verifizierbar ist. So, wie etwa in den beigefügten Erfahrungen von TM-Studenten festgehalten.

Die zweite Anlage, der "Schatz mit vielen Namen", geht näher auf die nicht nur diesem Ansatz eigene Bewusstseinstechnik ein. Welche ein außerordentliches Maß an Harmonie der Gehirnwellen, damit aber auch der sozialen Felder zeitigt, die davon unmittelbar berührt werden. Demgegenüber muss das Fürwahrhalten von irgendwelchen Glaubenssätzen des "wahren Glaubens" sich im Endeffekt als weitaus weniger kraftvoll erweisen. Insbesondere die katholische Kirche hat in ihrer Geschichte so gut wie nichts getan, um das individuelle Prosperieren zu befördern - aber so gut wie alles (zu Verwerfende), was geeignet erschien, Vorstellungen zu unterbinden, die darauf hinausliefen, ihren Herrschaftsanspruch in Frage zu stellen. So die jeweiligen Zeitgenossen in Unmündigkeit und Abhängigkeit haltend. Der Tanz, der auch heute um den Papst herum aufgeführt wird - wobei die """Masse""" jubiliert "Wir sind Papst!" - beweist letztlich nur, wie sehr es gerade der katholischen Kirche an Überzeugungskraft ermangelt. Wofür ja auch die Heerscharen von Kirchenabtrünnigen sprechen.

Die Creatio Continua ist so angelegt, dass jeder die Möglichkeit hat, das zu verwirklichen, was Jesus ja auch nicht "einfach so" gesagt hat - nämlich: "Seid vollkommen, wie Euer Vater im Himmel vollkommen ist!" Womit er genau das Sündengebrabbel widerlegt haben dürfte, das später von der Kirche angestimmt werden sollte. Unter anderem dieser Ausspruch belegt, dass es ihm um die Verwirklichung idealer Zustände in historischer Zeit gegangen ist - und nicht um etwas, das sich erst in der Zeitlosigkeit einstellen wird. Er wollte gerade nicht auf die Ewigkeit vertrösten, so, wie es die Kirchen - und hier wieder insbesondere die katholische - zu tun pflegten und pflegen. Es ist alles eigentlich nur eine Frage des Daraufkommens - so, wie es der Professor Higgins in "My fair Lady" ausgedrückt hat: "By God - she has it!"

ad b) ist zu sagen, dass es bezeichnend ist, mit welchem Habitus die katholische "Elite" gegenüber der südamerikanischen Befreiungstheologie auftritt - und mit welchem Gestus sei meint, diese erledigen zu können. Wenn es den Menschen an dem zum Lebenserhalt Notwendigsten fehlt, dann sind sie einfach nicht in der Lage, sich von den so gut wie ausschließlich an ihm sich festmachenden Überlegungen freizumachen. Dann kann und will sich kaum einer den Luxus eines den realen Zwängen wenig gerecht werdend erscheinenden Glaubenslebens leisten. Es ist auch bezeichnend, dass, wie vorstehend deutlich werdend, die Bewegung des "Social Gospel" im Kreise von Baptisten aufgekommen ist. Die ich heute in ihren Gottesdiensten als wesentlich lebensbejahender, zuversichtlicher, kommunikativer und herzlicher erleben darf als alle mir bis dato begegneten Katholiken. Womit das unter a) in dem Kommentar des Freundes Ausgesagte aufgegriffen wird.

ad c) fällt auf, dass die Diakonie als Wirkfeld der evangelischen Kirche weitaus mehr an Aktivitäten auf sozialem Terrain entwickelt, als etwa das katholische Pendant, die Caritas. So schätzenswert deren Einsatz auch sein mag: er bleibt, wenn ich es recht überschaue, um Klafter hinter dem zurück, was von evangelischer Seite in diesem Punkte geleistet wird. Um nur einen allseits bekannten Namen zu nennen: Bethel. Ich sehe das auf katholischer Seite sich darstellende Manko weiter dadurch belegt, dass etwa die AWO als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege sich gehalten sah, in Aktion zu treten. Weil einfach ansonsten zu viel von dem liegen geblieben wäre, was der gedeihlichen Entwicklung der Menschen dient. Dessen anzunehmen eigentlich vornehmliche Aufgabe der Katholiken wäre. Die allerdings mehr theoretisch wahrgenommen worden ist. Und wo sind die Statements speziell der katholischen Kirche zu all den total an der Menschenwürde vorbeigehenden staatlichen Regulierungen in der Gegenwart? Es ließe sich hierzu und zu anderem weitaus mehr sagen - aber das Ganze soll ja auch wieder nicht ellenlang werden.

ad d) ist festzustellen, dass das Aufkommen des Atheismus weniger mit einem mangelnden Gespür der Menschen für die Transzendenz oder das Transzendente zu tun hat - denn dieses ist qua natura, wie unter a) angesprochen, eigentlich jedem eingegeben. Sondern damit, dass die Kirche in ihren Vertretern einfach zu wenig an Glaubwürdigem hat rüberbringen und vorleben können, um so wirklich die Herzen der Menschen anszusprechen. Und die Herzen sind es, die bei der Entscheidung 'Pro oder Contra' letztlich den Ausschlag geben. Als Ablehungsmoment hinzkommen dürfte das fixe, personal gebundene Gottesbild. Welches eben nicht die Qualitäten hat, die der Forderung "Du sollst Dir von Deinem Gott kein Bild machen!" gerecht wird. Und welches auch nicht dem EINHEITLICHEN FELD entspricht, welches von der modernen Naturwissenschaft zunehmend gesehen wird. Das Nachbeten von irgendwelchen vorgegebenen Glaubensformeln, die den Anspruch erheben, "wahr" zu sein, kann demgegenüber auf Dauer keinen Bestand haben. Wobei es auch eine Rolle spielen wird, dass dem guten Herrgott an einem solchen Glauben wenig gelegen sein dürfte.

ad e) ist festzuhalten, dass Heiner Geissler - einer der ganz wenigen sich als integer und geradlinig erweisenden Politiker - konstatiert hat, der Kapitalismus sei genauso gescheitert wie der Kommunismus. Beide sind gescheitert, weil sie es verabsäumt haben, den Bezug zu der allen konkreten Erscheinungsformen zugrundeliegenden geistigen Wirklichkeit herzustellen. Die aus purem Lustgefühl - so etwa auch von ECKART TOLLE dargestellt - pausenlos Neues werden lässt, und sich an der Vielgestaltigkeit der Manifestationen des eigenen - absoluten - Seins erfreut. Das Problem für den Kapitalismus in der fraglichen Hinsicht: Er will sein Scheitern nicht wahrhaben - und versucht, seine Schwachstellen so gut wie möglich zu übertünchen. Ich will nun nicht einsteigen in eine Analyse des Marxismus - denn dafür kenne ich ihn viel zuwenig. Was ich sagen möchte: Der Umstand, dass man auch ihn durch verwerfliche Praxis diskreditiert hat - so, wie die katholische Kirche sich immer wieder durch ihre Praxis diskreditiert hat - berechtigt nicht zu dem Schluss, dass seine Erkenntnisse mehr oder weniger alle hohles Gerede sind. Dies wird mittlerweile ja trotz des inneren Zwanges, Überlegenheit zu dokumentieren, von einer ganzen Reihe von Westlern so gesehen. Der Kommunismus mit seinen auch der urchristlichen Lebenspraxis entsprechenden Regulierungsmechanismen des gesellschaftlichen Miteinanders hätte, gegründet auf die hier vorgestellt Basis, beste Chancen gehabt, zu reüssieren. Einfach, weil sie einem höheren Plan entsprochen hätten. Nur: Die entsprechenden Chancen sind leider Gottes vertan worden.

ad f) darf man wohl füglich bemerken, dass dem eingangs genannte Abbé Pierre eigentlich die Auszeichnung "heilig" zugesprochen werden müsste: nicht von ungefähr war er ja der beliebteste Franzose. Es steht aber zu vermuten, dass sich kirchlicherseits diesbezüglich nichts tun wird. Denn: Anders als der Begründer des Opus Dei, Josefmaria Escrivá, der zur Ehre der Altäre erhoben worden ist, hat Abbé Pierre nichts unternommen, was geeignet gewesen wäre, kirchliche Herrschaftsansprüche zu befördern. Sondern sehr viel, um die in Frage zu stellen. Allein dieses Faktum belegt in meinen Augen schon hinreichend, wie sehr die katholische Kirche selbst an den Prinzipien vorbeigeht, die von einem ihrer Vertreter mit einem glaubwürdigerem Profil für sie formuliert worden sind: Augustinus.

Zu resümieren ist: Die Kirche(n) unterbanden und unterbinden weitestgehend jeglichen Ansatz in Richtung wahren Glaubenslebens. Welches sich allein aus der echten Begegnung mit der Transzendenz in der immer wieder geübten totalen mentalen Stille heraus entwickeln und nähren kann. Und veranstalten stattdessen jede Menge Tamtam. Deshalb muss man froh darüber sein, dass es beispielsweise den indischen Weisen Maharishi Mahesh Yogi gegeben hat, der mit der von ihm vermittelten Transzendentalen Meditation Aber- und Abermillionen von Zeitgenossen die Möglichkeit an die Hand gegeben hat, innerlich frei zu werden, Harmonie in sich und in der Umwelt zu erleben und zu verbreiten - so Ziele errreichbar werden lassend, die von den Kirchen, wenn überhaupt, nur theoretisch anvisiert werden. Dazu abschließend nur noch der Kommentar von Karl Rahner, des Hauptbetreibers des Vaticanums II: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein - oder er wird nicht mehr sein." Und noch das Statement, dass die singenden und sich im Takt wiegenden Sufis um einiges näher an dem "Eigentlichen" sein dürften, als all die Figuren, die mit wer weiß welchem Anspruch in der Glaubensszene agieren.

Mit freundlichem Gruß

Martin Cross

PS: Da in diese Mail kein Bild- und Textmaterial aus der Presse eingebracht worden ist, welches von mir noch nicht in meinen Blog
www.cross-corner.blogspot.com gestellt werden kann, erscheint diese Rundmail heute dort an 23. Stelle.

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